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The Stooges - The weirdness

The Stooges- The weirdness

Virgin / EMI
VÖ: 16.03.2007

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die kleine Selbstzerstörung

Was das Alter nicht alles mit sich bringt: Zwar fängt man mit den Jahren nicht zwingend an, sich für Countrymusik zu interessieren, wie einst Die Aeronauten behaupteten. Aber irgendwann bringt das Gegenüber nur noch lautes Gähnen für die x-te Wiederholung der doch eigentlich außerordentlich spannenden Storys auf. Sogar in Pärken zu sitzen und Tauben nachzuschauen weckt neuerdings unbekannte Glücksgefühle. Und dann sind da noch diese hartnäckigen, gekrümmten Äderchen unter der Haut, die trotz intensiven Drüberreibens nicht mehr verschwinden wollen. Nein, irgendwie scheint sich die Welt zu ändern.

Aber wie reagieren? Fortan Kuchen backen für die Enkel? Chirurgische Operationen? Oder das Klagen einfach sein lassen und der Menschheit ein angeekeltes Lebenszeichen entgegenrotzen? Altern im Punkrock-Stil? So macht's zumindest Iggy Pop. Statt Rentnerbingo trommelt der noch knapp 59-jährige lieber tatsächlich noch einmal die alten Gefährten von den Stooges zusammen, um dort anzuknüpfen, wo 1973 "Raw power" offene Münder und blankes Entsetzen hinterließ. In der sich selbst zerfleischenden Extase und im schmutzigen Sex. In drei Riffs, Chaos und all dem, was die anständigen Anderen eigentlich verbieten wollen. Dagegen war Punk ein paar Jahre später beinahe nur ein lauer Aufguss.

Schon auf Iggys letzter Solo-Scheibe "Skull ring" hatten sich die alten Weggefährten ja bereits für einige Stücke wieder zusammengetan. Aber das, was dort verhältnismäßig handzahm vor sich hinrumpelte, wurde für "The weirdness" mit Steve Albini noch einmal rauhgeschmirgelt. Nach 34 Jahren sind die Garage und der Schrammelsound zurück. "Now is the season / For war with no reason" erklärt es das großartige "My idea of fun". Bluesige Einsprengsel und kreischende Gitarren legen die Hülle um ein triebhaftes, vernarbtes Es, das in "ATM" und "I'm fried" den Pogo stampft und zu "Free and freaky" eine späthippieske Hymne aufs freie Amerika zelebriert.

Doch Albini dokumentierte auch, dass die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat. Iggys Organ geifert nach besten Kräften, genießt es in "You can't have friends" gezielt sämtliche Töne zu verfehlen und mimt teils gar den großen, unkonventionellen Entertainer. Damals aber kreischte er unbezähmbar und viel weniger abgeklärt, statt Süffisanz war ätzende Schärfe zu hören. Auch die psychedelische Note ging mit den Jahren verloren. Da mag das Saxophon im Titeltrack und im feinstens aufsteigendem "Passing cloud" noch so gekonnt schiefen Trash-Jazz beschwören, einst umwehte solche Stücke eine dicke Wolke betäubenden Opiums.

Ob am Ende jedoch nur die längst in ihren Lederklamotten festgewachsenen Enddreißiger bleiben, die John Peel einst als typische Stooges-Anhänger ausmachte, wird sich zeigen. Der Mythos Stooges nimmt jedenfalls keinen Schaden, denn den der Wille zur munteren Zerstörung blieb den Vieren erhalten. Und falls Zeilen wie "My dick is turning into a tree" der Wahrheit entsprechen, muss man sich wohl auch um den guten Iggy keinerlei Sorgen machen. Den aufquellenden Krampfäderchen wird er schon selbst durch ein beherztes Ausbrennen im Tageslicht ein Ende bereiten.

(Tobias Wallusch)

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Highlights

  • Trollin'
  • Idea of fun
  • Passing cloud

Tracklist

  1. Trollin'
  2. You can't have friends
  3. ATM
  4. Idea of fun
  5. The weirdness
  6. Free and freaky
  7. Greedy awful people
  8. She took my money
  9. The end of christianity
  10. Mexican guy
  11. Passing cloud
  12. I'm fried

Gesamtspielzeit: 39:57 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Castorp
2012-08-26 19:57:33 Uhr
"I can't have friends" ist DIE Plattentestler-Hymne.
vizz
2012-08-02 10:43:43 Uhr
Gerd Rude
07.04.2007 - 22:07 Uhr
und die Krone setzt Produzent Steve Albini auf: Was für ein Vollversager, die Drums sind viel zu laut und basslastig, dafür hört man Mike Watts Bass ÜBERHAUPT NICHT!


wie dumm muss man sein? kennst du albinis produktionsstil nicht? meisterwerke wie in utero u.a.?
Patte
2007-04-23 12:21:28 Uhr
Man kann mit "The Weirdness" schon seinen Spaß haben, ja, ich bin sehr zufrieden damit. :) Gibt genügend Stellen, wo's einfach nur ordentlich treibend nach vorne rockt (z.b. I'm fried, My idea of fun oder der Mittelteil - hab jetz leider nicht genaue Minute im Kopf - von Free and freaky usw.)

Da fällt mir auf: hab Freitag bei "Dussmann" gesehen, dass es TW auch mit silber umrandetem Booklet gibt. Ich jedoch besitze nur das normale ohne. Gibt es da zwei Versionen?
Sluggard
2007-04-23 10:49:51 Uhr
Ausserdem muss ich sagen, ich fand das neue Album gar nicht so schlecht. Klar, es fehlt einfach so die letzte Power, sowohl im Sound als auch bei Iggy selbst, und es wird bestimmt kein legendäres Album werden. Aber es ist imo immer noch um ein Vielfaches besser und vor allem "ehrlicher" als zum Beispiel die "Filthy Lucre" der Sex Pistols (Punk Rock died in 1978) oder dieses neue Album der sogenannten New York Dolls (von denen nur noch zwei Mitglieder überhaupt echte Dolls sind; Arthur Kane, Jerry Nolan und vor allem Johnny Thunders sind tot).
Sluggard
2007-04-23 10:43:43 Uhr
Patte, ich find die "Raw Power" eigentlich auch besser, obwohl "Fun House" schon auch seine Perlen hat: Den Titeltrack zum Beispiel, das von dir angesprochene "TV Eye" oder "1970". "Dirt" ist ein lustiger Song, wenn auch für mich etwas zu langatmig. "Down On The Streets" gefällt mir vor allem zum Anfang, wenn du die Platte reinlegst und in den ersten zehn Sekunden voller animalischer Sounds sofort weisst, das kann nur Iggy sein ... Aber die "Raw Power" ist insgesamt rockiger und punkiger geraten, da ist der Name einfach Programm, das gefällt mir unterm Strich doch besser.
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