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Sigur Rós - Takk...

Sigur Rós- Takk...

EMI
VÖ: 12.09.2005

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Feenstaub

Gerechnet hatten wir mit ihnen nicht. Doch plötzlich tauchten sie auf, verzauberten uns und entführten uns in ihre Klangwelten. "Unerhört", "mystisch" und "elfenhaft" waren seitdem die zu recht meistgebrauchten Adjektive für das Schaffen von Sigur Rós. Musik, die so schön wie klischeehaft ist, erfordert eben Worte, die so schön wie klischeehaft sind. Sigur Rós trugen uns auf kilometerweit ausgedehnten, weltverlorenen Melodiebögen über sanft schwellende Streicherberge und kantige Bläserriffs hinweg, gaben uns die Chance, die Langsamkeit neu zu entdecken. Hingerissen waren wir - auch wenn wir kein Wort verstanden, wovon sie sangen. Vor allem, aber nicht nur von "Ágætis byrjun". Das glockenhelle Falsett von Jón Thor Birgisson war immer mehr Klangfarbe als Sprachrohr. Und so verzichteten sie auf ihrer letzten Platte "( )", auch gleich auf Songtitel. Nach langem Warten erscheint nun "Takk..." (dt. "Danke..."), die mittlerweile vierte abendfüllende Platte der kauzigen Isländer. Und bevor man auch nur einen Ton gehört hat, fällt auf, daß sie ihren Stücken nun auch wieder Namen gegeben haben.

Am Anfang ist die Ursuppe. Ein heller, kaum bewegter Streichernebel gleitet heran und begrüßt den Hörer. Zaghaft zirpen ein paar Obertöne darüber, die Birgisson mit dem Geigenbogen aus seiner Gitarre lockt. Erst Minuten später zeichnen sich im Nebel die ersten Konturen ab. Schleppend kommt der Rhythmus in Gang, der Baß schnurrt ein tiefes Fundament. Unmerklich verdichtet sich der Klang. Erst fern, dann immer näher kommen die glasklaren Falsett-Glissandi herangeschwebt wie Sirenengesang. Als wollten sie sagen: "Schön, Dich wiederzusehen."

Es ist, als träfe man einen alten, liebgewonnenen Freund wieder, den man einige Jahre nicht gesehen hat, dessen Charakteristika man aber sofort wiedererkennt. Und doch hat sich auch der Freund in der Zwischenzeit weiterentwickelt, ist gereift hat sich ein wenig verändert. So ist es auch hier. Wenn auch nur unmerklich, haben sich Sigur Rós wieder zum Guten gewandelt. War "( )" nach dem opulenten Ágætis byrjun zwar immer noch wunderschön, aber karger und minimalistischer ausgefallen, haben sie bei "Takk..." den Bogen wieder weiter gespannt. Die Langsamkeit ist beschwingter geworden und vor allem dynamischer, die Arrangements haben an Vielseitigkeit zugelegt.

Noch immer schweben zuckersüße Melodien wie Feenhauch über den Stücken, darunter weiche Streicherfundamente in minimalistischen Schlaufen, die sich langsam entwickeln. Doch die Steigerungszüge sind größer geworden, Takt um Takt nimmt die Spannung zu, wird der Druck größer, ehe irgendwann der Vulkan explodiert, Thor seinen Hammer Mjölnir schwingt. Dann packen die Jungs die massive Rockkelle aus, zermalmen alles, was nicht bei drei auf dem nächsten Felsen ist und peitschen vorwärts, wie sie es in dieser Intensität auf Platte bisher noch nicht gezeigt haben.

