Jamie Lidell - Multiply
Warp / Rough Trade
VÖ: 13.06.2005
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
No money, brother
Wenn man weißärschigen Playmobilköpfen und hornbebrillten Blaßnasen gemeinsam beim Zappeln zusehen kann, ist etwas passiert. Zwar sind sich beide Spezies des musikhörenden Mitteleuropäers einig in der Ablehnung von massenkompatibler Tonware, aber daß sie einen weitergehenden Konsens finden würden, ist doch arg selten. Daß dies ausgerechnet bei einer Platte passiert, deren Inhalt eigentlich kaum weiter von Schrammelgitarren und Laptopgeklicker entfernt sein könnte, macht das Wunder noch wunderlicher. Denn Jamie Lidells "Multiply" ist waschechter Blue Eyed Soul. R'n'B. Funk. Der Feind. Oder?
Die Antwort: alles, nur das nicht. "Multiply" ist kein blasses Getue von Leuten, die statt Seele ein Scheckbuch hinter den Rippen durch die Welt tragen. Lidell hat den Soul. Er gibt sich der Musik hin. Mit Haut und Haar. Mit Säuseln und Schreien. Mit Drama und Dreck. Mit Flüstern und Fulminanz. Mit Pop und Power. Ein Wunder. Denn diese vierzig Minuten sind hundert Mal wattiger als jede Weichspülerreklame. Sie haben tausendfach mehr Herz als jedes Rosamunde-Pilcher-Geschmiere. Und doch versetzen sie Indiegirls und Indieboys und Nerds jeglicher Chromosomenkombination in Kuschel- und Zappellaune.
Dabei ist das hier kein High-Tech-Gewusel, sondern lebendige, beinahe nostalgische Tanzmusik. Effektiv wie ein schlichter Doppelpaß. Denn wenn Lidell im Titelstück losgurrt wie eine rollige Katze, sich in "What's the use" die Haare voller Selbstzweifel rauft, in "Newme" über die Grenzen seiner Bühne davonhibbelt und "The city" dermaßen rockt, als hätte er George Clintons Mothership geradewegs in seinem eigenen Oberstübchen parken lassen, kocht die Bude. Und spätestens wenn er in "What is it this time?" bebt und brodelt wie ein heißer Vulkan, gibt es kein Halten mehr. Die Disco platzt aus den Nähten vor lauter Wackelärschen und balzenden Homini sapiens. Feuchte Luft, feuchte Schlüpfer.
Den Vogel, der hier trotz der gemeinsamen Super_Collider-Vergangenheit nicht den Vornamen Cristian trägt, schießt Lidell jedoch mit der unglaublichen Zappelorgie "When I come back around" ab. Gurgelnde Bässe, zuckende Beats und hüftbetontes Georgel feuern Lidell zur Höchstleistung an, und der Engländer schleudert eine kochende Salve nach der anderen durch die Lautsprecher, bis sie Feuer fangen. Und jeder gleich mit, der sich nicht bei Drei die Füße einbetoniert hat. Funky.
Highlights
- Multiply
- When I come back around
- What's the use
- Music will not last
Tracklist
- You got me up
- Multiply
- When I come back around
- A little bit more
- What's the use
- Music will not last
- New me
- The city
- This time
- Game for fools
Gesamtspielzeit: 40:06 min.
Referenzen
Prince; Terence Trent D'Arby; Tony! Toni! Toné!; Sutekh; Safety Scissors; Jay Haze; Gnarls Barkley; N.E.R.D.; Pharrell Williams; Bootsy Collins; George Clinton; Funkadelic; Parliament; The Temptations; The Commodores; Al Green; Stevie Wonder; Curtis Mayfield; Bobby Womack; Marvin Gaye; Otis Redding; Isaac Hayes; The Gap Band; Chic; Herbie Hancock; Maceo Parker; Quincy Jones; Michael Jackson; Usher; R. Kelly; D'Angelo; Jamiroquai; Barry Adamson; Sly And The Family Stone; Deee-Lite; Outkast; The Roots; Common; Kanye West; Saul Williams; Mos Def; Talib Kweli; De La Soul; Black Eyed Peas; K-Os; Wyclef Jean; Lenny Kravitz; Super_Collider; Squarepusher; Jimi Tenor; Gonzales; Beck; Basement Jaxx; Artful Dodger; Justin Timberlake; George Michael; Simply Red; Groove Armada; Gorillaz; Phoenix
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