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Robyn Hitchcock & The Venus 3 - Olé! Tarantula

Robyn Hitchcock & The Venus 3- Olé! Tarantula

Proper / Rough Trade
VÖ: 24.11.2006

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Café au lait

1990 warb Robyn Hitchcock auf ganz unkonventionelle Weise für sein damals neuntes Soloalbum "Eye": Er tanzte mit einer arg geschändeten Akustikgitarre und der Unterstützung des ortsansässigen Musikfernsehens durch die erbarmungslos hektischen Straßen New Yorks und wies den Bürgern der Weltmetropole auf, daß auch melancholische Songwriterkunst im größten Getümmel zwischen Hot Dogs und Rush Hour nicht dem Untergang geweiht sein muß. Beeindruckt hat es wenige. Ein paar scheue Blicke hier, ein wütender Passant dort.

Unbeeindruckt schreitet der Grand Musikmarkt auch sechzehn Jahre später über den heute dreiundfünfzigjährigen Engländer hinweg, ohne seine großen Taten wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Aber im Untergrund des Pop hat der begabte Spaßvogel und vielseitige Musiker seine Fanschar behalten, seine Käufer gefunden, seine Kauzigkeiten zum Leben erweckt. Fangen wir aber von vorne an, um ein wenig Licht ins Dunkle der Karriere Hitchcocks zu bringen: Zuerst einmal waren da Ende der Siebziger die Soft Boys, deren Vorsteher er war und mit denen er zwei fulminante Meisterwerke in der kurzen Periode zwischen Postpunk und Pop zustande brachte. Mit einem gelebten Humor, der seinesgleichen suchte. Die Solokarriere, die heute ihr zwanzigstes Album feiert, fand sich im Spektrum der komödiantischen Kammerakustik ("I often dream of trains"), psychedelischer Ruppigkeit ("Black snake diamond röle"), massenstromlinienförmigen Pop mit verstecktem Anspruch ("Fegmania!") und zuletzt minimalistisch amerikanisierter Kleinspur ("Luxor", "Spooked") wieder.

In der Gegenwart heißt es nun "Olé! Tarantula". Ein Verzicht auf Gemütlichkeit. Die Rückkehr zur rockigen Struktur. Um dem Publikum ordentlich einzuheizen, wurde mit The Venus 3 eine prominente Backing-Band zusammengetrommelt, die sich sehen lassen kann. Mit Peter Buck von R.E.M., Scott McCaughey von The Minus 5 und als Special Guest Kimberley Rew. Jener Mensch, der vor über fünfundzwanzig Jahren die Gitarre bei den Soft Boys schwang (und zufällig später den ewigen Gassenhauer "Walking on sunshine" zu verantworten hatte).

"Adventure rocket ship", erster Song auf "Olé! Tarantula", rockt straight nach vorne. Gehört hat man ähnlich Feistes schon seit Jahren nicht mehr von Hitchcock. Sollte man diesen feierlichen Moment nicht mit etwas mehr Euphorie einspielen, etwas weniger Grobklotzigkeit an den Tag legen? Doch der Himmel öffnet sich spätestens kurz vor Schluß. Dann, wenn die schweren Gitarren Pause haben und der hintergründige Chor den Hauptakt in die Hand gedrückt bekommt; dann, wenn die Beatles sich mit den Byrds vereinen, nach den Soft Boys schreien und für den Augenblick alle Harmonien dieser Welt zusammentragen, um sie in Form einer bewußtseinsbeeinflussenden Essenz in unser Hirn zu schießen. Strahlend am Boden liegend geht es weiter. "Underground sun" hört nicht etwa auf. Verleiht dem Hörer weiterhin Flügel mit schrammelender Glückseligkeit und der Wiederentdeckung der Psychedelia. "Museum of sex" erschallt: "On this roof I play this riff / Play it till my hands are hollow." Und was für ein Riff das ist! Plus der göttlichen Rhythmsection, ausgehend von schrillen und bluesigen Bläsern und Wortspiele, die schon seit Jahr und Tag nicht den persönlich hohen Standard verlassen haben und hier wieder einmal zur Höchstform auflaufen.

"Olé! Tarantula" schreitet weiter von der nostalgisch-satirischen Karriereschau "Belltown ramble" mit infantilem Piano, das in höchstem Tönen vor sich hin tippt, bis zum wunderbaren Titelsong, der als schlichte Hymne aus der Wüste erstrahlt. Zum Mitsingen, Mitmachen und als Garant für völliges Wohlgefühl. Zuletzt subtile Sozialkritik in Akustik ("N.Y. doll"). Kein Song ein Ausfall, keine Komposition ein Schwachpunkt. "Olé! Tarantula" lebt auf als perfekte Balance zwischen melodiöser Grübelneigung und liebevollen Schrulligkeiten. Zuletzt müssen wir es amtlich machen: Die Soft-Boys-Reunion aus dem Jahre 2002 ist mit dieser Großtat in den Schatten gestellt. Olé!

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Adventure rocket ship
  • Underground sun
  • Museum of sex
  • Ole! Tarantula
  • 'Cause it's love (Saint Parallelogram)

Tracklist

  1. Adventure rocket ship
  2. Underground sun
  3. Museum of sex
  4. Belltown ramble
  5. Ole! Tarantula
  6. (A man gotta know his limitations) Briggs
  7. Red locust frenzy
  8. 'Cause it's love (Saint Parallelogram)
  9. The authority box
  10. N.Y. doll

Gesamtspielzeit: 40:53 min.

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