Yann Tiersen - On tour
Labels / Virgin / EMI
VÖ: 10.11.2006
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Noir Désir
Kein gutes Jahr für Frankreich. Das WM-Finale, sehr ärgerlich, Zidane, very shocking. Aber auch und wichtiger natürlich: Paris und die Feuer, aufstandgewordene Unzufriedenheit, wegen der sich "Rassenunruhen" nun mit "Mehrwertsteuererhöhung", "Gesundheitsreform", "große Koalition", "Patriotismusdebatte" und was nicht allem um zweifelhafte Unwort-des-Jahres-Ehren kloppen darf. Nächstes Jahr sind Wahlen, ein Umbruch scheint bevorzustehen, vielleicht derselbe, der hier schon vor die Wand gefahren wurde. Wir wollen da nichts beschreien und würden uns deshalb gern weiterhin auf Yann Tiersen verlassen. Der hat die Chose bisher schließlich noch immer irgendwie geschaukelt. Aber 2006? Ist auch er nur am Rumstänkern.
"On tour" ist sein bleibender Beitrag zum Jahr, eben weil er weite Teile davon on tour verbracht hat. Spaß aber scheint das alles nicht gemacht zu haben - zumindest wenn man nach den Eindrücken geht, die man von Tiersens erster Liveplatte mit überraschender Vehemenz vor die Füße geworfen kriegt. Das "Hey, what's up?" am Anfang klingt ja noch sehr freundlich, die zehn Liveaufnahmen danach allerdings sind wütender und dunkler, als man Tiersen wegen seiner zerbrechlichen Chansons-Platten, unternehmungslustigen Klassikexkurse und einfühlsamen Soundtrackarbeiten in Erinnerung hatte. Vier Songs auf "On tour" sind dabei neu, der aktuellste jedoch ist "Ma France à moi", das gemeinsam mit der Rapperin Diam's als zertröteter HipHop aufgestellt wird. Selbst mit drei Jahren Schulfranzösisch ist unmißverständlich, daß es hier um einen bitteren Protestsong geht.
Längst nicht jeder Song auf "On tour" ist so eindeutig politisch, zumindest für Tiersen selbst bleibt die Platte aber immer eine kleine Revolution. Akkordeon, Mandoline, Klavier und sonstiges Lieblingsspielzeug kommen höchstens noch in Gastrollen vor. "La terrasse" ist handlicher Gitarrenrock zum spukenden Ondes Martentot (hier sowieso omnipräsent - think Jonny Greenwood in "The national anthem"), "La rade" ist schleppender Gitarrenrock zum zierlichen Glockenspiel, und "State of shock" ist aufgebrachter Gitarrenrock mit Marc Sens als austickendem Gastsänger. Im düster dahingezogenen "Mary", das sich Tiersen von seiner alten Freundin und Cocteau Twin Elizabeth Frazier zuflüstern läßt, erkennt man ihn dann schon eher wieder. Die Löcher in Jeans und Kopf aber bleiben.
Die Idee hinter der ganzen Sache, der Ansatz eines Livealbums, statt die Sache in sonst üblicher Konzert-Compilation-Manier ausufern zu lassen, kann natürlich nur gelobt werden; und den Trotzkopf in Tiersen, der sieben Minuten mit dem unheilvoll ereignislosen Instrumental "Esther" verbringt und in "La perceuse" seine E-Gitarre auseinanderbaut wie ein Soldat sein Schießeisen, möchte man sowieso tätscheln. Greatest Hits dürfen andere sammeln, Best Ofs sollen dann doch eher Oasis rausbringen. Seine Platte gibt sich lieber als kleines Biest. Sie paßt damit ganz gut zu dem Jahr, das Frankreich hinter sich hat.
Highlights
- La terrasse
- Ma France à moi
- State of shock
Tracklist
- La terrasse
- La rade (with Katel)
- Ma France à moi (with Diam's & Grégoire)
- Les bras de mer
- 1er réveil par temps de guerre
- Mary (with Elizabeth Frazier)
- La perceuse
- State of shock (with Marc Sens)
- Le train
- Esther
- La rade (Studio version)
Gesamtspielzeit: 48:27 min.
Referenzen
Noir Désir; Louise Attaque; Les Thugs; Mano Negra; Les Négresses Vertes; Les Hurlements D'Léo; Trust; Stephan Eicher; Téléphone; De Palmas; Benjamin Biolay; Sébastien Tellier; Dominique A; Hooverphonic; Telépopmusik; Saint Etienne; Lhasa; Elysian Fields; Cocteau Twins; Shannon Wright; Sophie Zelmani; Emiliana Torrini; Emilie Simon; Coralie Clément; Beth Gibbons & Rustin Man; Kate Bush; Tori Amos; Bénabar; Raphael; Thomas Fersen; Cali; Saez; Kyo; Miossec; Thierry Stremler; Roméo; Henri Salvador; Alain Bashung
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