Aerosmith - Just push play
Columbia / Sony
VÖ: 12.03.2001
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Playground love
Kaum einer verkörpert das lebende Klischee eines Rockstars überzeugender als Aerosmith-Frontmann Steven Tyler. Welcher Kollege malträtiert den Mikrofonständer geschmackloser als er? Welcher Kollege umgarnt die holde Weiblichkeit mit aufdringlicheren Posen? Wer reißt seine unglaublich große Klappe weiter auf? Wenn Tyler wie ein wildgewordener Derwisch schwitzend mit nacktem Oberkörper über die Stadion-Bühne fegt, könnten ihm höchstens noch Mick Jagger oder Iggy Pop das kühlende Wasser reichen. Vielleicht ist auch gerade Tylers ungetrübter Hang zur Selbstdarstellung der Hauptgrund, weshalb Aerosmith als eine der wenigen Hardrock-Combos aus den Siebzigern die vergangenen Jahrzehnte ohne Verluste erfolgreich überstanden haben.
Ein Quantensprung im Sound freilich ist nun auch im neuen Jahrtausend mit "Just push play" nicht zu erwarten. Erfreulich mutet es allerdings schon an, daß man auf Tränendrücker wie den unglaublich seichten Soundtrack-Beitrag "I don't want to miss a thing" weitestgehend verzichtet hat. Im Gegensatz zu konkurrierenden Altherrenrockern wie Bon Jovi oder den Rolling Stones, die seit Ewigkeiten Jahr für Jahr dasselbe Album unter anderem Titel veröffentlichen, kann man Aerosmith Stillstand beim besten Willen nicht vorwerfen. Denn "Just push play" ist wohl das bislang bunteste und verspielteste Album, auf dem sich Tyler & Co. je ausgetobt haben.
Tight groovende Midtempo-Songs wie "Jaded" oder "Sunshine" und rohe Schweinerocker Marke "Under my skin" kennt man von Aerosmith ja bereits zur Genüge. Doch daß sich Stephen Tyler im zarten Alter von 52 Jahren beim funkigen Titeltrack und bei "Outta your head" einmal mehr in großem Stil als Rapper und Shouter versucht, hätten wohl nicht einmal die kühnsten Kristallkugeln vorhergesagt. Auch die sanfteren Gemüter, die nun kurz davor sind, ihre eilig ausgepackten Wunderkerzen niederzutrampeln und wieder zurück ins Bon Jovi-Lager zu wechseln, dürfen dank der Breitwand-Balladen "Fly away from here" und "Avant garden" glücklicherweise doch noch aufatmen und die Arme zur großen Geste ausbreiten.
Nichtsdestotrotz ist "Just push play" bei aller Vielseitigkeit nicht das schillernde Spätwerk, das sich von Aerosmith jeder erhofft und keiner mehr erwartet hätte. Es fehlt leider weitestgehend das, von dem eine Band wie Aerorsmith auch heute noch lebt: die Hits. Zwar finden sich auf den ersten Blick genügend stadiontaugliche Songs, die kurzzeitig das Herz jauchzen, die Seele baumeln oder einfach nur den Hintern wippen lassen. Doch kann man sich über weite Strecken dem Gefühl nicht verwehren, von den Hardrock-Veteranen während der letzten drei Jahrzehnte schon Mitreißenderes gehört zu haben und wird statt "Just push play" alsbald wieder "Get a grip", "Pump" oder eines der roheren Frühwerke der Band aus dem Regal ziehen. Dem Befehl des Albumtitels kann man immerhin bedenkenlos nachkommen, vorausgesetzt man hat stets im Hinterkopf: Es ist einfach Rockmusik.
Highlights
- Jaded
- Luv lies
Tracklist
- Beyond beautiful
- Just push play
- Jaded
- Fly away from here
- Trip hoppin'
- Sunshine
- Under my skin
- Luv lies
- Outta your head
- Drop dead gorgeous
- Light inside
- Avant garden
- Face
Gesamtspielzeit: 53:39 min.
Referenzen
Nazareth; Bon Jovi; Meat Loaf; Guns N'Roses; The Black Crowes; The Free; Bad Company; Van Halen; Def Leppard; Reef; ZZ Top; Poison; Bonfire; Whitesnake; Heart; Foreigner; Boston; The Rolling Stones
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