Wilco - The Wilco book

Distributed Art
VÖ: 01.12.2004
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Synapsensalat
Im scheinbar ewigen Auf und Ab des Lebens von Jeff Tweedy dürfte 2004 rückblickend als bewegtes, aber doch gutes Jahr durchgehen. Nicht nur, daß er seine chronischen Migräneanfälle und daraus resultierenden Schmerzmittelsüchte hinter sich gelassen hat. Mit "A ghost is born" haben Wilco auch ihre bisher schwierigste, ambitionierteste und experimentierfreudigste Platte gemeistert. Und wenn man bedenkt, daß ihr betriebstaubes Ex-Label ihnen vor drei Jahren noch verbieten wollte, sich mit dem weitaus weniger kratzigen "Yankee hotel foxtrot" aus der Alt.Country-Zwangsjacke zu befreien, dürfte allein diese Tatsache schon mehr als bloße Genugtuung sein. Jetzt haben Wilco es schließlich offiziell: Sie dürfen endlich machen, was sie wollen. Zeit für ein Buch, was?
Zeit für ein Buch. "The Wilco book" also, der Schinken, der hier nun so festlich vor uns liegt, ist von der ersten bis zur letzten Seite ein Liebhaberstück. Aufgezogen in luxuriösem Din-A4-Format, das glänzt wie frisch gewischt und stolze 25 Euro kostet. Anfangs noch sieht es aus wie ein Bilderbuch, reiht konfuse Collagen und "Kid A"-Gehirnwäsche zu codierten Geheimbotschaften aneinander. Wer aber nur ein bißchen blättert, stellt schleunigst fest, daß die Schwarte auch einiges zu erzählen hat. Sei es zu all den vielen Wilco-Instrumenten, die mit liebevollen Fotos und Kommentaren der Bandmitglieder unter die Lupe genommen werden. Oder von der Arbeit an "A ghost is born". Die mit "aufreibend" übrigens noch reichlich euphemistisch umschrieben wäre.
Was "The Wilco book" aber für einen Text in schwarz auf blau erst interessant macht, ist allerdings die sehnlich erwartete CD mit unveröffentlichten Wilco-Songs, die hier gut versteckt an der letzten Seite klebt. Liegengebliebene Reste der letzten beiden Studio-Sessions, Hotelroom-Outtakes und allerhand Sachen, die nirgendwo draufpassen wollten, niemals richtig fertig wurden. Oder anders gesagt: der wirklich harte Stoff. Tweedy und die Männer lassen nach Kräften die Sau raus. Und während Laptops flackern, Synthies lodern und Gesangsparts mit diffusen Sounds zugeschüttet werden, ist es vor allem Drummer Glenn Kotche, der besonders ausgelassen mit dem eigenen Schweinehund tanzt. Wir haben's ja gesagt. Ein Liebhaberstück.
Falsche Erwartungen an die Platte zum Buch sollten also beiseite geräumt werden: Wilco klemmen sich weder hinter die durchdeklinierte Pop-Perfektion von "Yankee hotel foxtrot", noch folgen sie den Spuren des akkuraten Gesamtkonzepts hinter "A ghost is born". Kleine Piano-Interludes wie "Diamond claw" folgen auf den epischen Postrock-Ansatz des instrumentalen "Pure bug beauty". "Barnyard pimp" hat den Blues an der Fransengitarre und steht gleich hinter "Doubt", das beinahe klingt, als wäre den Herren beim Studio-Abwasch ein Stapel Teller runtergefallen. Und "Hummingbird", das sich auf der "Ghost"-Platte noch an die Fersen des prunkvollsten Beatles-Pop heftete, wird diesmal durch die Hölle geschickt. Ohne Streicher. Aber mit Rauschen, Dröhnen und Wackeln. Gute Reise dann.
Daß in den zwölf Stücken immer wieder Motive aus "A ghost is born" auftauchen, läßt wohl darauf schließen, daß jenes auch gut und gerne noch ein ganzes Stückchen wilder hätte werden können. Und daß Jeff Tweedys Gesang hier bisweilen ziemlich erfolgreich Verstecken mit den Instrumenten spielt, macht es nicht leichter, den Eingang zur "Wilco book"-Platte zu finden. Ist aber geschenkt. Weil am Ende natürlich doch wieder angenehm kapriziöse, schleierhafte und wunderbar dickschädelige Musik übrig bleibt. Und all die kleinen Geschichten darüber zu lesen, ist alleine schon spannender, als 90 Prozent aller Platten, die 2004 veröffentlicht wurden.
Highlights
- Pure bug beauty
- Hummingbird
- Barnyard pimp
Tracklist
- Pure bug beauty
- This is new
- Diamond claw
- This is new (The explanation)
- What good am I
- Here comes everybody
- Hummingbird
- The hign heart
- Doubt
- Barnyard pimp
- Rottnest
- Hamami
Gesamtspielzeit: 39:06 min.
Referenzen
Loose Fur; Jim O'Rourke; Tortoise; Gastr Del Sol; Califone; The Sea And Cake; Can; Neu!; Faust; Stereolab; Merzbow; Jonny Greenwood; Four Tet; Fly Pan Am; Apostle Of Hustle; Rachel's; Joan Of Arc; Radiohead; Talk Talk; U.N.K.L.E.; DJ Shadow; My Bloody Valentine; Sonic Youth; Chokebore; Pere Ubu; John Frusciante; For Stars; The Folk Implosion; (Smog); Low; Arab Strap
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