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Gravenhurst - Fires in distant buildings

Gravenhurst- Fires in distant buildings

Warp / Rough Trade
VÖ: 21.10.2005

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Rauchschwaden

Menschen, denen bereits der Klang von Worten ganze Geschichten erzählt, werden bei dem Wort "Gravenhurst" sicherlich so einiges an Assoziation unters Denkerstirnchen wandern. Auch ohne die Spontankonferenz mit unserem Dictionary vermerken wir zunächst einmal eine Grabesstimmung, etwas Bodenloses, eine gewisse Trostlosigkeit, die "Gravenhurst" als Morphemsammlung innewohnt. Die Zuhilfenahme einer Suchmaschine bringt weitere Zusammenhänge: Gravenhurst ist eine Stadt in Kanada, die allerdings an Attraktivitäten recht arm scheint. Ein Opernhaus hat sie und ein monströses "fire department". Und dann ist da ja noch jene Band, die wir schon zwei Alben lang als folkende Ein-Mann-Combo hinter dem Pseudonym Gravenhurst kennen und schätzen lernten. "Gravenhurst is a band from Bristol, England", heißt es in der kurzen Umschreibung unserer Suchmaschine, der wir nur hinzufügen müssen, daß der Frontmann auf den Namen Nick Talbot hört.

Das alles reicht nicht an Umschreibung? Das Close-Reading der acht Stücke, die sich da auf dem Drittwerk von Nick Talbot finden, offenbart eine beschwerliche Grandezza, deren Erschließung einiges an Mühen voraussetzt. Doch das lohnt sich. Da wäre zunächst "Down river", ein Mogwai-eskes Epos von gut sieben Minuten, in dem sich Gitarrenwände aufbauen und wenige Sekunden später umso verheerender wieder einstürzen. Kein kleines Flüßchen also, sondern ein reißender und heimtückischer Strom. Mit "The velvet cell" werden Parallelitäten zu My Bloody Valentine offenkundig. Shoegazerrock bis zur Nackenstarre, ein schönes Gitarrenriff, harmonischer Gesang und ein furchterregender Text: "To understand the killer I must become the killer." Später gibt es den Song als instrumentale "Reprise" gleich noch mal auf diesem Album.

Es ist der Kontrast von Behaglichkeit und Schrecken, der dies hier alles so ins Erhabene trägt. "Animals" beispielsweise. Das ist vordergründig sanfter Pop, kuschelig und geradezu behaglich: "It's England on a saturday night." Warme Gitarren, musikalische Eintracht. Doch dann: "I wish I could be like them and I try." Der Protagonist wandert, statt sich in der naßkalten Herbstwelt vor dem Kamin zu entledigen, durch die Gassen, vorbei an Flüssen, beschaut sich sein Spiegelbild im Wasser. Postmoderne Romantik: "I wonder what they are doing right now." Am Ende wieder eine brachiale Soundmauer.

Das feine "Nicole" setzt die Harmonie fort, ehe mit den "Cities beneath the sea" der alte Gegensatz vom "Ich" und "Ihr" in der Musik revitalisiert wird. "I live on the other side of the river." Einmal mehr trügerische Harmonie, der textliche Morbidität innewohnt. Da weiß ein Song nicht, wie der nächste klingt. Der Folk der zwei Vorgängeralben ist hier jedenfalls nur noch angedeutet. Und das ist gut so.

"Songs from under the arches" ist gleichsam das anstrengendste wie minimalistischste Epos dieses Gesamtkunstwerks. Da passiert nicht viel. Bis dann irgendwann doch einmal was passiert. Dann aber eine ganze Menge. Den Abschluß macht das versöhnliche "See my friends". Velvet Underground stehen Pate. Warhol muß irgendwo im Nacken sitzen. Instrumente duellieren sich, Feuerwehrmänner hadern mit den Flammen. Ein nicht enden wollender Kampf. Nach einer knappen Stunde die Erlösung. Die Songs sind begraben, doch die Glut ist noch heiß.

(Sebastian Peters)

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Highlights

  • The velvet cell
  • Animals
  • See my friends

Tracklist

  1. Down river
  2. The velvet cell
  3. Animals
  4. Nicole
  5. The velvet cell Reprise
  6. Cities beneath the sea
  7. Songs from under arches
  8. See my friends

Gesamtspielzeit: 52:26 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

VelvetCell

Postings: 6453

Registriert seit 14.06.2013

2023-07-22 14:45:10 Uhr
Das ehrt Turbostaat, dass sie den Song covern. Das Original erreichen sie aber leider nicht mal im Ansatz. Trotzdem sehr schön, dass sie Gravenhurst auf dem Schirm haben!

fluppeaufex

Postings: 213

Registriert seit 29.10.2019

2023-07-21 19:44:56 Uhr
Turbostaat covern übrigens "the velvet cell" als "der weiche kern". Ziemlich groß!

https://www.youtube.com/watch?v=ERVLQPgBtUA

Mayakhedive

Postings: 2514

Registriert seit 16.08.2017

2019-05-22 20:04:51 Uhr
Ganz spontan gefällt mir das Cover von “Diane“ deutlich besser als das Original.
Also
2019-05-22 12:44:53 Uhr
MW ist er tot @bee

VelvetCell

Postings: 6453

Registriert seit 14.06.2013

2019-05-22 12:39:44 Uhr
Siehe hier:

https://www.plattentests.de/forum.php?topic=16292&tgroup=0&seite=424

:)
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