Herbert - Scale
K7 / Rough Trade
VÖ: 26.05.2006
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Gustav
Matthew Herbert, da müssen wir eben schnell diese Geschichte erzählen: Letztes Jahr hat der Typ ein Konzeptalbum übers Essen im allgemeinen und die Nahrungsmittelindustrie im speziellen gemacht, und da war auch dieser eine Track drauf, den jeder Mensch mindestens einmal im Leben zum Aufstehen gehört haben sollte: "Nigella, George, Tony, and me", ein Stück, für das Herbert exakt jenes Menü nachkochen ließ, das Downing-Street-Küchenchefin Nigella Lawson gezaubert hatte, als George Bush zu Besuch kam, um sich bei Kumpel Tony Blair für dessen Mitziehen im Irakkrieg zu bedanken. Die Leckereien wurden dann im Picknick-Style auf einer schönen Wiese ausgebreitet - und Herbert ist mit einem Panzer drübergefahren. Wo er den her hatte? Das ist hier nicht die Frage.
Stattdessen sollte besser geklärt werden, daß die neue Platte von Englands meistbeschäftigtem Elektroniker mit obigem Ansatz des Musikmachens nicht mehr viel zu tun hat. Ein ganzes Album voller Sounds, die bei selbstdurchgeführten Experimenten entstehen, das haben schließlich die Gesinnungsbrüder von Matmos gerade erst gemacht. "Scale" sampelt lieber Benzinpumpen, Air-Force-Bomber, Meteoriten, Anrufbeantworternachrichten und die Geräusche eines Menschen, dem schlecht wurde, weil er sich auf einem Bankett des internationalen Waffenhandels überfraß - um sie dann in die feingliedrigsten, ausformuliertesten und aufwendigsten Popsongs einzusetzen, die diesem grandiosen Spinner jemals eingefallen sind. Also Herbert jetzt, nicht dem Waffentyp.
Herberts Geheimwaffe ist dabei die sonnenklare Stimme seiner Freundin Dani Siciliano, die in neun der elf Lieder auf "Scale" zu hören ist. Umgarnt wird sie von diskreter, aber ausgekochter Elektronik, verschwendungssüchtigen Burt-Bacharach-Streichern, gutsituierten Blaskapellen, Flöten aus Kandiszucker und den wohl außergewöhnlichsten Livedrums der Musikgeschichte. Herbert hat sie in unterirdischen Höhlen eingespielt, auf hoher See, in einem Heißluftballon und auf der Autobahn, bei 160 Sachen. Und trotzdem: Man kann sich zu diesen Songs verlieben, sie mitpfeifen und im Schwimmbad hören. Vielleicht kann man sie sogar auf Mix-CDs brennen, ohne deshalb für verrückt gehalten zu werden. Und mit Sicherheit ist dieses "Scale" das erste echte Sommeralbum des Jahres.
Natürlich kommt da noch ein Aber. So schön das flatterige "Birds of a feather" in seinen besonnenen Momenten nach Disney-Musik klingt, so fachkundig man vom turbulenten "Down" hypnotisiert wird, und so vorteilhaft man auch zum steilkurvigen "The movers and the shakers" tanzen kann - am Ende hat Herbert hinter "Scale" doch wieder ein ernstes Anliegen versteckt. Thema ist diesmal die Ölindustrie, wie ihr langsam der Rohstoff ausgeht und welche Verbrechen aus diesem Grund gerade begangen werden. Herbert ist deshalb ziemlich angepißt, mindestens genauso sehr ärgert ihn aber, daß er es wieder nicht geschafft hat, eine fröhliche Party-Platte zu machen, ganz ohne doppelte Böden. Das gehe einfach nicht, solange Dick Cheney regiert. Sagt er. Und wir verzeihen ihm da gerne.
Highlights
- The movers and the shakers
- Moving like a train
- Birds of a feather
- Down
Tracklist
- Something isn't right
- The movers and the shakers
- Moving like a train
- Harmonise
- We're in love
- Birds of a feather
- Those feelings
- Down
- Movie star
- Just once
- Wrong
Gesamtspielzeit: 51:25 min.
Referenzen
Gustav; Mouse On Mars; Four Tet; Stereolab; Broadcast; Turner; Lali Puna; Dntel; Iso68; Radian; Cornelius; Fennesz; Styrofoam; Roísín Murphy; Moloko; Lamb; Goldfrapp; Matmos; The High Llamas; Air; Rob; Burt Bacharach
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