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Nick Cave & The Bad Seeds - B-sides & rarities

Nick Cave & The Bad Seeds- B-sides & rarities

Mute / EMI
VÖ: 29.03.2005

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Schwarzseher

Zum Glück ist er ein so disziplinierter Mann, dieser Nick Cave. Man kann sich das vielleicht vorstellen wie in einem normalen Büro: Morgens um 9 kommt der Chef herein, greift sich einen Kaffee, schließt seine Tür und möchte die nächsten Stunden nicht gestört werden. Es wird gearbeitet. Nur daß Nick Cave kein Bürohengst ist, sondern Songwriter. Und sich nach langen exzessiven Jahren nun einem festen Tagesrhythmus unterworfen hat, der fast schon legendär ist. Nur so behält er sich selbst im Griff. Und nur so konnte sich genügend Material ansammeln für sein erstes dickes Box-Set: 56 Songs in fast 4 Stunden, ganz grob chronologisch sortiert. Die gesamte 21-jährige Geschichte von Nick Cave & The Bad Seeds wird abgedeckt, das meiste sind B-Seiten, anderes stammt von Soundtracks oder Limited Editions. Ganz anderes wurde nie veröffentlicht und sorgt nicht nur bei Sammlern für akute Sabberansammlung im Mundwinkel. Aber Moment mal, eine Frage noch: Hat da die Plattenfirma etwa die Feste durcheinander gebracht und Weihnachten mit Ostern verwechselt? Schon komisch, so ein dickes Boxset im Nest statt unterm Baum.

Dafür ist die Ausstattung eher schmal gehalten: Die Box mißt 12 mal 12 mal 2 Zentimeter, die drei CDs sind einzeln in Papphüllen verpackt. Extra-Geschichten, -Fotos oder irgendwas anderes zum Blättern? Fehlanzeige. Und Credits gibt's nur lieblos auf Pappe gedruckt. Da wurden ähnliche Box-Sets von The Cure oder Johnny Cash mit weitaus mehr Liebe und Sorgfalt gestaltet. Aber die kosteten auch weit mehr als das für 20-25 Euro zu erstehende Cave-Pendant. Und den inneren tun die äußeren Werte ja auch keinen Abbruch.

Die erste CD ist eine recht zähe Angelegenheit, nicht zuletzt wegen der drei eröffnenden Akustik-Versionen. Weil selbst der Cave-Klassiker "The mercy seat" nur noch halb so faszinierend ist, seit er von Johnny Cash zum Nonplusultra veredelt wurde. Das majestätische Roy Orbison-Cover "Running scared" kribbelt da schon eher, bevor der Proletarier-Chor und das nervtötende Getrommel in der folgenden "Black Betty"-Interpretation jegliche Atmosphäre töten. Das dräuende "Scum" gab's nur auf einer Flexidisc, die 1986 auf Konzerten vertickt wurde, und ist durchaus hörbar im Gegensatz zu manch krudem Experiment. Dafür sticht die klassische Piano-Ballade "The train song" wunderbar heraus, wie auch der Neil Young-Tribut "Helpless" im Gegensatz zur zerfahrenen Cohen-Huldigung "Tower of song".

Der zweite Silberling wird von einem "What a wonderful world"-Cover eröffnet, einem 1992 als Single veröffentlichten, absolut surrealen Erlebnis. Denn der Kontrast zwischen dem alten Optimisten-Gassenhauer und Caves Schwarzseher-Stimme könnte kaum größer sein. Dann kriegt er auch noch Gesellschaft von Shane MacGowan (Pogues), der ganz so klingt, als ob er das Glück am Boden einer Schnapsflasche gefunden hätte. Hicks. Dafür vergreift sich Cave gleich hinterher am Pogues-Heuler "Rainy night in Soho" und klimpert für MacGowan die "Lucy". Im Anschluß gelingt ihm sogar eine Country-Sause wie "There's no night out in the jail", etwaiger Postrock wie "Time jesum transeuntum et non riverentum" oder höchst Eigenwilliges wie "The willow garden". Daß Blixa Bargeld als Ersatz-Kylie im Original-Demo von "Where the wild roses grow" der Chanteuse nicht das Wasser reichen kann, versteht sich von selbst.

Die dritte CD startet im Jahr 1997. Und untermauert nicht nur, daß Cave seine stärkste Phase Ende der Neunziger hatte, sondern auch, daß seine Stimme erst mit seinem 40. Geburtstag ihre vollkommene Ausdruckskraft erreicht hat. "Little empty boat" hätte sogar das "The boatman's call"-Album noch aufgewertet und "Sheep may safely graze" eine frühere Veröffentlichung verdient gehabt. Daß vieles den B-Seiten-Charakter nicht abstreifen kann oder gar zurecht inne hat, schmälert die Entdeckungsreise wenig, für die sich insbesondere Nicht-Cave-Komplettisten ein Wochenende Zeit nehmen sollten. Um endgültig zu konstatieren: Nick Caves zweite Garde ist schlagkräftiger als die erste von vielen anderen. Hoffen wir, daß er sich nach seinem schwachen "Abattoir blues / The lyre of Orpheus" schnell wieder fängt. Und sein Büro-Schreibtisch ihm noch lange treue Dienste leistet.

(Armin Linder)

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Highlights

  • The mercy seat (Acoustic version)
  • The train song
  • What a wonderful world
  • Time jesum transeuntum et non riverentum
  • Little empty boat
  • Grief came riding
  • Good good day
  • Shoot me down

Tracklist

  • CD 1
    1. Deanna (Acoustic version)
    2. The mercy seat (Acoustic version)
    3. City of refuge (Acoustic version)
    4. The moon is in the gutter
    5. The six strings that drew blood
    6. Rye Whiskey
    7. Running scared
    8. Black Betty
    9. Scum
    10. The girl at the bottom of my glass
    11. The train song
    12. Cocks 'n' asses
    13. Blue bird
    14. Helpless
    15. God's hotel
    16. (I'll love you) Till the end of the world
    17. Cassiel's song
    18. Tower of song
    19. What can I give you?
  • CD 2
    1. What a wonderful world
    2. Rainy night in Soho
    3. Lucy (Version #2)
    4. Jack The Ripper (Acoustic version)
    5. Sail away
    6. There's no night out in the jail
    7. That's what Jazz is to me
    8. The willow garden
    9. The ballad of Robert Moore and Betty Coltrane
    10. King Kong kitchee kitchee ki-mi-o
    11. Knoxville girl
    12. Where the wild roses grow
    13. O'Malley's Bar Pt. 1
    14. O'Malley's Bar Pt. 2
    15. O'Malley's Bar Pt. 3
    16. Time jesum transeuntum et non riverentum
    17. O'Malley's Bar reprise
    18. Red right hand (Scream 3 version)
  • CD 3
    1. Little empty boat
    2. Right now I'm a-roaming
    3. Come into my sleep
    4. Black hair (Band version)
    5. Babe, I got you bad
    6. Sheep may safely graze
    7. Opium tea
    8. Grief came riding
    9. Bless his ever loving heart
    10. Good good day
    11. Little Janey's gone
    12. I feel so good
    13. Shoot me down
    14. Swing low
    15. Little ghost song
    16. Everything must converge
    17. Nocturama
    18. She's leaving you
    19. Under this moon

Gesamtspielzeit: 219:25 min.

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