Kimya Dawson - Remember that I love you

K / Cargo
VÖ: 12.05.2006
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Kaffeekränzchen
Antifolk war immer schon Gruppenkuscheln. Aber seit die einstmals auf New York konzentrierte Szene mehr und mehr Freunde außerhalb der Stadtgrenzen gefunden hat und mit Adam Green einer aus dem inneren Kreis auszog, um die großen Bühnen zu entern, ist der Impuls zum Zusammenrücken nochmal stärker geworden. Greens ehemalige Mitstreiterin bei den Moldy Peaches, Kimya Dawson, veröffentlicht nun jedenfalls mit ihrem fünften Soloalbum "Remember that I love you" ein so klassisches Sonntagsnachmittage-mit-Freunden-verbracht-und-Platte-gemacht-Album, daß einem zunächst die Tränen der Rührung in den Augen stehen. Bestimmt hat Kimya eigenhändig Kekse für ihre Mitstreiter gebacken und geklatscht, wann immer sich einer getraut hat, in die Mitte ihres Wohnzimmers zu treten und dort ein paar verschrobene Verse ins Mikrophon zu trällern. Daß jeder seine Zeilen loswerden durfte, ist da eine Selbstverständlichkeit: Dieses Album will Gegenpol sein; Gegenpol zu all dem Hippen, all dem Hoppen, all dem Pop, dem Folk, dem Tralala.
Nie mehr als minimal ist der Einsatz, der betrieben wird, um die 12 Songs der Platte zu veredeln. Kimya Dawson will einfach nur kleine Geschichten erzählen und setzt ihre Musik ein, um die Freunde um sich zu haben und gelegentlich lustig gemeinte Unterstreichungen vorzunehmen. Das Gegenteil von eitel; dafür direkt mal drei Pluspunkte in sozialer Kompetenz. Doch läßt sich der Sympathiebonus auch in tolle Songs ummünzen? Daß solches möglich ist, hat die Antifolk-Bewegung ja mehr als einmal gezeigt. Gerade aus dem Spontanen, dem Einfachen, dem Verspielten hat man Melodien gewonnen, über deren Ohrwurmqualitäten mancher Hörer schier verzweifelte. Warum dies auf "Remember that I love you" nicht so klappt, ist gar nicht so einfach zu ergründen. Auf den ersten Blick sind alle Zutaten drin, um die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben, welche - zumindest für die Musikkritik - mit dem Vorgängeralbum "Hidden vagenda" eingeleitet wurde.
Der Charme des Nebenbei ist es, der der Platte das Genick bricht. Dafür, daß sie so einfach daherkommt, daß sie einfach nur sie selbst sein will, ist sie zu anstrengend. Doch die nähere Auseinandersetzung ist schwierig, da das immer gleiche Strickmuster - die schnelle, gespielt naiv und tüdelig gesungene Strophe mit dem leicht versetzen, allzu schief gesungenen Chorus -, dann doch ganz gerne das Nervenkostüm entkleidet. So ganz will man nicht verstehen, warum Kimya Dawson durch ihre eigenen Songs hetzt, als würde tatsächlich jemand die Polizei rufen (was sie in "Loose lips" als einzige Möglichkeit benennt, sie und ihre Musik zu stoppen). Kaum Zeit ist da zum Atem holen - für sie nicht, für den Hörer nicht. Und das ist der Grund, warum es nicht mal gelingen will, diese Platte zu hören, während man sie rezensiert. Man muß erst absetzen, das Gehörte sacken lassen, die schönen Moment ein wenig verklärt erinnern, die Platte aber dann doch lieber vorsichtshalber in die zweite Reihe im Schrank stellen. Da sind dann ja auch viele andere Platten um sie rum. Und in Gesellschaft fühlt sich Kimya bekanntlich am wohlsten.
Highlights
- Loose lips
- France
Tracklist
- Tire swing
- My mom
- Loose lips
- Caving in
- Better weather
- Underground
- I like giants
- The competition
- France
- I miss you
- 12/26
- My rollercoaster
Gesamtspielzeit: 35:10 min.
Referenzen
The Moldy Peaches; Regina Spektor; Major Matt Mason USA; Tom Heinl; Jeffrey & Jack Lewis; Toby Goodshank; Adam Green; Liam Lynch; Tenacious D; Weird Al Yankovic; Jonathan Richman; Violent Femmes; Ween; They Might Be Giants; Ben Kweller; Evan Dando; Daniel Johnston; Devendra Banhart; Cheese On Bread; Beat Happening; The Frogs; The Television Personalities; Half Japanese; Billy Bragg; Casiotone For The Painfully Alone; Ani DiFranco; Barbara Manning; Michelle Shocked; CocoRosie
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