Tori Amos - A piano - The collection
Rhino / Warner
VÖ: 29.09.2006
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Hoch die Tasten!
Ein neues Studioalbum braucht Zeit und Sorgfalt, weiß Tori Amos. Aber weil die Dame besonders viele besonders begeisterte Fans hat, liefert sie denen auch in Dürrejahren immer wieder pflichtbewußt eine schöne Bescherung. Nachdem 2003 mit "Tales of a librarian - A Tori Amos collection" der zarte Versuch gewagt wurde, das Gesamtwerk auf einer einzigen CD zu erfassen, war 2004 wegen des bevorstehenden "The beekeeper" keine Zeit für Fisimatenten. 2005 wurde dafür ein Zahn zugelegt. Mit einer Serie von sechs Bootleg-Doppel-CDs wie "B Of A Pavilion Boston MA 8 21 05". Wie sollte das noch getoppt werden?
So: Mit einem riesigen Besen und einer noch größeren Schaufel wurde durch Archive und Keller des Amos-Landsitzes in Cornwall gewischt. Und alles, was drauf landete, sollte in einer CD-Box verpackt werden. Wobei "Box" dem künstlerischen Prachtstück nicht gerecht wird, das am Ende herausgekommen ist: Die fünf CDs von "A piano - The collection" gibt es zwar auch in einer etwas weniger teuren Version als nettes Pappteil für um die 50 Euro. Fans greifen allerdings ohne zu überlegen zur rund 15 Euro teureren Deluxe-Version: einer Box mit richtigen Klaviertasten. Jene stellt wohl das Originellste und Schickste dar, was der nicht gerade um originelle und schicke Einfälle verlegene Markt der CD-Boxen zu bieten hat. Schon auf einem Foto beeindruckend, dreidimensional noch viel mehr. Wer dieses gute Stück einmal angefaßt und daran herumgebastelt, es in die Vitrine gestellt und bewundert hat, vergißt ganz, daß auch noch Musik drin ist.
Alleine schon dieses Booklet! Doppelt so breit wie ein normales ist es, um ein vielfaches dicker außerdem. Und es erfüllt alle Wünsche, die sich der Fan in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hat. Die Biographie ist spannend zu lesen, findet sich aber so oder so ähnlich auch im Internet oder anderen Büchern. Viele der unzähligen Farbfotos von ganz früher bis heute hingegen waren bislang noch nie zu sehen. Außerdem hat sich die Künstlerin selbst an die Schreibmaschine gesetzt und zu allen Alben und vielen einzelnen Songs aufschlußreiche Kommentare verfaßt. Man bekommt Hinweise für die Ergründung manches kryptischen Songs, man lernt, woher welcher bislang unveröffentlichte Beitrag stammt und kommt dem Rätsel Tori Amos ein Stückchen näher. Und schon wieder abgeschweift. Denn: Musik ist ja auch drin in diesem "A piano - The collection". Tatsächlich. 86 Songs und über sechs Stunden.
Aber Hand aufs Herz: Das Gefühl, diese Box zu besitzen und mit Augen und Fingern ihre Geheimnisse zu ergründen, ist für Sympathisanten und Anhänger im normalfanatischen Bereich wichtiger, als die CDs zu hören. Jene stehen unter fünf Mottos: "Little earthquakes extended", "Pink and pele", "Pele, Venus, and tales", "Scarlet, Beekeeper, and choirgirl" sowie "Bonus B-sides". Das Debüt "Little earthquakes" ist mit allen Songs in durcheinandergewirbelter Reihenfolge vertreten, "Under the pink" schon nicht mehr, und bei den späteren Werken pickte man sich scheinbar wahllos einzelne Stücke heraus. Daß die Box immerhin eine labelübergreifende ist und sowohl die Atlantic- als auch die Sony-BMG-Phase abdeckt, versteht sich aber keineswegs von selbst.
Jedoch werden Tori-Amos-Neulinge enttäuscht, die das Gesamtwerk in dieser Box vermuten und ihr Regal mal eben von 0 auf 100 bringen wollten. Zumal in vielen Fällen nicht mal die ursprüngliche Albumversion übernommen wurde. Fragwürdig. Wenn "Remixed Version" draufsteht wie bei "Jackie's strength" oder "Bliss", dann bedeutet das zum Glück keine unmotivierte Umz-Umz-Verstümmelung wie im Falle des Charterfolgs "Professional widow (Armand's Star Trunk Funkin' Mix)". Sondern üblicherweise eher ein frohes "Wurde überhaupt was geändert, und wenn ja, was?"-Rätselspiel. Und auch bei den mit dem "Alternate mix"-Zusatz versehenen Beiträgen braucht man meist das Original, um einen wirklichen Unterschied auszumachen. Die "Dakota version" des ohnehin tollen "Hey Jupiter" wird durch neue Hintergrundgeräusche sogar zu einer ernsthaften Alternative zum Bekannten.
