Janove Ottesen - Francis' lonely nights
Virgin / EMI
VÖ: 28.02.2005
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Des Kaizers neue Kleider
Hartmut Engler, Sänger der schwäbischen Popband Pur, veröffentlichte kürzlich ein Soloalbum, auf dem er englisch sang. Seine Begründung für diesen überraschenden Schritt lautete, so könne er nicht mehr nur auf die Textebene reduziert werden. Nun haben Pur und Kaizers Orchestra, vorsichtig ausgedrückt, nicht allzuviele Gemeinsamkeiten. Die sympathisch durchgeknallten Norweger sind weit davon entfernt, Stadien voller Friseusen auszuverkaufen. Aber: Auch ihr Frontmann Janove Ottesen hat ein Soloalbum mit englischen Nummern besungen. Wodurch sich die Verständlichkeit seiner Texte beim deutschen Publikum wiederum eher erhöhen dürfte.
Kaizers-Fans werden zunächst etwas enttäuscht sein: keine Ölfässer und Radkappen. Und auch die obligatorische Pumporgel sucht man auf "Francis' lonely nights" vergeblich. Fast scheint es, als habe Ottesen den größtmöglichen Unterschied zu seiner Band erschaffen wollen. Hinter der Fassade aber erkennt man dann doch Parallelen: vertraute Harmonien, diese grundsätzliche Melancholie und vor allem diese Stimme. Damit könnte Ottesen selbst sächsische Volksweisen singen, ohne negativ aufzufallen. Glücklicherweise beschränkt er sich hier aber auf folkige Balladen, schleppende Bluesvariationen und traurige Popsongs. Und dann kommt plötzlich eine beschwingte Nummer wie "This city kills" daher und durchbricht die ganze angestaute Dramatik wie ein Sonnenstrahl den regnerischen Nachmittag.
Was Ottesen sowohl mit Band, als auch solo ausmacht, ist wohl diese völlige Kompromislosigkeit, mit der er seine Musik macht. Erlaubt ist, was gefällt. Und irgendwie gelingt es ihm, auch auf "Francis' lonely nights", ganz wunderbare Musik zu machen. Oft sitzt man selig lächelnd einfach nur da, hört zu und fragt sich, warum ein Lied wie "Down to the Vertigans" nicht schon vor fünfunddreißig Jahren geschrieben wurde. Ob Ottesen nun "I wanna be your man and your lover / So I can get your kisses for free" singt oder "Will we fall in love again? Time will show / No one knows" in "Tickets" geradezu durchleidet - dieses Album hat eine ganz besondere Atmosphäre. Es klingt nach durchwachten Nächten, größeren Mengen Alkohol und ganz viel Gefühl. Und selbst, wenn es kein Meilenstein für die Ewigkeit sein sollte, hat man bei diesem Album doch stellenweise das Gefühl, alles aufblitzen zu sehen, was Musik so wichtig und so wunderschön macht.
Highlights
- Go tell her
- This city kills
- Tickets
- Wonderful show
Tracklist
- Her face
- Black and white movie
- Juliet
- Forget about me
- Go tell her
- This city kills
- Forget about me
- Go tell her
- This city kills
- Neighbour boy
- Down to the Vertigans
- Tickets
- Francis' lonely nights
- Garbage man
- Wonderful show
Gesamtspielzeit: 47:35 min.
Referenzen
Teitur; Lucky Jim; Kings Of Convenience; Simon & Garfunkel; Kristofer Åström & Hidden Truck; Christian Kjellvander; Nicolai Dunger; Tiger Lou; Turin Brakes; Clem Snide; Friends Of Dean Martinez; Calexico; Gram Parsons; Van Morrison; Bob Dylan; Nick Drake; Elliott Smith; Damien Rice; Gary Jules; Kevin Devine; The Good Life; Bright Eyes; Kaizers Orchestra