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The Black Heart Procession - The spell

The Black Heart Procession- The spell

Touch & Go / Soulfood
VÖ: 12.05.2006

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Gestohlene Herzen

Der Rabenvogel an sich, so weiß die Ornithologenwelt zu berichten, ist eines der schlauesten Vogeltiere unseres Planeten. Mehr IQ als ein Papagei und so verdammt gewitzt, daß sich die Menschheit beizeiten vor ihm fürchtet. Die Mythologie verdammte Tiere dieser Gattung aufgrund des diebischen Charakters. Und nicht ohne Grund schuf Hitchcock in "Die Vögel" das legendäre Filmszenario einer flatternden Bedrohung. Auf dem Albumcover zu "The spell", dem aktuellen Sammelwerk von The Black Heart Procession, sehen wir einen großen Rabenvogel, der auf einem Holzpfahl sitzt. Dieses Bild ist vielleicht Symbol eines ganzen Albums, das mit düsterer Schwermut zwischen Angst und Kalkül wandelt und von gestohlenen Herzen erzählt. "The spell" ist Musik, die von Zwischenmenschlichem erzählt. Über "you" und "I" und (im besten Falle) über "we" und "our".

Das nunmehr fünfte Album der Kapelle aus San Diego weiß zum einen mit einer prominenten Besetzungsliste zu gefallen. Jimmy Lavalle ist bestens bekannt als Ein-Mann-Band The Album Leaf. Bei The Black Heart Procession spielt er Baß und Piano. Modest-Mouse-Mitglied Joe Plummer sitzt an der Trommel. Dazu gesellen sich in wechselnder Besetzung Tobias Nathaniel (Piano, Baß) und Matt Resovich (Geige) und natürlich Frontmann Pall Jenkins (Gitarre und Gesang). Die Musik, die man sich nun vorstellen muss, klingt ein wenig nach den seligen Afghan Whigs im frühen Stadium. Eine satte Ladung melancholischen Zorns lastet auf diesen elf Stücken. Allesamt werden sie fein instrumentiert, changieren zwischen Dezenz und Wuchtigkeit und bergen in sich eine riesige Portion Soul. Folk Noir wird dies beizeiten genannt. Und zumindest der zweite Bestandteil der Stilbezeichnung trifft die Sache im Kern.

"Tangled" ist ein Albumopener, wie er besser kaum gewählt werden kann. Erst perlen am Piano einige dunkle Töne ab, nun setzt die Gitarre ein und dann kräht Pall Jenkins los. "Drawn into your web / I'm tangled in your web" heißt es im Refrain, und Jenkins verrät schon hier das heimliche Motto. Die Liebe als ein Sklavenschiff, in dem das Ich rudert. Die Liebe als ein Spinnennetz, in dem das Ich gefangen wandert. Fast erinnern diese Visionen an Leonard Cohen und seine im Frühwerk oft bitterböse Liebesvorstellung. "Black" und "Heart" - nicht umsonst trägt diese Band beide Bestandteile im Namen. Und nicht umsonst verleiht die "Procession" dem Ganzen auch noch einen religiösen Charakter. Denn ein jeder Song dieser Band ist wie eine kleine Messe, eine Offenbarung, ein Leidensweg. "The letter" zum Beispiel erfüllt von unerfüllter Liebe: "And the letter that you wrote / Was it a letter as a friend / This is what I must know." Dazu vertonen stakkatoartig bewegte Geigen das verbriefte Unheil.

Erst der sechste Song "Return to burn" stimmt etwas weniger dunkle Töne an. Zwar nicht musikalisch. Hier bleibt es langsam wankenden Folkrock. Aber zumindest textlich wendet sich das Ich hier nicht an eine zweite Person, sondern weiß sich auf das eigene Schicksal zu konzentrieren: "I find another way to burn my soul again / And I watch the days go by." Das ist doch schon mal was. Je öfter diesen schmutzigen Nummern gelauscht wird, desto intensiver ergreifen sie einen. Sie sind wie eine Mischung aus Schweiß und Staub, zugleich unheimlich skelettartig und doch mit so viel musikalischem Fleisch versehen. "The spell" ist in manchen Momenten schlichtweg einzigartig. Ein Manko ist vielleicht am Ende nur jene Tatsache, daß die Songs ein wenig mehr Melodie vertragen könnten. Daß der Gesang hier manchmal zum getragenen Pathos neigt, schmerzt manchmal auch den Hörer. Und so müssen wir bis zum finalen "To bring you back" warten, ehe dieses leidvolle Harren beendet ist. Die Suche nach Liebe jedoch ist damit noch immer zu keinem Finale gekommen. Der Song endet mit einer Frage. "When can I bring you back?" Das Leiden geht also weiter.

(Sebastian Peters)

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Highlights

  • Tangled
  • Not just words
  • Return to burn

Tracklist

  1. Tangled
  2. The spell
  3. Not just words
  4. The letter
  5. The replacement
  6. Return to buyn
  7. GPS
  8. The waiter # 5
  9. Places
  10. The fix
  11. To bring you back

Gesamtspielzeit: 45:13 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

fakeboy

Postings: 5733

Registriert seit 21.08.2019

2023-11-15 13:31:58 Uhr
Für mich ebenfalls ihr bestes Album. Lange nicht mehr gehört, müsste ich mal wieder auflegen.

VelvetCell

Postings: 7984

Registriert seit 14.06.2013

2023-11-15 13:03:06 Uhr
Ich bin nur kurz hier, um meinen Eindruck von vor fünf Jahren zu bestätigen. Für mich ein persönlicher Klassiker.

VelvetCell

Postings: 7984

Registriert seit 14.06.2013

2018-12-14 14:26:42 Uhr
Insbesondere The Spell kratzt bei mir an der 10. Ein Album ohne Ausfälle.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 20165

Registriert seit 10.09.2013

2018-12-14 10:14:55 Uhr
Ja, die sind klasse.

kingsuede

Postings: 4519

Registriert seit 15.05.2013

2018-12-13 22:10:25 Uhr
Immer noch ein tolles Album einer unterschätzten Band, insbesondere The letter hat es mir wieder angetan!
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