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Copenhagen - Sweet dreams...

Copenhagen- Sweet dreams...

Flower Shop / Rough Trade
VÖ: 27.01.2006

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Radio morbid

Dänen lügen nicht? Von wegen. Während der Albumtitel säuselnd karamellisierte Lieblichkeiten verspricht, drehen Copenhagen alias Neil G. Henderson und Kirsa Wilkenschildt samt Patchwork-Orchester akustische Kurzfilme, die mit Wonne den Teufel an die Wand malen. Jene Alptraumszenarien definieren die beiden Regisseure schlicht als "small stories of sad people". Da ist was faul im Staate Dänemark? Stimmt. Denn Kopenhagen liegt in diesem speziellen Fall gar nicht in Skandinavien, sondern in London. Dort arbeiteten Henderson und Wilkenschildt einst in der englischen Dependance des kleinen dänischen Labels Cloudland, das seinen Hauptsitz in Kopenhagen - Kirsa Wilkenschildts Heimatstadt - hat. Zufälligerweise feierte Michael Frayns Theaterstück "Copenhagen" gerade London-Premiere, als die beiden Arbeitskollegen beschlossen, daß es auch an der Zeit für die Premiere eines gemeinsamen Musikprojektes sei - so wurde dieses kurzerhand und gleich doppelt inspiriert nach der dänischen Hauptstadt benannt.

Man muß schon viel Glück haben, wenn eine erste Veröffentlichung überhaupt Beachtung findet. Vielleicht von einem kleinen Studentenmagazin rezensiert wird. So viele Kopien verkauft, daß das Label - in diesem Fall Super 8 Recordings - wenigstens nicht gleich den Weg zur Tür zeigt. Copenhagen hatten mehr als nur viel Glück, nämlich vor allem die Talent-Trumpfkarte und Mut zu stilistischer Kompromißlosigkeit. Ihr Song "Raining again" fand im Jahr 2000 nicht bloß Beachtung, sondern wurde gleich mit dem Titel "Mojo single of the month" geadelt. Ihre Konzerte glichen Theaterinszenierungen, sie lernten Robin Proper-Sheppard (Sophia) kennen, ergatterten daraufhin einen Plattenvertrag bei Flower Shop Recordings, und ihr Debüt-Longplayer "Tales from the forest" wurde von der englischen Musikpresse überaus wohlwollend beklatscht.

Und dann kam, was immer kommt, wenn alles zu gut läuft: Im Frühjahr 2003 hatten Henderson und Wilkenschildt innerhalb von fünf Tagen den Verlust von fünf ihrer sechs Bandmitglieder zu beklagen. Doch anstatt in kreativitätshemmendem Selbstmitleid zu versinken, besann man sich auf eine bekannte skandinavische Weisheit: Entdecke die Möglichkeiten. Bei der Instrumentierung ihrer Lieder lauerten nicht mehr die begrenzten Fähigkeiten eines bestehenden Bandgefüges im Hinterkopf - plötzlich bestand komplette musikalische Freiheit. Album Nummer zwei gönnt sich dann auch den Luxus mit vermeintlich leichten Harfenklängen zu beginnen. In Sekundenschnelle folgt allerdings diese gewisse Rotweinschwere, die am nächsten Morgen per Kopfschmerzexpress einen schönen Gruß bestellt. Henderson gibt den Conférencier in einem Drama aus Einsamkeitsmonologen. Während Streicher, Piano, Blechbläser und eine Baßklarinette den Damm des Tränenflusses brechen wollen, befiehlt er mit tiefer, leicht nasaler und schwer samtener Stimme: "Hold back the tears."

Wir lernen die verzweifelte "Eleanor" kennen - begleitet von harmlos erscheinenden Glockenspieltupfern, die sich schließlich zu einem orchestralen Strudel entwickeln, setzt sie ihrem jämmerlichen Leben ein Ende. Man muß kein Psychologe sein, um zu diagnostizieren, daß Copenhagen einen ausgeprägten Hang zum Morbiden und zu düsteren Pastelltönen haben. Hier ein Vibraphon, da eine Flöte, dort eine emotionale Haiattacke und die streicherumsäumte Feststellung "Life seems so empty / You're not so friendly / Dead in the water." Man denkt an Nick Caves "Murder ballads" oder an die Tindersticks. Aber auch an die zeitlose Schönheit des Chansons; an Serge Gainsbourg oder Jacques Brel. Erstaunlich erfreulich: Drei der fünf verlorenen Bandmitglieder kamen zurück. Das herzerwärmende Instrumental "Song for Edna" wurde vor Jahrzehnten von Hendersons Vater als erfolgreiche Balzhymne für seine spätere Frau geschrieben. Und die elegische Erkenntnis "We want you here...", inklusive sehnsuchtserfüllter Trompete, könnte man sogar fast als Happy End bezeichnen. Aber auch nur fast.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Hold back the tears
  • Eleanor
  • Song for Edna
  • We want you here...

Tracklist

  1. Hold back the tears
  2. Eleanor
  3. Soldier
  4. Shark attack
  5. Justine
  6. Song for Edna
  7. Marie
  8. Lucky seven
  9. Revolving day
  10. My dear
  11. We want you here...

Gesamtspielzeit: 48:22 min.

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