Half Cousin - The function room
Grönland / Virgin / EMI
VÖ: 21.02.2005
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Arme Kunst
Die Orkney Inseln scheinen so etwas wie das Finnland Großbritanniens zu sein. Denn die beiden Köpfe hinter Half Cousin stammen von dort und machen Musik, die wir so bisher nur von durchgeknallten Nordlichtern à la 22 Pistepirko kannten. Auch ohne die absolute Wodkafahne erweisen sich auch die Schotten als nimmermüde Tönesammler und obskure Ideenschmieder. Die Kombination von geräuschlichen Zufallsbekanntschaften, die entweder durch den Sampler geschreddert werden oder als verstörendes Element in ihrer Natürlichkeit daherkommen, mit allen möglichen und unmöglichen "echten" Instrumenten sowie pluckernd elektronischen Elementen läßt mit Vollgas die Eklektizismusgefahr links liegen und schafft eine schöne neue Welt.
Diese allerdings ist auf der einen Seite durchaus artifiziell, der künstlerische Anspruch ist an allen Ecken und Enden zu hören. Da gibt es Bezüge zur rumpeligen Rhythmusarbeit, wie sie aus Tom-Waits-Songs bekannt ist, genauso wie zurückgenommenstes Songwriting in der Nachfolge eines Nick Drake. Zwischendurch wagen sich immer wieder Beinahe-Dance-Tracks an die Oberfläche, die auch aus der Werkstatt der Franzosen von Phoenix stammen könnten. Doch trotz der Vielfältigkeit dieser Bezugspunkte atmet "The function room" nicht den Geist der Beliebigkeit. Dies wiederum mag an der Herangehensweise der Herren Cormack und Hogarth liegen: Wie in den Sechzigern in der bildenden Kunst, als Männer wie Mario Merz und Jannis Kounellis sich einzig Materialien aus der Natur (daher "arme Kunst") bedienten, um ihre beeindruckenden Werke zu schaffen, sind auch Half Cousin in erster Linie Sammler.
Sie greifen auf, was am Wegesrand liegt und überlegen bei allen Dingen, die Ihnen begegnen, wie sie sich wohl anhören, wenn sie im Studio in einen Musikkontext gesetzt werden. Ein Rauschen ist nicht länger nur ein Rauschen, wenn es wie in "Country cassette" leitmotivisch Atmosphäre schafft. Das Küchengeräte scheppernd so manches Drumkit ersetzen können, haben uns zuletzt ja auch die Damen von CocoRosie bewiesen. Doch die Kombination aus Jazzpiano, Aufzuggeräuschen, Plattennadelkratzen und Stereoeffekten haben wir so auch noch nicht gehört. Daß es zum Schluß aber eindeutig zu Abzügen in der B-Note für den künstlerischen Ausdruck kommen muß, liegt an der Wahl des letzten Tracks, einer Coverversion des Beatles-Klassikers "Girl". Wenn man einem guten Stück Musik keine neuen Ideen hinzuzufügen weiß, sollte man tunlichst die Finger davon lassen.
Highlights
- Canned laughter
- The diary fire
Tracklist
- Country cassette
- On the way down
- Half turn
- Mrs Pilling
- Billy Redglove
- Canned laughter
- KDK 12
- Hindsight
- Blue ruin
- Single boy
- Tiles
- The diary fire
- Girl
Gesamtspielzeit: 39:21 min.
Referenzen
Thomas Dybdahl; 22 Pistepirkko; Hood; Adem; Xiu Xiu; Arab Strap; Gomez; Tom Waits; Nick Drake; Leonard Cohen; Kaizers Orchestra; Die Avantgardistische Abendunterhaltung; Giant Robot; Spruce; Polar; Clem Snide; Tom McRae; Belle & Sebastian; CocoRosie; The Dresden Dolls; Psapp; Björk; Lali Puna