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The Paper Chase - Now you are one of us

The Paper Chase- Now you are one of us

Kill Rock Stars / Southern / Soulfood
VÖ: 09.06.2006

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

John of the dead

Auf einer Deutschland-Tour entdeckte John Congleton einst dieses morbide Covermotiv. Auf einer Postkarte. Zwischen touristisch verkitschten Aufnahmen des Kölner Doms. Charmant, charmant. Und anscheinend überaus inspirierend. Denn hatte sich Congleton jüngst noch mit Produktionen für Explosions In The Sky, Logh, The Appleseed Cast und The 90 Day Men als Alternative zu Steve Albini profiliert, legt er nun mit "Now you are one of us" sein bravouröses Meisterstück vor. Wo nämlich "God bless your black heart" noch die übergründliche Dramatisierung eines gepflegten Überschnappens war, hat das fünfte Album von The Paper Chase deutlich mehr im Sinn. Und im Unsinn.

Wer schon angesichts des Titels von "Now you are one of us" leichte paranoide Anflüge wittert, sollte gleich noch mal eine ganze Nase nehmen. Dort steckt nämlich noch viel mehr: Geisteskrankheit, Entsetzensschreie, Zwietracht, Brutalität, Frustration, Vergeltung, Kannibalismus, Todesangst, Depersonalisation, Blutrausch und jede Menge anderer Stoff, aus dem visuellere Naturen hübsch splittrige Horrorfilme basteln würden. Congleton hingegen wollte lediglich ein akustisches Gegenstück zu George A. Romeros Zombieklassikern schaffen. Es ist ihm aufs Gruseligste gelungen.

Das zunächst nur unterschwellige Gefühl der Bedrohung paßt dem hübsch zerfahrenen Sound vortrefflich. The Paper Chase gehen auf "Now you are one of us" mit Nebensächlichkeiten wie Melodie und Harmonie weiterhin wunderbar fahrlässig um. Die Arrangements zerreiben sich in all der Theatralik, und der stets lauernde Bombast wirkt wie mit dem Vorschlaghammer eingerissen. Die Falltür steckt hier bereits in der Komposition. Und doch stürzen sich die Songs nicht fortwährend von den Tonleitern. Immer wieder stolpern The Paper Chase über erstaunliche Ohrwürmer. Die wegen ihrer herben Schönheit nur noch um so beunruhigender wirken.

Gleich am Anfang lauert der angemessen große Knall. Wie die erste Leinwandleiche, die alle Zuschauer verschreckt in ihre Sitze preßt und doch so faszinierend ist, daß niemand die Augen abzuwenden wagt. Unaufhaltsam rücken Klavier und Klapperschlagzeug näher. Unheilsschwangere Orgeln und tödlich angespitzte Violinen vermischen Gefahr und Verführung. Delirierende Gitarren spielen mit ihrem Opfer wie die Katze mit der Maus. Kein Winden hilft, um zu verhindern, daß am Ende der verdammte Refrain des Jahres wartet: "We know where you sleep." Dieser Alptraum verfolgt Dich. Weit über das Ende des Albums hinaus.

Immer wieder kehren heimtückische Botschaften zurück, um weiterzuspuken. "Wir werden Dich zu einem von uns machen" oder "Wir wissen, wo Du schläfst." Da hilft nur ein "Lebendig bekommt Ihr mich nie." Denn es ist keine Furcht, die The Paper Chase verbreiten. Es ist eher die beruhigende Gewißheit der Erlösung. Durch einen qualvollen Tod, der da inmitten von Bruchstücken eigener und fremder Klassiker, schockgefrosteten Drehbuchfetzen und auseinanderfallenden Akkordfolgen lauert. "We've got a big sick surprise for you, yes / It's in the oven, it's in the oven / Into the oven you go."

Für "Wait until I get my hands on you" taumelt die Band durch eine Wahnvorstellung von Cat Stevens' "Father and son". Und bewirft sie zur Selbstverteidigung noch mit Klumpen aus geronnenem Blut. Davon aufgeschreckt flüchtet "You're one of them aren't you" durchs Haus. Aussichtslos. Denn das beinahe besänftigende "At the other end of the leash" schubst inzwischen niedliche Mädchen in Rollstühlen treppabwärts. "You will never take me alive" schärft dazu schon mal die Axt. Warum "The most important part of your body" seinen Titel trägt, merkt man spätestens dann, wenn die Gitarre röhrt wie eine Kettensäge. Dem abschließenden "The house is alive and the house is hungry" knurrt auch schon der Magen. Doch all das säuberlich spritzende Gemetzel ist reine Notwehr. Und "Now you are one of us" ist ein Album wie Grimms Märchen - in einer dezent anderen Schreibweise. "Frau Hölle". Was ist eigentlich Dein Lieblings-Horrorfilm?

(Oliver Ding)

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Highlights

  • We know where you sleep
  • Wait until I get my hands on you
  • You will never take me alive
  • The most important part of your body
  • At the other end of the leash
  • The house is alive and the house is hungry

Tracklist

  1. It's out there and it's gonna get you
  2. We know where you sleep
  3. The kids will grow up to be assholes
  4. Wait until I get my hands on you
  5. You will never take me alive
  6. Delivered in a firm unyielding way lingering for just a bit too long to communicate the message "I own you"
  7. The most important part of your body
  8. What's so amazing about grace
  9. You're one of them aren't you?
  10. The song will eat itself
  11. ...and all the candy you can eat
  12. All manner of pox or canker
  13. At the other end of the leash
  14. We will make you one of us
  15. The house is alive and the house is hungry

Gesamtspielzeit: 48:28 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Mayakhedive

Postings: 2620

Registriert seit 16.08.2017

2018-09-19 05:21:04 Uhr
Sehr treffend formuliert vom Vorposter. Gerade bei der "Someday this could all be yours" folgt meiner Meinung nach ein Ohrwurm-Hit auf den nächsten.
Schade, dass es die nicht mehr gibt. Vom Nachfolger The Nighty Nite kenn ich nur die EP und mit der bin ich irgendwie nicht warm geworden.

derdiedas

Postings: 786

Registriert seit 07.01.2016

2018-09-19 01:38:04 Uhr
Kennt die noch jemand?

Auf jeden Fall! Das Album hier, God Bless your Black Heart und Someday this could all be yours sind alles tolle Platten.

Ich kenne niemand, der wirlich ähnliche Musik macht wie Congleton. Der Mann hat ein unglaubliches Gespür für fantastische Popsongs, und wie sehr er sie auch durch den irren Gesang und die schiefe Instrumentierung verzerrt, eigentlich ist die Hook immer unter der Oberfläche, nur eingeschnürt in das morbide Gesamtpaket.

Watchful_Eye

User

Postings: 2974

Registriert seit 13.06.2013

2018-09-18 23:47:41 Uhr
Lustig, ich hab erst gestern wieder nach Jahren an dieses Album gedacht und mich gefragt, ob ich endlich mal reinhören soll. "We know where you sleep" find ich nämlich schon seit Ewigkeiten echt gut.
fakeplastic
2018-09-18 23:25:19 Uhr
Das Solo-Zeug von Congleton mochte ich nicht wirklich, aber Someday This All Could Be Yours war schon ein richtig starkes Album. Leider kam nie (wie angekündigt?) Vol. 2.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34617

Registriert seit 07.06.2013

2018-09-18 23:13:16 Uhr
Kennt die noch jemand?
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