Grinderman - Grinderman

Mute / EMI
VÖ: 02.03.2007
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Fuck you!
Wer braucht sie schon, diese saublöd drein blickenden Schauspielbubis mit Clerasilmaske und metrosexueller Indie-Attitüde in Frisur und Outfit? Ein großer Haufen gehört auf diese uninteressanten Jungspunde geschissen. Egal, wie sie sich nennen, ob Bloc Party, Razorlight, Kaiser Chiefs oder Maximo Park – keiner von diesen unreifen Aknefressen hat jemals wirklich den Rock'n'Roll unter dem Arsch gespürt. Egal, wie viele Drogen sie schon zu sich genommen haben mögen - es gibt ein bekiffteres, zugedröhnteres Pack. Egal, wie viele scharfe Bräute sie schon in die Horizontale gelockt haben wollen - da sind vier Kerle, nach Whiskey stinkend, unrasiert und ungewaschen, die sie alle, wirklich alle hatten, vollkommen unwichtig wie billig und schmutzig das Gegenüber sich zur Schau gestellt hat. Egal, für wie gefährlich sich diese Pubertätskonsortien halten – der hier zur Schau gestellte Abschaum war selbst für Luzifer ein zu heißes Eisen. Und deshalb entsteigen Grinderman nicht umsonst dem Mülleimer der Hölle, der geschlossenen Anstalt des Rockzirkus, dem kesselheißen Buschfeuer des australischen Outbacks.
"Kick those white mice and black dogs out / Kick those white mice and baboons out / Kick those baboons and other motherfuckers out and get it on / Get it on / On the day that you got born." Wenn die barbarischen Primaten "Get it on", ihren ersten Pflasterstein zum Schafott, entzünden und zu ihren Instrumenten greifen, sollte sich der Zunahestehende auf schnellstem Wege in Sicherheit bringen. Die Gitarre wurde aus brüchigem Schrott zusammengesetzt, schrammelt provokant auf unseren Nervenbahnen und droht jederzeit an der nächstliegenden Hauswand zu zerschellen. Keines der Stimmbänder hat seit langer Zeit jemals eine Ölung erfahren, und man fragt sich, ob irgendjemand von diesen Schlechtigkeitsfürsten jemals die Stimme zum wahrhaftigen Singsang erhoben hat. Gegrölt wird prächtig und fern von geraden Linien. Nur Häuptling Nick Cave mit seinem halbwegs zurecht geschnittenen Kinn- und Oberlippenbart hat mächtig Feuer in der Seele und Wut im Bauch.
Der Zartbesaitete sollte nicht erschrecken, wenn er das personifizierte Schindluder namens Grinderman unters Mikroskop nimmt. Denn das Böse hat, wie man unschwer erkennen kann, schon etliche Jahre auf dem Buckel und die ein oder andere Falte im Gesicht. Auch sind das keine schmerzhaften Tätowierungen, die die Bandbeine übersähen, sondern bläuliche Krampfadern. Cave und seine treuen Begleiter Warren Ellis, Martyn P. Casey und Jim Sclavunos von den Bad Seeds betreten mit "Grinderman" ungewohntes Neuland. Auch wenn Cave mit seinem gotischen Post-Punk-Konsortium The Birthday Party die ein oder andere Vorerfahrung vorweisen kann, gehört diese seit mehr als zwanzig Jahren der Vergangenheit an. Doch im vorherigen Jahr schnupperten die vier Musiker, die sonst für einen sakraleren und pathetischeren Ton bekannt sind, Frischluft. Sie wollten sich mit ihrem neuen Sideprojekt etwas mehr Freiheiten schenken, als es das straffe Regelwerk des Hauptbündnisses Nick Cave & The Bad Seeds zulässt. Mehr auf die Fresse als etwas fürs Herz.
