Benjamin Biolay - A l'origine
Labels / Virgin / EMI
VÖ: 04.04.2005
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
L'amour toujours
Die Stimme des Monsieur Biolay ist wie das kontaktfreudige Parfüm eines Unbekannten, mit dem man wortlos auf den Zug wartet. Oder wie eine Katze, die fremde Beine umschmeichelt. Anschmiegsam, fast anzüglich nah manchmal. Aber trotzdem von einem unter Strom gesetzten Zaun umgeben, hinter dem ein Wachhund namens Distanz den Kunstrasen gegen die Invasion der Penetranz beschützt. Man kann allein durch Biolays phonetische Choreographien seine Physiognomie detailgenau erahnen; den Schmollmund ebenso wie die markante Nase. Sogar die verwegene Haarsträhne, die ihm während des Singens elegant in die von leichten Schweißperlen benetzte Denkerstirn fällt.
Benjamin Biolay gehört in Frankreich zu den Galionsfiguren der "nouvelle scène", einer Künstlergeneration, die den Staub von der Tradition des Chanson wischt und bei der Übersetzung derselben in die Gegenwart auch nicht vergißt, den Pop-Diktionär zu Rate zu ziehen. Die Kindheit des Chansonniers aus Villefranche-sur-Saône war vor allem durch die Platten seiner Eltern geprägt. Natürlich nicht durch irgendwelche, nein, sondern durch Beatles-B-Seiten. Die A-Seiten waren nämlich durch exzessives Abspielen in unhörbarem Zustand. Der kleine Benjamin wurde aufgrund seiner Musikbegeisterung zum Geigenunterricht geschickt, lernte später Tuba und Posaune und studierte am Konservatorium im nahegelegenen Lyon. Die Begegnung mit der ebenfalls noch jungen Keren Ann Zeidel ebnete den Weg für seine Karriere als Musiker, Komponist, Texter, Arrangeur und Produzent (u.a. für seine Schwester Coralie Clément). Sie wurden zu einem der gefragtesten Songwriter-Duos der "nouvelle scène" und beschlossen zu Beginn des neuen Jahrtausends, ihre Solokarrieren in Angriff zu nehmen.
Nach Biolays allseits gelobtem Debüt "Rose Kennedy" (2001) und dem nicht minder erfolgreichen Nachfolger "Négatif" (2003), erscheint nun also "A l'origine", was soviel wie "am Ursprung" heißt. Der Titeltrack erzählt von kindlicher Unbekümmertheit und ihrem Verlust durch den nicht aufzuhaltenden Einzug der Realität. Der monotone, fast resignierte (Sprech-)Gesang wird von einem anschwellenden Orchester begleitet, das aus vermuteter Langeweile aufreibende Brisanz schnitzt. Ein zunächst artig singender Kinderchor bricht schließlich in panisches Schreien aus. Nervenaufreibend, aber auch durchaus beeindruckend.
Wer nun anstrengend ausufernde Sozialkritik befürchtet, kann beruhigt werden: Ab Song Nummer 2, der federleichten Pop-Perle "Mon amour m'a baisé", wird es fast ausschließlich um das alte Chanson-Lieblingsthema gehen: l'amour. Untermalt von Streichern, Bläsern, Akustikgitarrenklängen ("Paris / Paris"), hin und wieder von ein paar Beats ("Cours!", "L'appât") - und leider auch von etwas deplaziert wirkenden, aufgeblasenen E-Gitarren ("Ma chaire et tendre"). Geradezu hinreißend hingegen die Klavierballade "Dans mon dos". Daß so manches Stück auf "A l'origine" eher nach einem Einheitsparfüm riecht, das die unerwünschte Transpiration mangelnder Inspiration vergeblich zu vertuschen versucht, mag man schade finden, aber dem sympathischen Franzosen nur bedingt anlasten. Man denkt mal kurz daran, sich die Nase zuzuhalten - und spitzt weiter lächelnd die Ohren. Auch das ist l'amour.
Highlights
- Mon amour m'a baisé
- Dans mon dos
Tracklist
- A l'origine
- Mon amour m'a baisé
- Ma chair et tendre
- Même si tu pars
- Ground Zero Bar
- Dans mon dos
- L'histoire d'un garçon
- Cours !
- Paris / Paris
- L'appât
- Me voilà bien
- Adieu triste amour
- Tant le ciel était sombre
- Mes peines de cœur
Gesamtspielzeit: 61:39 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Sadcaper |
2013-01-12 23:52:05 Uhr
Ein Geistreicher Eintrag mit übelst Beleidigungen. Ich sage es ja, Niveau ist hier nicht mehr vorhanden. Feiert eure Kinderbands. |
Es ist doch so: |
2013-01-11 12:27:55 Uhr
Die meisten stehen hier halt nicht auf schwülstige Mucke für romantische Gay-Abende. |
Sadcaper |
2013-01-11 00:16:27 Uhr
Die neue Platte eine 5/10? Oh man es wird hier immer schlimmer. |
Nagasaki |
2007-09-27 23:53:28 Uhr
Ja und wie ist der jetzt so? Hat das Album jemand gehört? Lohnts sich? :-/ |
locusnuß |
2005-08-05 00:56:54 Uhr
sorry für´s hochschieben. ich höre diese großartige platte gerade wieder und will einen letzten anstoß geben, dasselbe zu tun, falls die platte noch nicht bekannt sein sollte. die langweilige + gleichgültige besprechung auf plattentests.de verleitet ja nicht gerade zum reinhören... vielleicht hört´s ja einer. |
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