Michelle Shocked - Threesome (Don't ask, don't tell / Mexican standoff / Got no strings)
Mighty Sound / Sony BMG
VÖ: 27.06.2005
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Frau weniger Worte
Nicht alle Musiker füllen die Gazetten, selbst im Pop/Rock-Business nicht. Manche spielen einfach ihren Stiefel runter, unbeeindruckt von allem, oft auch genug unbeachtet von allen. Und sind dabei mitunter reichlich beschäftigt: mit Klagen gegen die ehemalige Plattenfirma oder mit der Gründung eines eigenen Labels. Oder wie im Falle von Michelle Shocked damit, neben zahllosen Auftritten bei Pop-, Blues, Country-, Western- und Benefiz-Konzerten für Frauenpower und sonstigen unterstützenswerten Veranstaltungen auch noch, nein, nicht eine, sondern gleich drei Platten aufzunehmen. Ein Rock-Album, ein halbes Latin- und ein halbes Blues-Album, sowie ein Album mit Western-Versionen von Walt-Disney-Stücken.
Aber konzentrieren wir uns zuerst auf das Wesentliche: auf "Don't ask, don't tell", welches als das Rock-Album des auch als "Threesome" erhältlichen Dreier-Sets beworben wird. Dabei findet sich auch darauf eine Mischung aus rockigen, jazzigen und folkigen Stücken. So gesehen ist "Don't ask, don't tell" auch am ehesten die direkte Fortsetzung des '92er "Short sharp shocked"-Albums, das der bekannteste Bezugspunkt sein dürfte. Schließlich wurde ein guter Teil der Alben dazwischen meist nur in Eigenregie bei Konzerten vertickt.
Auf "Mexican standoff" spielt Shocked dagegen mit ihren Einflüssen: weniger Folk, dafür mehr Texas-beeinflusster Blues und vor allem Latino-Sound. Aber natürlich wird das bei ihr nicht so neumodisch produziert wie bei gewissen angesagten kolumbianischen Schönheiten, sondern klingt häufig dermaßen klassisch, daß man erst aufhorcht, als etwa das "Spanglische" auf "La cantina el gato negro" nach deutschen Urlaubern nach dem zwanzigsten Tequilla klingt. Einen solchen lockeren Umgang mit traditioneller Musik kennt man in Europa eigentlich nur von Finnen. Von Amerikanern ist das eher unerwartet und macht demzufolge einen Heidenspaß.
Am auffälligsten ist aber sowieso eine Selbstverständlichkeit: nämlich jene, mit der Michelle Shocked hier ganz locker Melodien aus dem Ärmel schüttelt und mit einer gesanglichen Bandbreite und Tiefe vorträgt, das den arrivierten Gitarrendamen in den Charts Angst und Bange werden müßte. Und da spielt es keine Rolle, ob Madame Shocked in "(Hi skool)" mal in Abrechnung mit ihrer Schulzeit wütet, oder sich wie in "Hardly gonna miss him" als Grande Dame des Jazz geriert.
Das funktioniert erstaunlicherweise sogar besser als der eigentlich schon wieder naheliegende Versuch, mit Coverversionen bekanner Stücke wieder ins Geschäft zu kommen. Auf "Got no strings" klingen selbst All-Time-Classics wie der Dschungelbuch-Schlager "Bare necessity" wie Truck Stop mit Schulmädchen-Chor. Daß die Platte offensichtlich als Fundraiser für die Unterstützung von HIV-Kindern in Afrika genutzt werden soll, ist moralisch sicher nicht verwerflich. Und erklärt eventuell gar, warum "Got no strings" wie eine Einschlafhilfe für amerikanische Mütter und ihre Kinder klingt. Die Musik besser macht dies jedoch nicht. Da man "Mexican standoff" und "Don't ask don't tell" aber auch einzeln erwerben kann, ist diese Ausfall aber so schlimm nicht.
Wer bisher Michelle Shocked nur als Texas-Campfire-Girl wahrgenommen und hier ein verhuschtes Folk-Album erwartet hatte, dürfte jedenfalls ziemlich verdutzt aus der Wäsche schauen. Mit sattem Klang werden hier (vor allem auf "Don't ask, don't tell" und "Mexican standoff") kleine große (Pop-)Momente inszeniert. Und so ist der einzige Kritikpunkt (mal von "Got no strings" abgesehen) der, daß diese Momente manchmal zu glatt und langweilig inszeniert sind und auch aneinandergereihte Momente nicht unbedingt eine zusammenhängende Geschichte ergeben. Selbst wenn sie von Michelle Shocked persönlich erzählt wird. Von ihrem aktuellen Output dürfte jedoch auch so genug hängenbleiben, um zumindest das mit dem "nicht wahrnehmen" nachhaltig zu ändern. Und demnächst gibt's schon den nächsten Nachschlag: wieder in dreifacher Ausfertigung.
Highlights
- Don't ask
- Used car lot
- Hardly gonna miss him
- La cantina el gato negro
Tracklist
- Don't ask, don't tell: Early morning Saturday
- How you play the game
- Don't ask
- Used car lot
- Hardly gonna miss him
- Evacuation route
- Fools like us
- Elaborate sabotage
- Don't tell
- Goodbye
- (Hi Skool)
- Mexican standoff: Lonely planet
- La cantina el gato negro
- Wanted man
- Picoesque
- Match burns twice
- Mouth of the Mississippi
- Bitter pill
- 180 Proof
- Weasel be poppin'
- Blackjack heart
- Got no strings: To be a cat
- Give a little whistle
- Got no strings
- Spoonful of sugar
- Spectrum
- Wish upon a star
- Baby mine
- A dream is a wish
- Bare necessities
- On the front porch
Gesamtspielzeit: 118:08 min.
Referenzen
Tanya Donelly; Penelope Houston; Suzanne Vega; Ani DiFranco; Tracy Chapman; k.d. Lang; Cowboy Junkies; Neko Case; Juliana Hatfield; Aimee Mann; Natalie Merchant; Vic Chessnut; Woodbine; Hothouse Flowers; MDC; Sherryl Crow; Hazeldine; Tegan And Sara; Sally Crewe & The Sudden Moves
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- Michelle Shocked (4 Beiträge / Letzter am 02.09.2006 - 14:58 Uhr)