Entstanden sind die Brachialitäten der Australier praktisch aus dem Nichts. In kurzen, schmerzlosen Sessions wurden sie flink zusammengebastelt. Geschadet hat es der dreckigen, liebevoll gepflegten und aufgesetzen Attitüde nicht. Auch halten sich Gerüchte, dass Cave all die massakrierenden und sinnfreien Lyrics gefreestylt haben soll. Die harten Fakten können wir uns auf den Ohren zergehen lassen, auch wenn "Grinderman" beizeiten in inkonsequente, wie unnötige Konservatismen mündet ("I don't need you to) Set me free"). Die geniale Gemütserkrankung "No pussy blues" hält sich beständig unter der Gürtellinie, malträtiert mit fuzzigem Bass und der bösartigen Gitarren-Geschwulst des Wohlklangs liebstes Kind, die Harmonie. Der Rhythmus geht ins Blut, die Aggressionen beleben Geist und Körper, der Spaß ist auf unserer Seite. Der düstere Blues des Titelsongs, der satirische Tango "Go tell the women" und ein Ausflug in soulige Tiefgründigkeit ("Man in the moon") beweisen, dass das Quartett um mehr als 40-minütige Effektschreierei bemüht ist. Spätestens Warren Ellis' Kompositionsgeschick, weit entfernt von einfältiger Rockstruktur und im Zeichen des fordernden Experiment stehend, sorgt dafür, dass Grinderman nicht zum selbstgefälligen Spaßprojekt verkommt, sondern mit ausgefeilter Instrumentierung nach verdientem Anspruch im lautstarken Getöse greift. Über allem stehen aber die Allüren und die Pose: Grinderman, Ihr seid schweinegeil!
Highlights
- Get it on
- No pussy blues
- Grinderman
Tracklist
- Get it on
- No pussy blues
- Electric Alice
- Grinderman
- Depth charge Ethel
- Go tell the women
- (I don't need you to) Set me free
- Honey bee (Let's fly to Mars)
- Man in the moon
- When my love comes down
- Love bomb
Gesamtspielzeit: 40:03 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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fuzzmyass Postings: 13145 Registriert seit 21.08.2019 |
2019-12-24 02:36:03 Uhr
Finde die Bad Seeds Alben nicht zwingend besser. Vor allem live war Grinderman ein Erlebnis. Nick Cave mit einer Fender Telecaster auf der Bühne? Come on! |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 8923 Registriert seit 26.02.2016 |
2019-12-23 23:32:35 Uhr
"Abattoir Blues" ist doch nicht ruhig. "Grinderman" passt da schon gut zwischen die beiden. Finde zwar "Abattoir" und "Lazarus" auch besser, aber jetzt nicht arg viel. |
noise Postings: 935 Registriert seit 15.06.2013 |
2019-12-23 22:33:53 Uhr
Sehe ich anders. Bad Seeds Alben sind mir meist in der Gesamtheit zu ruhig gehalten. Kenne zwar nicht alle Alben aber mein Liebling ist eigentlich immer noch "Dig, Lazarus, Dig". |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 19761 Registriert seit 10.09.2013 |
2019-12-23 22:24:03 Uhr
Mag die auch beide. Muss aber trotzdem sagen, dass sie gegen die umliegenden Bad-Seeds-Alben kein Land sehen. |
noise Postings: 935 Registriert seit 15.06.2013 |
2019-12-23 22:16:23 Uhr
Beide Alben sind groß. Und das schönste: Nick Cave sprach davon, dass "Grinderman" auf eine Trilogie ausgelegt ist. Da müsste eigentlich noch was kommen. |
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Referenzen
The Birthday Party; Slovenly; Pere Ubu; Swell Maps; Crime & The City Solution; The Drones; Half Japanese; Saccharine Trust; Hüsker Dü; Pussy Galore; John Spencer Blues Explotion; Black Flag; Sonic Youth; The Meat Puppets; Royal Trux; The Fall; The Replacements; Nick Cave & The Bad Seeds; The Afghan Whigs; Mudhoney; Fred Frith; The Feelies; Minutemen; The Rolling Stones; Free Kitten; Grifters; The Tinklers; Volcano Suns; Dead Kennedys; Black Sabbath; Captain Beefheart; Devo; Pixies; The Mekons; Dirty Three
Surftipps
- http://www.nickcaveandthebadseeds.com/
- http://www.nick-cave.net/
- http://www.mute.de/grinderman
- http://www.myspace.com/grinderman
- http://www.bbc.co.uk/6music/news/20070211_cave.shtml
- http://www.motor.de/kuenstler/grinderman
- http://www.youtube.com/watch?v=xPxH1eYLn8k
- http://www.nerdcore.de/wp/2007/02/24/grinderman-no-pussy-blu es/
- http://liepaper.com/blog/?cat=63
- http://en.wikipedia.org/wiki/Grinderman
- http://www.indiepedia.de/index.php/Grinderman
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