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Kante - Zweilicht

Kante- Zweilicht

Kitty-Yo / EFA
VÖ: 08.01.2001

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Hoffnung auf Morgen

Der Mittzwanziger schaut sich irgendwann betreten im Spiegel an und grübelt gedankenverloren und unentschlossen über den ihn einschließenden, manchmal gar erdrückenden Zustand. Nichts ist gewiß, alles ist im Fließen. Beziehungen beginnen und gehen wieder, manchmal kommen sie wieder, um am Ende doch wieder in der Katastrophe zu enden. Der Job wird gewechselt, die Wandfarbe variiert, die Sechziger-Jahre-Tapete wird mit dem Schwamm übermalt, und schlußendlich gewinnt die Rauhfaserschlichtheit den Kampf - bis zur nächsten Liebe, die wieder alles umwirft. Die Angst vor dem Trott nimmt Überhand, die Furcht vor dem Alltag, in den uns Blumfeld bis zuletzt mitnehmen wollten. Ich lebe, also bin ich.

Aus dem Nichts und ohne Warnung kommen sie nun - eingehüllt in Tüchern und Bändern - staksen mumiengleich über den Bildschirm und dilettieren bei dem Versuch, Fußball zu spielen. Dazu erklingt eine Musik, die uns einfängt, den Magen umdreht, den Tag neu erleben läßt und alles umwirft, was uns seit dem Morgen begleitet hat. "Wir leben von einem Glauben, der unserer Gegenwart vorauseilt." Ein großes Wort kommt jedem in den Sinn, für den Musik Ausdruck des Lebens sein kann: Manifest! Kante aus Hamburg verhaften Dich und halten Dir den Spiegel vor, um zu überprüfen. Und siehe, Du siehst: Du bist einer von ihnen. Die Vorab-Single "Die Summe der einzelnen Teile" bringt seit Wochen mit jedem Mal den Zauber in die Wohnstube, den wir bei der ersten Begegnung mit diesem Stück erfahren durften. Wer einen mit ähnlichen Klängen prall gefüllten Silberling erwartet hat, wird jedoch überrascht sein, zu was die Band mit "Zweilicht" tatsächlich fähig ist.

"Im ersten Licht" erscheint die Sache ganz bedächtig, die Reflexion eines Liebenden? Gestrandeten? "Was wird aus unseren Träumen?" fragt Peter Thiessen und er spricht von den Dingen, die das Gegenüber im Schlaf erzählt. "Stiller Schmerz" regiert die Gefühlslage, eine Tatsache, die für Liebende und Verlassene gleichermaßen gültig ist. Nach "Die Summe der einzelnen Teile" reißt "Itouri" den Hörer wieder heraus aus der euphorischen Stimmung, die eben noch regiert hat und nun eiskalt erschlagen wird. Eine traurige Gestalt verirrt sich in eine lange nicht besuchte Kneipe, die sich trotz langer Abwesenheit nicht verändert hat, doch die man aber trotz allem nicht wirklich kennt. Die Begegnung mit einem bekannten Gesicht gerät zu einer Reise ins Ich. Ohne diese Reise kommt man bei "Zweilicht" zu keinem Zeitpunkt aus. Bleibt alles anders.

Monumental wird die Angelegenheit spätestens bei "Best of both worlds", das die Anwesenden auf eine neunminütige Reise durch die Klänge der elektronischen Musikwelten schickt - Klarinette inklusive. Mit "Zweilicht" erreicht die Scheibe ihren pathetischen Höhepunkt und vermengt Chor und Orchester mit einer abermals zwiespältigen Gefühlswelt: "Kein Tag, der die Wunden zu heilen vermag / Uns bleibt ein Versprechen, uns nicht zu verlieren / Zweilicht fällt auf Dein Gesicht." Nicht jeder weiß die großen Fragen des Lebens so behutsam und virtuos zu behandeln wie Kante. Die Grundstimmung des ziellosen, nirgendwo wirklich beheimateten Menschen, die sich durch "Zweilicht" zieht, findet in "Life on the electric avenue" ihren Höhepunkt: "Niemand rechnet mit Dir." Scheitern als Chance, eine verschleierte Erwartungshaltung kann alles und nichts bedeuten.  Instrumental klingt die atemberaubende Erlebnisreise aus, jedoch nicht bevor ein Schlußwort festgehalten wird: "My love is still untold." Die Hoffnung bleibt, das einmal erleben zu dürfen. Momente erfahren zu dürfen, die das beinhalten, was Kante in voller Albumlänge vor uns ausgebreitet haben. Und vor allem in uns.

(Torben Rosenbohm)

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Highlights

  • Im ersten Licht
  • Die Summe der einzelnen Teile
  • Best of both worlds
  • Zweilicht

Tracklist

  1. Im ersten Licht
  2. Die Summe der einzelnen Teile
  3. Ituri
  4. Best of both worlds
  5. Zweilicht
  6. Life on the electric avenue
  7. My love is still untold

Gesamtspielzeit: 51:14 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Loketrourak

Postings: 2233

Registriert seit 26.06.2013

2021-02-21 17:52:07 Uhr
Ja, Theater. Subventionierte Kultur ist für einige Bands die einzige Möglichkeit für regelmäßige Einkünfte.

sizeofanocean

Postings: 1353

Registriert seit 27.01.2020

2021-02-21 17:23:17 Uhr
haben zuletzt nur noch Musik fürs Theater gemacht, wenn ich das richtig erinnere

Eurodance Commando

Postings: 1731

Registriert seit 26.07.2019

2021-02-21 17:16:13 Uhr
"Die Tiere sind unruhig" als ganzes Album gefällt mir am besten, das strahlt irgendwie auch die Wärme aus, ich auf den Vorgängern vermisse, die aber teil grandiose Einzelsongs bieten. Neben den Tocos meine liebste Hamburger Kapelle und vielleicht auch wegen den Jazzanleihen die talentierteste. Ansonsten mag ich da eigentlich so gut wie keine Band aus der Welle, alles zu spröde für mich.
Was ist eigentlich aus der Band geworden? Die Frage hab ich mir auch schon vielleicht schon vor zehn Jahren gestellt. Too old for this shit

Loketrourak

Postings: 2233

Registriert seit 26.06.2013

2021-02-21 17:05:45 Uhr
Bin nie der große Kante Fan gewesen, imo immer eine Spur zu manieriert. Mochte 'Die Summe der einzelnen Teile' aber sehr und bin jetzt offiziell alt.

Eurodance Commando

Postings: 1731

Registriert seit 26.07.2019

2021-02-21 17:00:07 Uhr
Mag auch einige Songs der Band ganz sehr. Nur der Gesang ist oft so furchtbar banal, wenn nicht sogar weinerlich, besonders auf diesem Album.
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