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Califone - Roots & crowns

Califone- Roots & crowns

Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 27.10.2006

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ein Geist ist geboren

Geistersehende Katzen, Kreuzzugsveteranen und dreibeinige Tiere. Chinesische Schauspieler, Spinnenbehausungen und ein junge Dame mit Vorliebe für brutale Musik. Alltägliches findet sich bei Califone gerne in verzerrten Perspektiven wieder. Daß aber der Blickwinkel von "Roots and crowns" ein nicht nur dezent anderer ist als beim verwunschenen "Heron king blues", mag mit einer lästigen Straftat zusammenhängen: Auf der letzten Tour wurde den Chicagoer Experten für Postamericana frecherweise das Equipment gemopst. Die Auseinandersetzung mit neuem Arbeitsmaterial sorgte auch für ein Umdenken bei der klanglichen Ausrichtung. Denn wer großen Klang mit kleinem Portemonnaie will, lernt zwangläufig die Fummelei schätzen.

So ist "Roots & crowns" ein spannungsreiches Gebastel geworden, das nur deswegen nicht als "aberwitzig" bezeichnet werden kann, weil hier Melancholie und Absurdität viel wichtigere Bestandteile sind als der ganz normale Wahnsinn. Der rote Faden dieser dreizehn Songs führt von einer ursprünglichen Bodenständigkeit hin zu den Luftschlössern des Ehrgeizes. So scheint "Roots & crowns" konzeptionell eine Variante des "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Mythos zu sein. Doch von dessen Verklärung gibt es hier wenig. Dafür haben Tim Rutili und seine Gesinnungsgenossen ihre Nasen viel zu gern im Bodensatz der amerikanischen Musiktradition, die so ganz weit weg ist von kapitalistischen Legenden.

Die bezaubernde Coverversion von Psychic TVs "The orchids" entpuppt sich dabei als Kern des Albums. Sparsamkeit wird hier zur Tugend, während Rutili dem heiseren Original ein neues Dasein einhaucht. "And in the morning after the night / I fall in love with the light." Saiten treffen auf Herzlichkeit, und irgendwo bläst sogar eine Mundharmonika Fragmente in die Luft. Das erfrischende "3 legged animals" war sogar einmal der Soundtrack zu einem blutigen Horrorfilmfinale, zu dem Rutili die Musik beisteuerte. Mit Califone wachsen dem Song Flügel: "Lick your scars and grow wings / […] We're almost new." Manchmal braucht es nur solche Kleinigkeiten, um ein Gefühl des Erfolgs zu verspüren.

Es sind keine weltfremden Experimente in Reichweite. Erforscht werden auf "Roots & crowns" höchstens die Möglichkeiten, die in der Verfremdung ganz alltäglicher Klänge stehen. Da wird das Klavier für das entzückende "Spider's house" mit Gaffertape und Papierschnipseln bearbeitet. Grooves entstehen aus dem Verknoten und Verzerren von Geräuschen, die bald schon gute Freunde werden. Aus auf Mobiltelephone gesummten Melodien werden lagerfeurige Besinnlichkeiten wie "The eye you lost in the crusades", "Burned by the christians" oder das wunderhübsche "Our kitten sees ghosts". Hier stottert die Akustikgitarre so seltsam, daß man meint, sie würde gleich zu Staub zerfallen. Auf "Roots & crowns" werden selbst solche kleinen Unpäßlichkeiten zu charaktervollen Highlights. Echte Schönheitsflecken.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Spider's house
  • Our kitten sees ghosts
  • The orchids
  • 3 legged animals

Tracklist

  1. Pink and sour
  2. Spider's house
  3. Sunday noises
  4. The eye you lost in the crusades
  5. A Chinese actor
  6. Our kitten sees ghosts
  7. Alice Crawley
  8. The orchids
  9. Burned by the christians
  10. Black metal Valentine
  11. Rose-petal-ear
  12. 3 legged animals
  13. If you would

Gesamtspielzeit: 48:26 min.

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