IAMX - The alternative
Major / Edel
VÖ: 28.04.2006
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Späte Stunde
Irgendwie sieht diese Chris Corner auf diesem Plattencover aus wie ein schlecht geschminkter Borussia-Dortmund-Fan. Wahrscheinlich jedoch weiß jener Mann, der hinter dem Projekt IAMX steht, gar nicht, welche Assoziation seine Maskerade bei uns im heiligen Jahr des Fußballsports hervorruft. Die gelb-schwarze Fassade, hinter der sich das ehemalige Mitglied der Sneaker Pimps und Mitmusikant bei Client hier versteckt, ist wohl viel mehr Zeichen einer inszenierten Androgynität, die sich wie ein roter Faden durch die Performance von IAMX zieht. "The alternative" übt sich elf Songs lang in einer fast geschlechtslosen Musik. Daß alle Welt in der Disco zu knallenden Beats mit hoher Stimme zappelte, scheint ja auch schon wieder alte Geschichte. Und dennoch ist "The alternative" kein Anachronismus.
Chris Corner steigt in dieses Album sehr schön ein. "President" ist eine poppend-orchestrale Wucht von einem Song. Das ist aber auch gleich ein Verhängnis. Der lupenreine Pop-Auftakt verschleiert die eigentliche Stilrichtung dieses Albums. Die folgenden Tracks sind nicht gut genug, um den Standard zu halten. Der Titelsong kommt mit seiner zum Refrain in die Höhe geschraubten Stimme fast gequält daher, und "Nightlife" klingt fast schon wie Wave-Techno, der jedoch zwischendurch aber immer wieder relaxt. Ein hektisches Nachtleben ist es, in das sich Corner da stürzt. Wie bei "The negative sex": Ein Drumcomputer gibt einen schaurigen Beat vor, Corner singt dazu mit Computerstimme. Das Endprodukt: sehr nervös. Und daß Corner im vorletzten Track "After every party I die" singt, mag auch mit der Musik zusammenhängen, die er selber so macht. Sie ist nervös, zappelig, unruhig bis dorthinaus. So stellen sich wahrscheinlich Filmemacher Musik vor, mit der sie eine Disco-Drogen-Filmsequenz hinterlegen können.
Doch dies ist nur eine Seite der Medaille. Es gibt IAMX auch in anders. Die Alternative heißt Entspannung, und auch die läßt sich auf diesem Album finden: "Lulled by numbers" zum Beispiel ist sehr (manchmal gar zu) zurückgelehnt. Corner sampled Craig Armstrongs tollen Song "Ruthless gravity". Die Kopie vom Original ist sehr gelungen. Am Ende - wie versöhnlich - endet der Song dann doch noch in einer Eigenkomposition. Mit "S.H.E." nähert sich Corner dann ein wenig den Sneaker Pimps zu jener Frühphase, als mehr die Melodie denn der Knalleffekt im Mittelpunkt stand. Hektik oder Ruhe, Baß oder was? Irgendwie kann Corner beides.
Schließlich siegt der Pop. Denn zum Ende hin glänzt "The alternative" noch ein paar Mal recht prächtig. "Spit it out" kommt mit einer feinen Songstruktur und einer warmen Melodie. Sehr catchy! Und als letztes Stück folgt gar noch eine Ballade. Wie sang Corner noch zuvor? "After every party I die"? Nun gut. Der Computer scheint zum Finale in "This will make you love again" schon gestorben; nur Sänger Corner und das Klavier leben noch. Und sie singen zum Finale, wie versöhnlich, von etwas gänzlich Menschlichem: Liebe!
Highlights
- President
- Spit it out
- After every party I die
Tracklist
- President
- The alternative
- Nightlife
- Lulled by numbers
- Song of imaginary beings
- The negative sex
- Bring me back a dog
- S.H.E
- Spit it out
- After every party I die
- This will make you love again
Gesamtspielzeit: 43:20 min.
Referenzen
Sneaker Pimps; Client; Ian Brown; The Charlatans; The Shining; Kasabian; The Music; Chikinki; Grand National; Ultravox; New Order; Death In Vegas; Primal Scream; Trans Am; Patrick Wolf; Phoenix; Tiga; Soulwax; The Faint; The Cooper Temple Clause; Warren Suicide; Dazerdoreal; Fischerspooner; Placebo; The Rapture; U.N.K.L.E.; Ozark Henry; dEUS