Weeping Willows - Endless night

Grand / Virgin
VÖ: 03.04.2000
Unsere Bewertung: 9/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Punkrock in Moll
In Superlativen gehe ich persönlich eigentlich eher selten auf, aber dieses Album rechtfertigt das. Denn was die sechs Schweden auf ihrem zweiten Output abliefern verdient das Prädikat "zeitlos". Und man kann nur hoffen, daß den Weeping Willows, die sich nach einer Textstelle aus Johnny Cashs "Big river" benannt haben, der verdiente Durchbruch in Rest-Europa gelingt. "Endless night" ist die ultimative Herz(schmerz)platte, die man hören sollte, wenn man gerade von der/dem Geliebten verlassen wurde und zu der man genauso greifen sollte, wenn man mit der/dem Geliebten im Bett liegt. Denn auf "Endless night" befindet sich ein Dutzend brillanter Songs, die sich nur um Liebe und Leid in all ihren Formen drehen.
Beim Blick auf das Cover wird der geneigte Rezensent zunächst mal stutzig. Sticht hier doch der Cover-Abdruck der Kult-Platte "London callling" der Punkrock-Institution The Clash ins Auge. Das verwundert etwas, da die beiden Bands musikalisch nichts miteinander verbindet. Das Einzige, was das schwedische Sextett mit den Punkmeistern gemeinsam haben, ist die Radikalität. Während The Clash in ihren Songs konsequent ihre politische Einstellung vertreten, geben sich die Weeping Willows mit ihrer Musik radikal traurig und schaffen sogar das schier unglaubliche Kunststück, noch melancholischer zu klingen als die Tindersticks. Und sie absolvieren ihre Live-Auftritte dabei traditionell mit schwarzen Anzügen und einem stets gefüllten Glas Whiskey in der Hand.
Dennoch gehören die Schweden nicht in die Abteilung "depressive Verrückte", denn ihr Weltschmerz ist keineswegs morbider Natur, wie ihn beispielsweise Ville Valo und seine Mannen von HIM zelebrieren, sondern er ist vielmehr romantischen Ursprungs und in seiner poetischen Verklärung durchaus lebensbejahend. Solch große Gefühle erfordern natürlich auch große Musik. Und genau das ist das Metier von Sänger Magnus Carlson und seinen Mitstreitern. Ihre Songs sind pure Melancholie in Moll, eingegossen in wunderschöne Melodien und Refrains, die die Tränensäcke unter den Augen zum Platzen bringen. "There's no trust. Not anymore." lauten gleich die ersten Zeilen aus dem Opener "While I'm still strong" und in dem Stil sind alle Texte gehalten. "At the end of the rainbow I found my broken heart. I was a dreamer and you were my dream. Why did you leave?" fleht Carlson sehnsuchtsvoll ins Mikrophon und der hagere Mann, der in Schweden mit seinen Band bereits Superstardom genießt, kann einem schon richtig leid tun. Eingebettet sind die fragilen Texte in opulent arrangierte Song-Epen, die sich auch als stimmungsvolle Unterstreichung für Shakespeare-Dramen eignen würden. Die Weeping Willows malen eindringliche Klangbilder in den Himmel, der an all den wehklagenden Geigen, leise dahintutenden Bläser, sanften Piano-Klängen und betörenden weiblichen Background-Vocals manchmal zu zerbrechen droht. Aber die Band versteht es, gerade noch die Kurve zu kriegen, so daß die Songs zu keinem Zeitpunkt überladen wirken.
Natürlich ist "Endless night", kritisch gesehen, nichts anderes als Kitsch. Simple Botschaften, die in zwar kunstvolle, aber auch überaus ohrenfreundliche Musik eingepackt wurden - wahrscheinlich würde sich sogar meine Oma dieses Album kaufen. Zumal die Band in ihrem Sound gelegentlich Reminiszenzen an Altmeister wie Johnny Cash oder Elvis Presley einfließen läßt. Aber in all dieser Einfachheit steckt nun mal auch mehr als nur ein Körnchen Wahrheit drin und deshalb funktioniert die Musik der Weeping Willows so wunderbar. Die Texte und Melodien graben sich tief in Gehör und Kopf ein, und lassen sich nur schwer wieder vertreiben. Außerdem - was ist schon Schlimmes dabei, sich ab und zu hemmungslos romantischen Tagträumereien hinzugeben? And now "I close my eyes"... .
Highlights
- While I\'m still strong
- True to you
- When you are asleep
- Broken promise land
Tracklist
- While I'm still strong
- True to you
- Emptiness
- I close my eyes
- By the river
- When you are asleep
- The truth in your eyes
- Stay with me
- Nothing or all
- Looking for a home
- Endless night
- Broken promise land
Gesamtspielzeit: 48:13 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Sticky Ricky |
2012-04-19 01:15:22 Uhr
*Push* für diese großartige Nachtmusik! |
Dicky |
2012-04-17 22:57:10 Uhr
Bestes Album bei Liebeskummer ever! Zurecht 9/10 bei PT. True to you ist bombastisch. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Rialto; Tindersticks; Sophia; Gene; Embrace; Belle & Sebastian; Gorky's Zygotic Mynci; Mojave 3; Manic Street Preachers; The Montgolfier Brothers; Anywhen; The Delgados; Madrugada; The Cure; Johnny Cash; The Smiths
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- Weeping Willows - Presence (23 Beiträge / Letzter am 23.11.2016 - 18:05 Uhr)
- Weeping Willows - Endless Night (2 Beiträge / Letzter am 19.04.2012 - 01:15 Uhr)