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The Hold Steady - Boys and girls in America

The Hold Steady- Boys and girls in America

Vagrant / PIAS / Rough Trade
VÖ: 16.02.2007

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Top of the pubs

Es scheint, als schauten die Leute in letzter Zeit wieder etwas genauer hin. Der Indierock, besonders der britische, populäre, war im neuen Jahrtausend über Dance-Punk und Post-New-Wave ja zu einer einzigen, ausdauerstarken Tanzveranstaltung geworden. Weil aber spätestens seit F. Scott Fitzgerald auf jedes Jazz Age eine große Depression folgt, gibt es natürlich auch diesmal einige Spielverderber, die versuchen, Ärger zu machen. Anfang Februar erst kamen Kele Okereke und seine schlechte Laune an; statt mit dem neuen Bloc-Party-Album "A weekend in the city" pflichtbewusste Songs für die Party nachzulegen, handeln die Lieder plötzlich von der Party. Kritisch, besorgt, dunkel, aussichtslos. Und jetzt fangen die Amerikaner auch noch an.

The Hold Steady aus New York verfolgen auf "Boys and girls in America" Absichten, die Bloc Partys jüngsten Gesellschaftsmalereien nicht unähnlich sind. Auch bei ihnen geht es um junge Menschen und ihre Wochenenden, die Drogen dazu und die Verwirrungen deswegen. Anders als der zynische Seelensucher Okereke aber berichten The Hold Steady nicht aus der Vogelperspektive, sondern von der Mitte der Tanzfläche. Sie sind fünf Männer, die stramm auf die 40 zugehen und halt irgendwie hängen geblieben sind an dem ganzen Quatsch. Sie spielen Kneipenrock und Fetenhits, ihre Musik ist Quasi-College-Rock, nur dass sie alt (und klug) genug wären, um die Dozenten der Kids zu sein, mit denen sie feiern. Sie sind die hochgekrempelten Ärmel der Rockmusik, sie sind die besten Gitarrenproleten, die wir gerade haben.

Folgerichtig sind es die ungebremste Begeisterung und der unerschütterliche Enthusiasmus dieser dritten Platte von The Hold Steady, mit denen man als erstes zusammenprallt. Diese Band schweineorgelt und powerrifft ohne Schuldgefühle, sie bedient einige der ältesten Rockklischees, wühlt in den dreckigsten Mülleimern der Musikgeschichte, taumelt, torkelt und stolpert, fällt aber niemals hin, weil sie viel zu besoffen wäre, um dann noch mal aufzustehen. Wo Bloc Party synthetische Roboterkälte suggerieren, klingt "Boys and girls in America" nach Bierdusche, Männerschweiß und Partypit. Es ist Konfetti und Kaugummi, es ist tatsächlich der amerikanische Blickwinkel auf eine Generation, die nur noch aus Oberflächen zu bestehen scheint. Der Spaß aber, den ein Abend mit dieser Platte bringt - der lässt sich gar nicht in Worten beschreiben.

Die Leichtigkeit und Konsequenz, mit der "Boys and girls in America" all die Bands blamiert, die solche Euphoriebomben immer versprochen hatten, ist dabei das eigentlich Spektakuläre hier. The Hold Steady spielen sich mit perlweißem Bruce-Springsteen-Piano und dem wild gewordenen Sprech-Gesang-Mischmasch des unbehelligten Antreibers Craig Finn durch "Stuck between stations". Sie hetzten als 1000:1-Außenseiter durch das erbarmungslose Pferderennen von "Chips ahoy!" und gewinnen spätestens mit dem Männerchor, der den Refrain dieser Vorzeigesingle aushebelt. Sie bringen mit "First night" eine Gefühlsbonzenballade fertig, die so nicht hätte passieren dürfen. Sie schlagen sich durch unzählige Unwegsamkeiten, sie platzen vor Spielfreude, sie leben immer nur für den nächsten großen Chorus - und sie lassen es auch noch einfach aussehen.

Also? Wer sich am Morgen danach noch nie gefühlt hat, als hätte er ein Dampfbad im Aschenbecher hinter sich, wer die eigene Bierwampe immer noch liebevoll "Waschbärbauch" nennt, der braucht sich "Boys and girls in America" gar nicht erst anzuhören. Dass sich einige Songs auf dieser Platte sehr ähneln, dass fast alle nach demselben Rezept funktionieren, spielt dabei viel weniger eine Rolle, als dass man ihre Ideen vom Jung- und Verlorensein, vom Ausgehen, Abstürzen und der ganzen Wissenschaft dahinter auf die Reihe kriegt. Ein großes Glück deshalb, dass sich der nimmermüde Erzähler Finn niemals von seinen eigenen Geschichten isoliert. Er erklärt uns seine Welt mit einer Thekenschläue, die direkt aus dem Zentrum von Herz und Gesellschaft kommt. Er ist der Typ, zu dem die Barkeeper gehen, wenn sie sich mal ausheulen müssen.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • Stuck between stations
  • Chips ahoy!
  • First night
  • Chillout tent

Tracklist

  1. Stuck between stations
  2. Chips ahoy!
  3. Hot soft light
  4. Same kooks
  5. First night
  6. Party pit
  7. You can make him like you
  8. Massive nights
  9. Citrus
  10. Chillout tent
  11. Southtown girls

Gesamtspielzeit: 40:07 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Ansager
2016-10-24 18:29:04 Uhr
Damn! Mal wieder hervorgekramt. Die Scheibe hat nichts von ihrem Charme verloren. Für mich immer noch 'ne klare 9.56789.
Zutroy
2011-04-13 18:42:10 Uhr
Damn straight!
VH
2011-04-13 17:25:58 Uhr
9.4 bei pitchfork :O
Kristian
2007-08-08 11:54:32 Uhr
Der Rolling Stone positioniert The Hold Steady in die Top 10 der besten aktuellen Live-Bands. Zusammen mit Pearl Jam, U2, Radiohead, Metallica.

Mann.

http://www.rollingstone.com/rockdaily/index.php/2007/07/23/the-20-best-live-bands-playing-right-now/
Kristian
2007-05-18 19:38:39 Uhr
Nett, dass Du fragst. Aber auch dieses Jahr heißt es leider: Festivals ohne mich.
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