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Nemo - Arthouse

Nemo- Arthouse

Better Now / Universal
VÖ: 10.10.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Party, Pop und Pöbelei

"I believe in music / This shit can change your life": Nemos Glaube an die transformative Kraft von Musik hat der Sieg des Eurovision Song Contest 2024 wohl endgültig bestätigt. Doch statt über Nacht mit heißer Nadel ein Begleitalbum zum Gewinnersong "The code" zu stricken, um den Schwung aus Malmö möglichst effizient mitzunehmen, hat das Schweizer Gesangstalent sich zunächst in Klausur begeben: Erst eineinhalb Jahre später erscheint "Arthouse" auf den Bildflächen. Während mittlerweile der Österreicher JJ mit ähnlich opulentem Opern-Pop auf dem ESC-Thron sitzt, schlüpft Nemo in verschiedenste Kostüme und dreht grellbunte Musikvideos – die dem Albumtitel innewohnende visuell-cineastische Komponente ist untrennbar mit dem Gesamtkunstwerk verbunden. "Arthouse" gilt noch dazu im Wortsinn. Denn das Album ist trotz allen Mainstream-Appeals nicht an seichtem Radiokram interessiert, sondern präsentiert Nemo als selbstbewussten künstlerischen Act.

So verzichtet "Ride my baby" auf einen offensichtlichen Mitsing-Refrain und lässt seinen Stampf-Beat stoisch nach vorn marschieren, bis Jungle-Beats, großflächige Synths und allerlei stimmliche Verrenkungen zu einem riesigen Durcheinander verschmelzen. Anschließend zeigt Nemos Langspieldebüt sich melodischer, ohne jedoch auf komplexe Arrangements zu verzichten. Diesen fein austarierten Pop-Spagat bringt "God's a raver" perfekt auf den Punkt und appelliert gekonnt und ganz dem ESC-Spirit entsprechend an eine queere Party-Crowd: "If there's a God / We just met at the gay bar / She is a raver / Just like me." Garniert wird das Ganze durch einen Gaga-artigen Sprech-Part. Know your audience! "Casanova" gesellt sich fröhlich dazu und demonstriert, warum Scissor Sisters früher einmal einige Hits hatten. Das im positiven Sinne zappelige "Hocus pocus" setzt sich ebenso frech im Ohr fest.

Freilich gehört zum Nemo-Gesamtpaket auch immer ein Hauch von Provokation: In "Eurostar" crasht ein Freddie-Mercury-Musical-Chorus mitten in feinstes EDM-Geholze, das mindestens Erinnerungen an Loreen, wenn nicht sogar Ruslana hinaufbeschwört. Paneuropäisches Miteinander im Schnellzug nach Paris. Der schrille Funk-Hüpfer "Easy" treibt das Genre-Karussell weiter – aber längst nicht bis zum Ende. Nemo begreift sich nämlich außerdem als Hip-Hop-Act. Zeugnis dessen sind Rap-Parts à la Tyler Joseph, die im Titeltrack oder besonders in "Frog swamp" einen erstaunlichen Flow erzeugen. Bevor Mia Gladstone letzteren Song niedersäuselt, sprechschreit Nemo sich in Ekstase – mit den vielleicht prolligsten Lyrics, die man aus queerer Perspektive bislang gehört hat. Talk about range! Die schonungslose Selbstfindungsballade "Unexplainable", durch die Performance beim diesjährigen ESC-Finale bereits berühmt-berüchtigt, glänzt hingegen wieder durch herausragende Vocals quer durch alle Tonlagen.

Im Endeffekt ist "Arthouse" zwar überdreht, aber auch nicht derart campy oder artsy, wie man hätte befürchten können. Gleichzeitig beweist es, dass Nemo nicht nur einen Trick auf Lager hat: Die Opern-Einlagen werden keineswegs überstrapaziert, sondern dürfen bloß hin und wieder die Songs veredeln, wie etwa in der Heartbreak-Ballade "Black hole". Die größte Ausnahme ist und bleibt "The code" – immer noch ein völlig schräger Fiebertraum von einem Drei-Minuten-Song zwischen Eurotrash, Rap und Mozarts Zauberflöte, der noch dazu die binäre Geschlechterordnung mit Bravour zerstört. Dieses Level an Irrsinn nicht zu wiederholen, soll aber Nemos Schaden nicht sein, zumal musikalisches Empowerment oft auch ohne Extravaganz funktioniert. Neben den Aufrufen zur Selbstliebe und dem konsequenten Feiern von Diversität steht dann auch gleichberechtigt ehrlicher Hedonismus: "Life's too short to ever get bored / I wanna get messy." Mit dieser erstaunlich wirksamen Pop-Platte ist Nemo auch das in jedem Fall gelungen.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • God's a raver
  • Casanova
  • Frog swamp (with Mia Gladstone)
  • The code

Tracklist

  1. Front door
  2. Ride my baby
  3. God's a raver
  4. Casanova
  5. Eurostar
  6. Arthouse
  7. Easy
  8. Hocus pocus
  9. Frog swamp (with Mia Gladstone)
  10. Black hole
  11. One more shot
  12. Unexplainable
  13. I got high at the party
  14. The code

Gesamtspielzeit: 43:37 min.

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Armin

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2025-10-15 19:43:00 Uhr - Newsbeitrag
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