Nina Nastasia - On leaving
Fat Cat / PIAS / Rough Trade
VÖ: 08.09.2006
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Reduce to the max
Jim White. Ist dieser Mensch dem Leser ein Begriff? Dem Interessierten soll gerne ausgeholfen werden. Jim White ist hauptberuflich Drummer der australischen Instrumentalisten The Dirty Three. Er sieht aus wie ein Kirmesboxer mit ständiger Ambition zum schnauzehauen, aber hinter diesem groben Riesen, steckt ein intuitionssicherer Drummer mit unglaublichem Talent und Können. Niemand streichelt sein Instrument so zart und fordert es gleichzeitig mit eigenwilligen Experimenten heraus. Niemand fühlt den Raum so stark und ganz und füllt die ruhenden Pausen mit solch prägnanten Einsätzen. Und vor allem ist niemand so raffiniert und generös, sein eigenes Spiel der ersten Geige zu unterstellen und trotzdem die persönliche Note von erdigen und feinfühligen Gewalten in Selbstregie voll und ganz erklingen zu lassen. Seine Gastspielliste wird immer länger: Ob Bill Callahan, Will Oldham, Cat Power oder Nick Cave – sie alle verdanken Jim White ein hohes Maß an Intensität und Hingabe.
Nina Nastasia gehört nicht erst jetzt zu dem Personenkreis, der sich die Dienste dieses zurückhaltenden Kolosses sicherte. Schon ihr düsteres Meisterstück "Run to ruin" aus dem Jahre 2003 erfuhr diese mächtige und phlegmatische Unterstützung. "On leaving" steht nun unter andern Vorzeichen. Festzustellen ist, dass die gute Frau seit Jahren endlich wieder einmal Hoffnung schöpft und Freude empfindet. "Let's not go to work this morning / Let's not wait to leave to city / We've got just enough money / Let's see how far we can amble / One day can make all the difference [...] / It will be the perfect afternoon." Diese Entwicklung mag dem Kenner des Albums "The blackened air" die Sprache verschlagen. "Wo ist meine Depression, wo ist mein schwarzseherisches Gefühlchaos?" Wer aber mit der kompletten Vergangenheit von Nina Nastasia bestens vertraut ist, wird sich ein altkluges Lächeln nicht verkneifen können. Still in sich hinein brummelnd kann man nun sagen, daß das ja endlich wieder einmal eine Rückkehr zu den positiven Grundtönen (mit dem alles durchflutenden Freiheitsgedanken) des Debüts "Dogs" ist. Bitte aber ab hier keine annähernden Vergleiche mehr. Denn "On leaving" schießt meilenweit über die bisherigen Ziele von Intimität und minimalistischem Rausch hinaus.
Hinter der Produktionswand dieser Folkperle steht wieder einmal Steve Albini, dessen Arbeit auch "On leaving" zu einer klangtechnischen Unikat macht. Das perfekt aufeinander abgestimmte Zusammenspiel von Piano, von Drums, von akustischer Gitarre und Nina Nastasias lieblichem und kraftvollen Organ fährt euphorisch durch die Glieder und ist mit jeder Faser zu fühlen. Auch wenn "On leaving" ein Gigant in warmer Reduktion ist, der nur die allerspärlichsten Akzente setzt, klingt das vierte Album Nastasias so episch, hymnisch und ausladend wie noch nie zuvor.
Wagen wir einen Blick in die Seelenwerkstatt: "Jim's room" beginnt als abwartende Skizze, die sich in taktvoller Einsilbigkeit entblättert und so viel unfertige Schönheit in sich trägt. White tastet sich aus dem hörbar Hintergründigen Stück für Stück an die Szenerie heran, erforscht den Raum und seine Gegebenheiten. Lauter, stärker, feiner, mutiger werden seine Versuche, sich von Sekunde zu Sekunde dem Ziel, der Songstruktur zu nähern. Eine kreischende Viola, die John Cale nicht hätte besser spielen können, schenkt dem ersten Song einen lieblich orientierungslosen Rahmen. Ein Traum in schwarz-weißer Seelencoleur.
