The Beautiful South - Superbi
Sony BMG
VÖ: 25.08.2006
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Steelblüten
Das einzige Auswahlverfahren, das für den Chef unangenehmer ist, als für die Bewerber, findet in kaufhäuslichen Umkleidekabinen statt. Während die Kleidungsstücke frohgemut auf ihr Casting warten, spielen die Schweißtropfen auf der Chef-Stirn Vollversammlung. Geht die Jeans zu? Wer kam auf die unverschämte Idee, ausgerechnet in dieser Kabine einen Zerrspiegel zu montieren? Und: Wie komme ich eigentlich aus diesem strumpfhosenengen Ding wieder raus? Paul Heaton, singendes und songtexteverfassendes Sechstel von The Beautiful South, muß sich mit solchen Problemen vermutlich nicht herumschlagen - denn man darf annehmen, daß er sich modestilistisch seinem privaten Musikgeschmack anpaßt und seine nordenglischen Beine in bequemen Baggypants zelten läßt. Er hört nämlich gerne HipHop. Das ist insofern eine Überraschung, als daß The Beautiful South seit Ende der Achtziger für charmant altmodischen, countriesken Brit-Pop stehen.
Obwohl: Man hätte das mit dem HipHop schon irgendwie ahnen können. Dem erstaunlich gelungenen, vor zwei Jahren veröffentlichten Coveralbum seiner Band hatte Paul Heaton schließlich den äußerst streetcrediblen Namen "Golddiggas, headnodders & pholk songs" verpaßt. Das neunte Studioalbum hat es nun sogar zu einem "Parental advisory - Explicit content"-Sticker gebracht. Diese Tatsache verwundert allerdings kein bißchen, man erinnere sich nur mal an die legendäre Zeile "Don't marry her / Fuck me." Nun offenbaren The Beautiful South ihre Freude am Verbalpubertären allerdings auch in den Credits: "No thanks to God, he did fuck-all." Aha. Wie immer fuhr Heaton nach Holland, um in kürzester Zeit ein Dutzend Texte zu schreiben. Über die Frage, warum ausgerechnet Holland, kann man natürlich den einen oder anderen Spekulations-Spekulatius zerkrümeln. Naheliegendes würde schließlich ganz gut in die HipHop-Schablone passen.
Für die Arbeit an der Musik wählte man einen Ort, der sich schon bei "Blue is the colour" (1996) und "Quench" (1998) als sehr inspirierend erwiesen hatte: Gran Canaria. Und nun zur Frage aller Fragen: Was hat es mit dem Titel auf sich? "Superbi" is the new "metrosexuell"? Aber nein. In der italienischen Liga kickte einst ein Fußballer namens Matteo Superbi, dessen Nachname zum bandinternen Running-Gag avancierte und zum Synonym für Begeisterungs-Bekundungen wurde: "Wow, superbi!" Der Typ spielte übrigens die meiste Zeit seiner Karriere in der vierten Liga. In dieser Hinsicht paßt der Namensgeber nicht unbedingt zum neuen The-Beautiful-South-Werk - erstklassig ist dieses allerdings auch nicht. Vielmehr ein solides Album ohne jeglichen Ausfall, mit einer Handvoll Kurzzeithits und einem potentiellen Langzeitfavoriten: "Manchester". Der Baß hüpft ins Klavier und gummitwistet übermütig zwischen den Saiten herum; das ist großer Pop, wie man ihn von The Beautiful South schon sehr lange nicht mehr gehört hat. Und dann wäre da noch die Jahrhundertzeile: "If rain makes Britain great / Then Manchester is greater."
Natürlich, es sind mal wieder die lakonisch-ironischen, mit frisch angespitztem Bleistift notierten Schlüsselloch-Späher-Texte, die das bittere Ach, das süße Hach und das bittersüße Scheitern dazwischen festhalten. Und vergessen lassen, daß man die Musik gelegentlich schon ganz schön cheesy, schunkelig und voraussehbar finden könnte. Neu ist immerhin das schon beim Opener "The rose of my cologne" eingesetzte Grüppchen aus Banjo, Steel- und Dobro-Gitarre - der wilde Westen ist nämlich auch sehr hübsch. "When romance is dead" setzt die bandinterne Reihe der wunderbaren Krisen-Duette fort, "Meanwhile" erzählt vom kleinen Weltuntergang zwischendurch, und "Space" gönnt sich ein bißchen Schmalzlocken-Rock'n'Roll. "The next verse" hingegen vermählt Akustikgitarre und Tuba, zaubert zum Schluß noch Fiesta-Mexicana-Bläser aus dem Zylinder und einen schlauen Spruch ins Poesiealbum: "Music lifts up those too weary to speak." Yo!
Highlights
- Manchester
- The next verse
- When romance is dead
- Meanwhile
Tracklist
- The rose of my cologne
- Manchester
- There is song
- The cat loves the mouse
- The next verse
- When romance is dead
- Meanwhile
- Space
- Bed of nails
- Never lost a chicken to a fox
- From now on
- Tears
Gesamtspielzeit: 48:02 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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edegeiler Postings: 3075 Registriert seit 02.04.2014 |
2019-06-09 18:55:22 Uhr
Hab mir aufm Flohmarkt das Solo Album der ehemaligen Sängerin Briana Corrigan "When My Arms Wrap You Round" für eine Euro gekauft. Weil mir das Cover gefiel. Album ist strunzöde. |
ISR |
2019-02-21 12:57:42 Uhr
@USA&BRD:Zur Erinnerung: Der monatliche Scheck wird bald wieder fällig. |
hubidœdelvollidiot |
2019-02-21 12:54:54 Uhr
Supergay |
Bert |
2019-02-21 12:54:04 Uhr
Ich mag meine Compilation nicht nur, ich vermisse sie richtig, die ironisch angehauchten Damen und Herren. Popperlen, leicht bluesig, super Gespür für Melodien bei Little Time, Good as Gold, Perfect 10 usw. |
Owschlag |
2007-07-08 00:11:18 Uhr
Hachja. Meine liebste Langweilerband- im besten Sinne!Bald gibt es dann wohl Paul Heaton solo. Irgendwie geil wärs ja schon, wenn er nach Nummer-1-Hits in den Achtzigern (Housemartins) und den Neunzigern (BS) nochmal punkten könnte ... |
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Referenzen
Paul Heaton; The Housemartins; Ballboy; Squeeze; The Lightning Seeds; Babybird; Belle & Sebastian; Tim Burgess; Aberfeldy; Badly Drawn Boy; Rialto; The Hidden Cameras; Aztec Camera; Electric Light Orchestra; The Feeling; Alfie; Mull Historical Society; The Charlatans; James; The Stylistics; They Might be Giants; The Boo Radleys; Pony Club; Camera Obscura; Ben Folds Five; Eels; Spearmint; The Magic Numbers; Elton John; Lucky Jim; Pelle Carlberg; Heist; Hal; The Beatles
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