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Westernhagen - Nahaufnahme

Westernhagen- Nahaufnahme

More / Warner
VÖ: 21.02.2005

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Selbstdarsteller

Mit Pfefferminz war er der Prinz. Ein dürrer Hering, der den Gockel gab. Der "Mit 18" in Düsseldorf herumrannte. Der Generationen von Bierzelten die "Freiheit" zum Grölen gewährte. Dem man die stetig wachsende Überheblichkeit nicht nur durch die zur Schau gebrachte Theatralik ansehen konnte. Bei dem die Pose die zweite Natur geworden zu sein schien. Der trotzdem die Lizenz zum Gelddrucken besaß. Und irgendwann einsah, daß es längst keinen Sinn mehr hatte. Der ruhiger werden wollte und sich zwischenzeitlich "In den Wahnsinn" zurückzog. Und der nun doch wieder mit einem neuen Album zurückkehrt. Mensch, Marius. Das wäre echt nicht nötig gewesen.

Doch laut eigener Ansage ist das mit dem Kitsch jetzt vorbei. "Nahaufnahme" ist scheinbar so intim geworden, wie es einem Selbstdarsteller wie Westernhagen nur möglich ist. Da ist sogar ein wenig Ehrlichkeit drin: "Ich war gemein / Schrecklich gemein." Dazu setzt es zärtelnde Gitarre, flirrende Orgel und erfreulich wenig Haudrauf. In besinnlichen Momenten wie "Mit dem Rücken zur Wand" kommt sogar der entspannte Liedermacher von ganz früher wieder ans Licht. Und der war gar nicht mal so fluchtnahelegend wie späterer Stadionklamauk Marke "Sexy" oder "Willenlos".

Westernhagen, ausgeschlafener Entertainer, der er nun einmal ist, gibt erst einmal erstaunlich wenig Grund zum Lästern. Er läßt sein Songhandwerk von Ausnahmekönnern wie Jay Stapley an den sechs Saiten und Helmut Zerlett an den 88 Tasten ausstatten. Er erzählt seine Geschichten zwischen Langsamkeit und Langatmigkeit. Er gönnt ihnen beinahe alle Zeit der Welt und lullt damit die Sinne ein. Und vermeidet deswegen jegliche Aufregung. Die gelackte Selbstsicherheit von "Eins", die seelenruhige Besinnung von "Versuch Dich zu erinnern" oder der schunkelnde "Georgie" nehmen sich willentlich zurück. Koffeinfreies Geplänkel, das die Bühne frei macht für jemanden, der sich beizeiten tatsächlich die Positur verkneift.

So gelingt es dezenten Tupfern aus Blues, Jazz, Folk, Soul und Country, für ein zartes Pflänzchen Atmosphäre zu sorgen, das dann aber doch wieder durch den achselschweißigen Boogie-Rock von "Daneben" untergepflügt wird. Diese "Nahaufnahme" ist überaus routiniert, ein wenig behäbig, und nur selten wirklich langweilig. Es hätte nicht mal das Pamphlet eines ehemaligen Staatsministers für Kultur gebraucht, um festzustellen: Geiler ist's schon. Verglichen jedenfalls mit den vielen Unsäglichkeiten davor.

Und doch faßt man sich bei manch aufgesetzter Altersweisheit an den Kopf. Denn es geht natürlich nicht nur um Musik. Kanzler-Kumpel Westernhagen hält sich schließlich für einen Poeten. Und so erdreistet sich der Ruhrpottmaßanzug doch tatsächlich, die Generation Hartz IV zu Anteilnahme und Mitmenschlichkeit aufzufordern. Ohne seine penetrante Ich-Fixierung auch nur einen Moment ausblenden zu können. Oder zu wollen. Resultat: Oberstufendialektik für Sitzenbleiber. "Waren's die Juden / Der schwarze Mann? / War es Bin Laden / Wer fing bloß an? / Die Achse des Bösen / Die Demokratie / Keiner weiß wirklich / Wann und Wie." Man denke sich das Speigeräusch dazu. Diesen Dichter hat sich PISA-Deutschland redlich verdient.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Versuch Dich zu erinnern
  • Alles ist möglich
  • Georgie

Tracklist

  1. Versuch Dich zu erinnern
  2. Alles ist möglich
  3. Du entkommst mir nicht
  4. Schweige still
  5. Georgie
  6. Eins
  7. Willst Du tanzen
  8. Gejammer
  9. Mit dem Rücken zur Wand
  10. Daneben
  11. Ich wollte nie
  12. Ignoranz
  13. Liebst Du mich
  14. So lange wie noch leben

Gesamtspielzeit: 59:19 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Marco
2006-10-04 09:32:03 Uhr
Ein sehr sehr sehr gutes Album! EinsA-Musiker, Titel, die auf dem 1. Blick "langweilig" sind, aber beim 2-10x Hören immer und immer besser werden bis man dann sagt: WOW. Wat für ein geiles Album!!!
MeMyself&I
2005-09-01 19:29:57 Uhr
Danke, das Du es bemerkt hast - ich habe selber vorhin noch angestrengt aber erfolglos darüber nachgedacht, wo ich das ursprünglich herhabe, ansonsten hätte ich die Heinz Strunk Quellenangabe sicherlich mitgeliefert.
sadcaper
2005-09-01 19:15:17 Uhr
MeMyself&I :Die Stelle in deinem letzten Satz war von "Fleisch ist mein Gemüse" geklaut. Gib es zu!:-)
MeMyself&I
2005-09-01 19:02:47 Uhr
In einer gerechteren Welt würde sich der ganze Hass in diesem Forum nicht auf Sean Paul, Tokio Hotel, Bon Jovi und ähnliche Konsorten richten, sondern auf den größten Kotzbrocken und Nervtöter im deutschen Showgeschäft, Marius M-W - oder wie eine ganze Generation besoffener Disco-Vollprolls seinen Namen liebevoll rausgröhlt: Mooo-ri-us
Armin
2005-09-01 17:48:37 Uhr
CDM, VÖ 19.09.2005


WESTERNHAGEN - Alles ist möglich
Für die einen ist er immer noch die größte Rock-Röhre der Nation - für die anderen ist er der gereifte und sensible Songschreiber und Sänger, als der sich Marius Müller-Westernhagen auf seinem aktuellen Album Nahaufnahme zeigt. Alles ist möglich, die neueste Single-Auskopplung aus diesem Album, ist ein Song über das Geben und Nehmen in einer Beziehung, über blindes Vertrauen und die Kraft der Liebe. Ganz zurückgenommen - nur von Grand Piano und Flügelhorn begleitet - vermittelt sich darin die Essenz des Musikers. Oder wie sein Gitarrist und Co-Produzent Jay Stapley sagt: »Man hat das Gefühl, in seinem Kopf zu sein.« Es ist möglich, dass Alles ist möglich auf seiner am 10. September startenden großen Deutschland-Tournee zu einer weiteren Westernhagen-Hymne wird.
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