Sylvan - Posthumous silence

Sylvan / Point
VÖ: 15.04.2006
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Scenes from a memory
So kann man sich also täuschen. Manchmal sind kurze Soundschnipsel eben doch nicht geeignet, einen Eindruck einer Platte zu gewinnen. Und nur ein flüchtiges Myspace-Medley gehört zu haben, statt die ganze Platte, bereut man später zutiefst. Das trifft im besonderen für Konzeptalben zu. Denn auch wenn die meisten Songs für sich genommen zunächst erst einmal gute Songs sind, benötigen sie den Kontext, den roten Faden, um erst richtig zu funktionieren. Und so wird auch "Posthumous silence" das Schicksal vieler Konzeptplatten teilen: Nämlich das, daß man am besten einen Kopfhörer, ein gutes Glas Wein, das Booklet für die Texte und vor allem 70 Minuten Zeit benötigt. Mindestens.
Ist das jetzt schlecht? Nö. Denn nur so bekommt man die Gelegenheit, sich nach dem Intro zunächst vom feinen Baßlauf, der den Übergang von "Bequest of tears" zu "In chains" bildet, gefangennehmen zu lassen. Und sich mit der Geschichte zu beschäftigen. Ein Mann versucht den Tod seiner Tochter zu verarbeiten. Dabei soll ihm ihr Tagebuch helfen. Doch je länger er liest, je tiefer er eintaucht, um so stärker wird ihm bewußt, wie wenig er seine Tochter gekannt haben muß. Indem sie auf wenigen Seiten ihr Innerstes nach außen kehrt, führt sie ihm sein Versagen als Vater vor. Das klingt nach schwerer Kost, wird aber von Sylvan keineswegs bedeutungsschwanger interpretiert.
Im Gegenteil, hier geben sich ruppige Riffs, tieftraurige Streicher und sanft schwebende Neoprog-Klänge die Klinke in die Hand. Und schaffen dabei innerhalb kürzester Zeit eine Atmosphäre, der man sich schwer entziehen kann. Wie zum Beispiel bei der emotionalen Achterbahnfahrt "Forgotten virtue", getrieben im Spannungsfeld zwischen Riverside, Dream Theater und IQ. Da sind sie also doch, die Songs, die zur Not noch eigenständig funktionieren, die die Fixpunkte im Albumkontext setzen. Kulminierend im Doppelpack "Questions" und "Answer to life". Ersteres imponiert durch ein famoses Keyboard-Solo, letzteres durch einen wahren Ohrwurm-Refrain, der entfernt an Marillion erinnert.
Die Summe aus schlüssiger Geschichte und hervorragender Umsetzung macht "Posthumous silence" zu einem großartigen Werk. Aufwühlend, mitreißend, bisweilen zu Tränen rührend. Mit einem Reifegrad, den auch Megaseller wie Dream Theater oder Fates Warning nicht mal eben so aus dem Ärmel schütteln. Und bei Sylvan handelt es sich eben nicht um eine Truppe, die von einem Majorlabel mit fürstlichen Produktionsbudgets versorgt wird. Sondern um eine Hamburger Band, die Euro für Euro aus den Erlösen in die nächste Produktion steckt. Künstlerisch durch die Support-Tour mit Marillion bereits in höhere Weihen aufgenommen, dürfte eigentlich auch gerne einmal der Rubel rollen. Und mit Direktvermarktung eines Konzeptalbums mehrere tausend Einheiten abzusetzen, läßt für weitere Alben vieles erwarten. Bis dahin dürfte "Posthumous silence" noch so manches Mal durchlaufen. Prädikat: internationale Klasse.
Highlights
- In chains
- Forgotten virtue
- Questions
Tracklist
- Eternity ends
- Bequest of tears
- In chains
- Bitter symphony
- Pane of truth
- No earthly reason
- Forgotten virtue
- The colors changed
- A sad sympathy
- Questions
- Answer to life
- Message from the past
- The last embrace
- A kind of Eden
- Posthumous silence
Gesamtspielzeit: 70:02 min.
Referenzen
Marillion; Riverside; Genesis; Queen; Pink Floyd; Fates Warning; IQ; Porcupine Tree; Anathema; Deadsoul Tribe; Ayreon; Dream Theater; Spock's Beard; Enchant; Everon; Transatlantic; Threshold; Jadis; Shadow Gallery; Sieges Even; Vanden Plas; Pain Of Salvation; Coheed And Cambria; King Crimson; Arena; Asia; Saga; Peter Gabriel
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