Ausgefuchster zeigen sich vor allem die Arrangements. So springt einem bei aller wohligen Melancholie zwischendurch auch plötzlich der Schalk in den Nacken. Bei "Sé lest" schleicht sich beispielsweise am Ende verschmitzt ein Zirkuswalzerrhythmus in ein zurückgezogenes Ostinato von Streichern, Glockenspiel und Xylophon. Die sehnlichst zurückerwarteten Bläser steigen mit ein und lassen die vorher unbewegte Klangfläche nun vergnüglich pulsieren, holpern und stolpern, daß es eine wahre Freude ist, um im nächsten Moment gleich um die nächste überraschende Ecke zu biegen. "Gong" wiederum ist das rhythmisch abwechslungsreichste und filigranste Stück, das Sigur Rós bisher geschrieben haben. Dann schweben sie wieder zurück in phasenweise Ereignislosigkeit, hebeln Zeit und Raum aus den Angeln, sind eine ganze Weile lang nur Klang, der Nebel zieht wieder auf. Nach gut einer Stunde verhallen die letzten Akkorde dann, die letzten Nebelschwaden haben sich inzwischen wieder aufgelöst. Die Reise ist zu Ende - und doch lange nicht vorbei.

(Ole Cordsen)

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Highlights

  • Glósóli
  • Sé lest
  • Sæglópur
  • Mílanó
  • Gong

Tracklist

  1. Takk...
  2. Glósóli
  3. Hoppípolla
  4. Med Blóðnasír
  5. Sé lest
  6. Sæglópur
  7. Mílanó
  8. Gong
  9. Andvari
  10. Svo hljótt
  11. Heysátan

Gesamtspielzeit: 65:34 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10069

Registriert seit 26.02.2016

2020-10-27 19:52:00 Uhr
Auf "Ágætis" sind halt über die Hälfte der Songs 10/10. Das ist hier nicht so, aber das Niveau trotzdem wahnsinnig hoch.

hideout

Postings: 1825

Registriert seit 07.06.2019

2020-10-27 10:33:05 Uhr
Ein Song, den wenige als Highlight sehen, ist für mich wohl in den Top 5 der Band: "Svo Hljott".

Habe dem ja ne Neun gegeben, aber mit dem Highlight ist es auf einem Album, wo mehr als zwei Drittel sich im Bereich 9+ bewegen halt so ne Sache ... eher ein *Problem* des Albums als des Songs.^^


Mein Top-5-Song hier, bzw. eigentlich sogar Top 3, ist "Andvari". Die großen Ausbrüche der Band in allen Ehren, aber dieses Streicher-Finale ist der im Wortsinn schönste Moment ihrer Diskographie.

So wahr. :-)


Die 8/10 von damals ist deutlich unter dem tatsächlichen Wert.

*Objektiv* wenigstens eine 9 imho, wenn man bedenkt wie die "Tuesday Night Fever"-Rezi hier abgeräumt hat, eine bewertungstechnische Ungerechtigkeit, die man irgendwann mal beheben sollte. -.-

Pivo

Postings: 1362

Registriert seit 29.05.2017

2020-10-27 09:13:52 Uhr
Takk ist für mich immer noch eines der besten Alben in meiner Diskografie. Im Vergleich zu den 10ner der jüngeren Vergangenheit sogar eine 12. Absolut erhaben, episch, grandios. Die 8/10 von damals ist deutlich unter dem tatsächlichen Wert.
Glosoli, Hippipolla, Saeglopur, Gong, Andvari (keine Ahnung ob ich alle richtig geschrieben habe), es gibt hier keine Ausfälle und unzählige großartige Momente drauf. Die Klasse von Takk hatte sie danach für mich leider nicht mehr, aber Takk alleine ist schon eine Lebensleistung an die wenige Bands herankommen.

Given To The Rising

Postings: 7679

Registriert seit 27.09.2019

2020-10-27 08:10:45 Uhr
Für mich ist es aus persönlichen Gründen Glósóli, aber es gibt im Prinzip keinen schwachen. Meine Lieblinge finden sich fast ausschließlich auf der Agaetis Byrjun.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33264

Registriert seit 07.06.2013

2020-10-27 00:14:10 Uhr
Oh ja, die Streicher am Ende von "Andivari" sind echt toll. Ja, "Svo" ist nicht so einprögsam. Deshalb hab ich auch immer in meinen Top-Songs vergessen, aber ich wenn ich ihn höre denk ich: Den darfst du nciht vergessen!
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