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Interpol - Antics

Interpol- Antics

Matador / Labels / EMI
VÖ: 27.09.2004

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Heart and soul

Manchmal sind Platten schrecklich einfach. Sie fliegen einem zu, greifen Song für Song ineinander, präzise wie Zahnräder. Nichts stört den Fluß, alles paßt zusammen. Einmal, vielleicht zweimal passiert einem das. Im Jahr, im Leben? Wir wissen es nicht. Aber "Turn on the bright lights" war so eine Platte. Sie klang wie am Stück geschrieben, ausgedacht über den Dächern von Manhattan, einmal runtergespielt im Tonstudio auf der Lower East Side. Fertig, perfekt. 49 Minuten einer New Yorker Nacht. Und womöglich das beste Album der Stadt seit "The Velvet Underground & Nico". "Antics" ist keine solche Platte.

"Antics", heißt es genauer, "Antics" war ein Kampf. Ein Kind der monatelangen Tourneen, um diverse Schreibblockaden herum geschrieben, und Sekunde für Sekunde aus endlosem Tonbandsalat ausgeschnitten. Nicht nur, daß es die Nachfolge der peinlichen Verlegenheits-"Black"-EP antreten muß. Es wird auch noch von vornherein als der kleine, häßliche Bruder von "Turn on the bright lights" verschrien werden. Anders kann es gar nicht kommen, und anders wird es auch nicht kommen. "Antics" ist tatsächlich der kleine, häßliche Bruder. Weniger erhaben, weniger elegant und weniger geliebt. Aber auch diese Platte hat ein Herz. Und wieder leuchtet es im Dunklen.

Bis dahin ist es diesmal aber kein kurzes Stück. Interpol waren bemüht um die alte Einfachheit. Man kann es sehen, am farbarmen Artwork von "Antics". Und man kann es auch hören. Die Platte klingt wie am Lineal entlang gezogen. Auf kreidebleichem Papier, mit ganz spitzem Bleistift. Kaum was ist übrig von den verschlüsselten Texten des Debüts. "The trouble is / That you're in love with someone else / It should be me", heißt es jetzt in "C'mere", einem der vielen kompromißlos begradigten Dreiminüter. Wenn schon die Menschen, die Beziehungen, das Leben nicht einfach sind, dann soll es doch wenigstens die Musik sein. Nur dieses eine Mal noch. Aber selbst diese Rechnung geht nicht auf.

Eine ehrwürdige Orgel rollt zum Auftakt rote Teppiche aus, doch "Next exit" ist nicht in Feierlaune. Eine zähe Zicke, langsam und länglich, scheinbar ohne echtes Interesse daran, einen in die Platte reinzuschieben. Und tatsächlich wird es seine Zeit brauchen, bis man nicht mehr verloren zwischen diesen neuen Interpol-Songs steht. Vielleicht wird es sogar mehr Zeit brauchen, als manch einer hat oder haben will. Aber irgendwann ist die Platte über den Berg. Man wird sich später nicht an den genauen Zeitpunkt des Knackpunkts erinnern. Vielleicht der Refrain von "Slow hands", vielleicht das Ende von "Length of love". Wir wissen es nicht. Es ist uns egal.

Es zählt ja nur: Der Moment kommt. Der Moment, in dem Interpol eben doch wieder die beste Band auf der Welt sind. Wenn sie "Not even jail" aufschichten, zu fünfeinhalb Minuten und tausend leeren Gedanken. Das furchtlose "Evil" und seinen himmelweiten Refrain ans offene Messer liefern. Oder mit "Take you on a cruise" über ihren bisher längsten Schatten springen. Alles läuft, alles stoppt, vieles dreht sich. Nur Paul Banks bleibt unbewegt. Er raucht und singt mit seiner dämonenbesetzten Stimme. "I am a scavenger / Between the sheets of union." Es zieht und zerrt wieder dort, wo es am meisten wehtut. An den dunklen Stellen unserer weißen Seelen. "Can we all hold hands?"

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • Evil
  • Slow hands
  • Not even jail
  • Length of love

Tracklist

  1. Next exit
  2. Evil
  3. Narc
  4. Take you on a cruise
  5. Slow hands
  6. Not even jail
  7. Public pervert
  8. C'mere
  9. Length of love
  10. A time to be so small

Gesamtspielzeit: 41:40 min.

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