The Last Dinner Party - From the pyre
Island / Universal
VÖ: 17.10.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Die feine Klinge
Live-Konzerte können nicht nur Ereignisse kollektiver Ekstase sein, sondern dienen den Menschen auf der Bühne oft auch als Versuchslabor. Bevor The Last Dinner Party ihr gefeiertes Debüt "Prelude to ecstasy" letztlich veröffentlichten, testeten und formten sie die Songs jahrelang anhand der Reaktionen eines Live-Publikums. Der keine zwei Jahre später erscheinende Nachfolger "From the pyre" erlaubte sich diesen Luxus nicht, doch suggerierte die enorme Online-Resonanz nach der ersten Darbietung der Lead-Single "This is the killer speaking", dass es einen solchen auch gar nicht braucht. Der Hype um die fünf Britinnen ist noch lange nicht verraucht. Ihre Musik – ein beseelter und eigenständiger Siebziger-Schmelztiegel aus Art-, Glam- und Barock-Rock mit hoher Indie-Sensibilität – muss sich dennoch der Frage stellen, ob sie auch losgelöst von der großen Fan-Begeisterung standhält. Die Antwort ist im Fall von "From the pyre" ein dickes "ja" mit einem kleinen "aber".
Angesichts des besagten "This is the killer speaking" ist letzteres noch kaum vorstellbar. Wie der Track seine schleppenden Strophen in einem Fleetwood-Mac-Refrain explodieren lässt und im Finale die Streicher aufdreht, strahlt mit jeder Pore die Aura eines Instant-Klassikers aus. In ihren Artworks und Shows legen The Last Dinner Party viel Wert auf eine wiedererkennbare Ästhetik, doch in ihrer Musik gibt es keine leere Theatralik. Gleich der Opener "Agnus dei" beweist die konstante Stilsicherheit, vermengt Kate-Bush-Manierismen, Grand-Piano-Anschläge und Gitarren-Hooks, ohne das Songwriting im Kern zu ersticken. "Count the ways" spielt mit dem Kontrast von düster-bluesigen Riffs im Geiste von The Kills und Co. zu orchestralen Flugmanövern, ehe "Second best" mit seinen Rhythmuswechseln zwischen Post-Punk und Disco-Ausflügen pendelt. Für eine Platte, die sich laut ihres Titels gerade auf dem Scheiterhaufen befindet, strotzt "From the pyre" vor einer unheimlich lebendigen Energie.
In Sachen Dynamik sticht besonders "Rifle" heraus, das zwischen zärtlicher Leisetreterei und Hard-Rock-Ausbrüchen mehrere falsche Fährten legt und an einer Stelle sogar ins Französische wechselt. "Crush to dust / All you love / Does it feel good / Spilling blood?", fragt Abigail Morris im Refrain – weder das erste noch das letzte Mal, dass es in den Texten von The Last Dinner Party martialisch zugeht. "I don't know if I'd be a good mother / I dreamt that you cut off your arm", lauten gleich die ersten Zeilen von "I hold your anger", in dessen Lyrics Weiblichkeitsreflexionen auf Led-Zeppelin-Referenzen treffen und die Protagonistin plötzlich wieder ein Messer in der Hand hält. Bei der Vorliebe für pagane Ästhetik und metaphorische Waffen verwundert es nicht, dass ein Song "The scythe" heißt – erstaunlich ist allerdings, wie das Stück eine wundervolle, an Florence & The Machine erinnernde Melodie aus dem Ärmel schüttelt und eine morbid-schöne Bildsprache fürs Verliebtsein findet: "Next time you call, I'll be your girl / You'll be in silk and I wear my furs / We can go out, I feel your mouth / Open me up / Butcher my heart / Please let me die on the street where you live."
Neben einem solchen Highlight gibt es in der zweiten Albumhälfte jedoch auch "Woman is a tree", das seine Aufbäumungen etwas ungelenk inszeniert, oder "Sail away" – eine im Wesen schöne Klavierballade, die bei aller Güte den Eindruck verstärkt, dass die allergrößten Stärken von The Last Dinner Party nicht in ihren ruhigen Momenten liegen. Schleuderte "Prelude to ecstasy" noch diverseste Stile mit enormer Abgeklärtheit zusammen, geht "From the pyre" etwas zurückhaltender und weniger eklektisch als das Debüt zu Werke, was es eine Spur weniger mitreißend macht. In diesem Sinne fackelt auch der Closer "Inferno" kein solches ab, sondern zieht den Vorhang als luftiger Popsong zu. The Last Dinner Party haben es auch gar nicht nötig, den Erwartungen von Kritik und Fans mit gleicher Lautstärke entgegenzuschreien und die Stimmung weiter aufzuheizen. Auf dem Scheiterhaufen ist es ohnehin schon warm genug.
Highlights
- Agnus dei
- This is the killer speaking
- The scythe
Tracklist
- Agnus dei
- Count the ways
- Second best
- This is the killer speaking
- Rifle
- Woman is a tree
- I hold your anger
- Sail away
- The scythe
- Inferno
Gesamtspielzeit: 42:58 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Jens Böhnemann Postings: 404 Registriert seit 07.10.2025 |
2025-10-24 19:39:44 Uhr
Krass, nicht an Taylor vorbeigekommen. Das wird sie ankotzen. |
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MickHead Postings: 8156 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-10-24 19:04:34 Uhr
Ganz aktuell:UK Albums Chart # 2 UK Physical Albums Chart # 1 UK Update Albums Chart # 1 UK Albums Sales Chart # 1 UK Vinyl Albums Chart # 1 UK Albums Downloads Chart # 4 UK Record Store Chart # 1 UK Albums Streaming Chart # 70 Scottish Albums Chart # 1 Irish Albums Chart # 22 |
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Huhn vom Hof Postings: 9115 Registriert seit 14.06.2013 |
2025-10-22 10:39:27 Uhr
"Second Best" ist genial. Ich hoffe, ich kann das Album noch auf CD erstehen (in meiner Stadt fehlt ein Plattenladen). |
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Arne L. Postings: 2336 Registriert seit 27.09.2021 |
2025-10-22 10:09:04 Uhr
Decent to strong 7 von Fantano. |
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Denniso Postings: 34 Registriert seit 19.06.2015 |
2025-10-21 22:10:44 Uhr
Ich nehme nur Track 3 bis 5, bin dann aber bei Dir. Insbesondere "Second best" ist eine wilde Fahrt. Vielleicht ihr bestes Lied und in meiner Jahresbestenliste weit oben. |
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Referenzen
Sparks; Kate Bush; David Bowie; Elton John; Wolf Alice; Florence & The Machine; Luvcat; St. Vincent; The Dresden Dolls; Amanda Palmer; Anna Calvi; PJ Harvey; Nick Cave & The Bad Seeds; Declan McKenna; Haim; The Big Moon; Black Honey; Porridge Radio; Arctic Monkeys; The Last Shadow Puppets; The Dears; The New Pornographers; The Wombats; Arcade Fire; Japanese Breakfast; Fleetwood Mac; Siouxsie And The Banshees; Heartworms; Mary In The Junkyard; The Beaches; Marina; Caroline Polachek; Hayley Williams; Roxy Music; Led Zeppelin
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