Willie Nelson - Songbird
Lost Highway / Universal
VÖ: 17.11.2006
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Der Waldkauz
Es scheint Mode zu werden, daß sich die alten Country-Säcke mit jungen, hippen Dingern abgeben. Und man kann dankbar sein, daß sich Willie Nelson nicht mehr mit Jessica Simpson herumtreibt, sondern von Ryan Adams betreut wird. Der Platz auf der Demenz-Station in Austin, TX darf also erst mal anderweitig vergeben werden. Und doch ist Adams für den Americana-Rasta nicht das, was Rick Rubin für Johnny Cash war oder Jack White für Loretta Lynn. Wäre ja auch noch schöner, wenn aus Nelsons Genäsel jetzt eine Grabesstimme oder eine kräftige Sirene würde. Auf "Songbird" verbiegt sich niemand. Mit 73 Jahren bekommt man's ja ohnehin viel zu schnell im Kreuz.
So darf Nelson das machen, was er seit Jahren auf seinen Soloalben so routiniert abgespult hat: ein paar schicke Covers hier, ein paar neu eingespielte eigene Klassiker dort. Und doch tut die Anwesenheit von Adams und seinen Cardinals dem Haudegen spürbar gut. Die ruppige Zärtlichkeit des Alt. Country trifft auf Nelsons Genügsamkeit. Und wenn sie sich so aneinander schmiegen wie in Grateful Deads "Stella blue" oder Leonard Cohens "Hallelujah", spürt man, wie sehr beide davon profitieren. Die Band rumpelt vorsichtig im Hintergrund, kitzelt den alten Herrn aber immer mal zu beherzter Emphase. In den lauten und den leisen Momenten.
Mancher mag bedauern, daß Nelsons zum Sentiment neigende Stimme bisweilen von der Band angerempelt wird. Und mancher hätte sich dies sogar noch häufiger gewünscht. Doch mit zunehmenden Lauschen verschmelzen beide Pole unter dem versöhnlichen Gesang und der erdig-rustikalen Produktion. Da darf dann Gram Parsons' "$1000 wedding" auch mal beinahe aufbrausen. Der eröffnende "Rainy day blues" klopft sich den klammen Staub aus den Klamotten, Nelsons Durchhalteparole "We don't run" stampft forsch geradeaus, und Adams' "Blue hotel" schwelgt mit Orgel, Gospelchor und verzweifelter Lyrik wie "She's inside of me like a secret / And I've got no one to tell."
Doch natürlich steckt in "Songbird" auch einiges an Verletzlichkeit. Bei aller schnarrenden Spielfreude der Cardinals und dem angenehm unpolierten Gesamteindruck bleibt stets genug Luft, um Nelsons Stimme die Nachdenklichkeit und Resignation des Alters zuzugestehen. Da kommt der Tränenzieher "Sad songs and waltzes" zwar eine Winzigkeit flotter daher, als man es der alten Schnute eigentlich zugetraut hätte. Der ewigen Hymne "Amazing grace" hingegen verpaßt Adams' Arrangement einen gehörigen Schuß Trübsinn, und Nelson singt dazu wie am Grab eines guten Freundes. Für Euphorie ist hier kein Platz. Aber für Ehrfurcht und demütigen Respekt.
Highlights
- Rainy day blues
- Stella blue
- Hallelujah
- We don't run
Tracklist
- Rainy day blues
- Songbird
- Blue hotel
- Back to Earth
- Stella blue
- Hallelujah
- $1000 wedding
- We don't run
- Yours love
- Sad songs and waltzes
- Amazing grace
Gesamtspielzeit: 44:34 min.
Referenzen
Lyle Lovett; Ryan Adams & The Cardinals; Ryan Adams; Whiskeytown; Grateful Dead; The Flying Burrito Brothers; Gram Parsons; The Byrds; Merle Haggard; Waylon Jennings; Kris Kristofferson; The Highwaymen; Johnny Cash; Hank Williams; The Band; Lee Hazlewood; Neil Diamond; Jerry Jeff Walker; Bobby Bare; Clint Black; Glen Campbell; Conway Twitty; Mel Tillis; Don Williams; Mickey Newbury; Charlie Rich; Joe Ely; Neil Young; The Eagles; Tom Petty & The Heartbreakers; Chris Isaak; Vic Chesnutt; Calexico; Cracker; The Minus Five; Golden Smog; Wilco; Uncle Tupelo; M. Ward; The Little Willies; The Mountain Goats; Bright Eyes; The Black Heart Procession; Bob Dylan; Leonard Cohen
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- Willie Nelson (8 Beiträge / Letzter am 18.08.2006 - 14:49 Uhr)