Nastasias Stimme hat auf "On leaving" alles an Wut verloren. Der trauernde und schwerfällige Blick in die Welt, mit all ihren verkrampften Ungereimtheiten und sich selbst verachtenden Tendenzen ist einer Selbstironie ("Dumb I am"), vorsichtigen Wünschen und Hoffnung ("Why don't you stay home") und lächelnder Nostalgie ("Treehouse song") gewichen. Niemals aber verliert sie sich in süffisanten und realitätsfernen Betrachtungen der Spielwiese Leben. Der seelendurchstöbernden Lyrik und Poesie Nastasias gehen Alltäglichkeiten und Problematiken voraus, die selten ihren Frieden finden. Nur für den Moment und die Entwicklung ins Besinnliche wollen wir den Wandel fest dokumentieren: "Better endings are what we have now." Gebändigt und verfallen dem narkotisierenden Minimalismus der akustischen Gitarre, der einnehmenden textlichen Brillanz, ist man nun bereit, sich hymnisch und in gefühlechter Einigkeit mit ihr dem Ende entgegen zu tragen. Sagen wir einer in sich geschlossenen Perfektion ade und verführen uns selbst zum nochmaligem Hören. Diese Großtat des introspektiven und schlichten Folks mit ihrer gloriosen Rhythmusunterstützung hat sich das verdient.
Highlights
- Jim's room
- Our day trip
- Dumb I am
- Bird of Cuzco
- If we go to the west
Tracklist
- Jim's room
- Brad haunts a party
- Our day trip
- Counting up your bones
- Dumb I am
- Why don't you stay home
- One old woman
- Treehouse song
- Lee
- Settling Song
- Bird of Cuzco
- If we go to the west
Gesamtspielzeit: 34:02 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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suse |
2006-11-27 17:08:17 Uhr
@Paul PaulLeider steht sie schon lange in meinem CD-Regal rum und wird nie benutzt. CDs wollen doch gehört werden :-) Bei mir hat sie es nicht gut, und das wird sich nicht ändern. Ich mag es einfach nicht. |
Paul Paul |
2006-11-27 17:05:18 Uhr
Ich würde diese ALbum niemals verlaufem - wunderschöne CD! |
suse |
2006-11-27 16:59:39 Uhr
hm..naja mir isses egal, ich nur nicht sonderlich drauf aus, dir jetzt hier meine kontonummer zu veröffentlichen, darum gehts. deswegen dachte ich an amazon. allerdings wenn ich die cd als privatperson reinstelle, kann amazon ja schlecht 6 € vorschreiben. du hast bestimmt mal von so nem massenversand gekauft. naja überlegs dir, ich würde die cd für 4,99 reinstellen (schnäppchen!) + 3 € porto. ich habe sie ein einziges mal gehört, d. h. null kratzer, alles top in schuss. |
Flux |
2006-11-27 16:56:41 Uhr
Ich habe letztes Mal 6 € bezahlt. Könnte aber dran liegen, dass ich nicht in Europa wohne (Schweiz). |
suse |
2006-11-27 16:35:43 Uhr
6€ Porto? Sind doch nur 3 € oder? |
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Referenzen
Alasdair Roberts; Edith Frost; Cynthia Dall; Papa M; Cat Power; Smog; Will Oldham; Bonnie 'Prince' Billy; Lullaby For The Working Class; Anomoanon; The Baptist Generals; Iron And Wine; Mazzy Star; Hope Sandoval & The Warm Inventions; Sol Seppy; Devics; Shannon Wright; Mirah; Royal City; Hayden; Jason Anderson; James Raynard; Nick Drake; Bert Jansch; Elliott Smith; Damien Rice; The Handsome Family; Dirty Three; Mick Turner; The Tren Brothers; Johnny Dowd; Woven Hand; Songs:Ohia; Souled American; Scott Tuma; The Mountain Goats; Neko Case
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