Lucky Jim - Our troubles end tonight
Skint / Sony
VÖ: 03.05.2004
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
United boredom
Auf der ersten Seite von Kingsley Amis' Roman "Lucky Jim" wird beschrieben, wie sich so ein Morgen nach zu viel Alkohol anfühlt. Diese dumpfe Erschöpfung, diese Unfähigkeit, sinnvoll zu agieren. Energielosigkeit. Die erste Seite des Booklets zu "Our troubles end tonight" ziert ein Foto aus "The coming of sin", einem Softporno aus den 70ern. Auch dort kann es, wie die Genre-Bezeichnung schon andeutet, nur begrenzt zur Sache gehen. Was diese beiden Feststellungen mit dem Debüt-Album von Gordon Grahame und Ben Townsend zu tun haben? Eine ganze Menge. Denn das ist ungefähr genauso unspektakulär. Schlüpfrige Zeilen wie "Lover, you are weary / Come and rest between my thighs" setzen dem Folkpop-Ennui auch nichts Wirkungsvolles entgegen. Diese Platte hätte dringend Viagra nötig.
Szenenwechsel: Ein Cowboy reitet nach einem Durchschnittstag durch die Abenddämmerung. Lucky Jim würden mit ihren unauffälligen Akustikgitarren-Liedchen eine adäquate Hintergrundmusik liefern, die nicht vom Geschehen ablenkt. Ein wenig bedenklich, denn es passiert ja ohnehin schon nichts. Zuhörends bemüht sich das Duo aus Brighton um nette Melodien, und "You're lovely to me" ist schon ein bezauberndes, in ein ruhiges Streicherkissen gebettetes Song-Perlchen, das durchaus aus dem Hause Dylan stammen könnte. Aber: Zwischen schlichter Schönheit und simpler Schlichtheit besteht nun mal ein großer Unterschied. Und so zieht sich Lucky Jims Erstling teilweise wie ein einsamer Ritt durch die Prärie.
Umso erstaunlicher, daß das englische Kultlabel Skint, auf dem u.a. Fatboy Slim zu Hause ist, Lucky Jim als erstes Nicht-Dance-Signing überhaupt unter Vertrag genommen hat. Die erste Singleauskopplung "You stole my heart away" plätschert unter schon hundertmal gehörtem Retro-Georgel in einem Bächlein aus Mittelmäßigkeit so vor sich hin. Das Titelstück erinnert verdächtig an Neil Young zu "Harvest"-Zeiten, gemixt mit ein paar mexikanisch anmutenden Bläsern, die sich das Duo bei Calexico ausgeliehen haben könnte. Einzig überraschend: leichtes Elektronik-Geschwurbel, welches hin und wieder - wie eine von einem anderen, aus Frankreich stammenden Duo eilig zugestellte "Air"-Mail - in der Langeweile-Landschaft auftaucht.
Der Roman "Lucky Jim" ist eine Satire. Diese Platte vielleicht auch? Dies würde jedenfalls das monoton-rhythmische "The honeymooners" erklären, ein durch spanisch angehauchtes Gitarren-Gezupfe musikalisch äußerst strapaziöses Rezitativ-Stück, das nach Jarvis Cocker ruft. Aber es kommt bloß die "Army of lovers". Und auch bei dem kitschig-schnulzigen Klischee-Country von "Westwards we're headed" muß Ironie im Spiel sein. Das geht gar nicht anders. "You watch the horizon / If there's a star risin'." Lucky Jim heißt der wohl nicht.
Highlights
- You're lovely to me
Tracklist
- You stole my heart away
- You're lovely to me
- Our troubles end tonight
- Leah
- Lesbia
- Almeria
- The honeymooners
- Westwards we're headed
- My soul is on fire
- Endless night
Gesamtspielzeit: 44:24 min.
Referenzen
Bob Dylan; Van Morrison; Neil Young; Gram Parsons; Nicolai Dunger; Tindersticks; Lee Hazlewood; Scott Walker; John Martyn; Arthur Lee; Ewan McColl; Leonard Cohen; Nick Cave; Wilco; Calexico; Ryan Adams; Turin Brakes; Phil Spector; Serge Gainsbourg; The Sleepy Jackson; Souled American; Ed Harcourt; David Gray; Tom McRae; Josh Rouse; Alfie; Badly Drawn Boy; Pulp; South; Air
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Lucky Jim (28 Beiträge / Letzter am 30.05.2009 - 10:26 Uhr)
- Lucky Jim - All the kings horses (2 Beiträge / Letzter am 13.10.2006 - 16:10 Uhr)