Die Box bietet unglaublich attraktive äußere Werte, aber auch reichlich innere, in die man sich verlieben kann: Von den unveröffentlichten Songs glänzt "Peeping Tommi" durch intime Reduktion, "Ode to my clothes" durch seine Verschmitztheit und "Not David Bowie" durch seinen hübschen Text mit der Zeile "I am not the reason / You are not David Bowie." Die 22 B-Seiten auf der fünften CD dürften die wenigsten Fans bislang komplett im Schrank stehen haben. Die vier anderen Silberlinge hinterlassen ein lachendes und ein weinendes Auge: Die Alben reduziert auf Auszüge, die Songs unnötigerweise leicht verfremdet, und doch handelt es sich um phantastisches Material von einer der profiliertesten Songwriterinnen der Neuzeit. "A piano - The collection" ist ein rauschendes Fest, mit überwältigender Dekoration, packenden Reden von der Gastgeberin und erlesenen Gästen, von denen einige nicht wiederzuerkennen sind und andere fern geblieben sind. Die Atmosphäre indes ist blendend. Es könnte ein langer Abend werden.
Highlights
- Silent all these years
- Crucify (Unedited single version)
- Winter
- Cornflake girl
- Pretty good year
- Hey Jupiter (Dakota version)
- Putting the damage on
- A sorta fairytale
Tracklist
- CD 1
- Leather (Alternate mix)
- Precious things (Alternate mix)
- Silent all these years
- Upside down
- Crucify (Unedited single version)
- Happy phantom
- Me & a gun
- Flying dutchman (Alternate mix)
- Girl
- Winter
- Take to the sky (Russia)
- Tear in your hand
- China
- Sweet dreams
- Mother (Alternate mix)
- Little earthquakes
- CD 2
- Cornflake girl
- Honey
- Take me with you
- Baker baker (Alternate mix)
- The waitress (Alternate mix)
- Pretty good year
- God
- Cloud on my tongue
- Past the mission (Alternate mix)
- Bells for her
- Yes, Anastasia (Alternate mix)
- Blood roses
- Mr. Zebra
- Caught a lite sneeze (Alternate mix)
- Professional widow (Merry Widow version - live)
- Beauty Queen / Horses
- Father Lucifer
- Marianne
- CD 3
- Walk to Dublin (Sucker reprise)
- Hey Jupiter (Dakota version)
- Professional widow (Armand's Star Trunk Funkin' mix)
- Putting the damage on
- Bliss (Remixed version)
- Suede
- Glory of the 80's
- 1000 oceans
- Concertina (Single remix version)
- Lust
- Datura
- Sugar (live from sound check)
- The waitress (live)
- Snow cherries from France
- Doughnut song (Remixed version)
- CD 4
- A sorta fairytale
- Not David Bowie
- Amber waves
- Iieee (Remixed version)
- Playboy mommy (Remixed version)
- The beekeeper
- Jackie's strength
- Zero point
- Sweet the sting
- Ode to my clothes
- Spark
- Intro jam / Marys of the sea
- Cruel (Remixed version)
- Dolphin song
- Gold dust
- CD 5
- The pool
- Never seen blue
- Daisy dead petals
- Beulah land
- Sugar
- Cooling
- Bachelorette
- Black swan
- Mary (Tales version)
- Peeping Tommi
- Toodles Mr. Jim
- Demo Medley: Fire-eater's wife / Beauty queen (Demo)
- Playboy mommy (Demo)
- A sorta fairytale (Demo)
- This old man
- Purple people
- Here in my head
- Hungarian wedding song
- Merman
- Sister Janet
- Home on the range (Cherokee edition)
- Frog on my toe
Gesamtspielzeit: 322:34 min.
Referenzen
Kate Bush; Amanda Rogers; Fiona Apple; Joni Mitchell; Paula Cole; Over The Rhine; Never The Bride; Vanessa Carlton; Lisa Germano; Aimee Mann; Emiliana Torrini; Feist; Natalie Merchant; Jolie Holland; Beth Orton; Jann Arden; Sarah McLachlan; Sophie Zelmani; Sinéad O'Connor; Rickie Lee Jones; Suzanne Vega; PJ Harvey; Cassandra Wilson; Diana Krall; Norah Jones; Joss Stone; Alicia Keys
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