Die Anarchistische Abendunterhaltung - Tub gurnard goodness
Radical Duke / PIAS / Rough Trade
VÖ: 15.11.2004
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Hermannsdenkmal
Es gibt sie also noch, jene kleinen literarischen Bastionen, die selbst die Elke Heidenreichs dieser Welt nicht zu stürmen vermögen. Der "Steppenwolf" von Hermann Hesse ist ein solches Werk. Denn seit langer Zeit schon erfreut sich dieser Roman bei der Jugend der Welt als größter deutscher literarischer Exportschlager kontinuierlicher Beliebtheit. Das Faible der Belgier von DAAU für eben jenen Hesse ist gar so groß, daß sie gar eine Passage aus dem "Steppenwolf" im Bandnamen zitieren. "Anarchistische Abendunterhaltung! / magisches Theater / Eintritt nicht für Jedermann / nur für Verrückte / Eintritt kostet den Verstand."
Beim Eintritt in die musikalische Welt der Anarchistischen Abendunterhaltung, beim Drücken der Play-Taste für deren Album "Tub gurnard goodness" also, darf der Verstand gerne an der Kasse zurückgelassen werden. Der nahezu durchgehend instrumentale Orkan verschiedener Streichinstrumente klingt im einen Moment noch wie ein Soundtrack zu einem noch nicht geschriebenen Psychothriller, im nächsten Augenblick dann wieder wie Musik, die Amelies Welt so fabelhaft macht. Stakkatoartig bewegen sich in der Musik von DAAU Bögen über die Geigen. Dazu gibt es mit Klarinette, Geige und Akkordeon allesamt Instrumente, die eigentlich so gar nicht zum Pop-Utensilien-Kanon zählen.
Der Variantenreichtum auf "Tub gurnard goodness" ist beeindruckend: In der Anarchie der Instrumente braucht es keine ordnende Hand. Alles fügt sich zu immer neuen Stilen und wird in "A funny little feeling" gar zu einer kleinen Reggae-Nummer, bei der eine weibliche Stimme für karibische Klänge sorgt. Für vertraute Töne sorgt auch der Song "Of r*d*h*d", er entpuppt sich beim näheren Hinhören (oder beim Studium des Booklets) als eine Interpration des Radiohead-Stückes "2+2=5". Doch diese Ausflüge ins vermeintlich "leichte" Entertainment bleibt die Ausnahme. Mit Pop hat Die Anarchistische Abendunterhaltung eher wenig am Hut. "Tub gurnard goodness" bietet vielmehr eine feine Melange aus Jazz und Klassik. Die Belgier haben es sich in einer kleinen Nische der Kulturindustrie bequem gemacht, wo es sich frei musizieren läßt. So frei von kulturellen Vorgaben vielleicht, wie es der Steppenwolf von Hesse beizeiten fühlt.
Highlights
- My goodness! poetry
- Is this it?
- Of r*d*h*d (2+2=5)
Tracklist
- My goodness! poetry
- Off the record
- Is this it?
- Raw like milk
- The guts
- Of r*d*h*d (2+2=5)
- A funny little feeling
- Catfish blues
- A shortcut to the edge
- Even more lost souls
- In my midnight skies
- Two fast dreams
Gesamtspielzeit: 52:25 min.
Referenzen
Yann Tiersen; Philip Glass; Michael Nyman; Rachel's; Rothko; Godspeed You! Black Emperor; Apostle Of Hustle; Broken Social Scene; Tortoise; The Album Leaf; Mouse On Mars; Boards Of Canada; Björk; Múm; Under Byen; dEUS; Jonny Greenwood; Radiohead; Four Tet; Giardini Di Mirò; Mr. Bungle; Fantômas; Sigur Rós; Mogwai; The Sea And Cake; The Divine Comedy; Firewater; The Klezmatics; Steely
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