Bar Italia - Some like it hot
Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 17.10.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Krachendes Auge
In Zeiten digital geteilter Privatleben und immer stärker verschwimmender Grenzen zwischen Kunst, Künstler*in und Publikum ist Anonymität nicht nur ein kostbares Gut, sondern auch eine Attraktion. Bar Italia haben sich dies zunutze gemacht, verbargen eine Zeit lang ihre Gesichter und gaben keine Interviews. So bauten sie einen beachtlichen Hype um ihr Debüt "Tracey denim" auf. Nun sind die drei Katzen spätestens seit dem schnell hinterhergeschossenen Zweitling "The twits" endgültig aus dem Sack, doch der Musik auf ihrem dritten Album tut das keinen Abbruch. Nina Cristante, Jezmi Tarik Fehmi und Sam Fenton schlurfen wieder dreistimmig durch ihren zerschossenen Indie-Rock, der wahlweise an Disco-Wänden rüttelt oder hypnotisch seine Kreise zieht. Angesichts des kontrollierten Chaos und der Reibungen zwischen drei skurrilen Charakteren ist "Some like it hot" ein gar nicht mal unpassender Titel. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Marilyn Monroe einen dieser zwölf Tracks auf ihrer Ukulele nachgespielt hätte.
Bei der Verstärker-Energie eines Songs wie "Fundraiser" wäre das auch ganz schön witzlos. Bar Italia spielen ihre Riffs, als wär's 2005, Cristante und Fenton übergeben sich den Staffelstab, während ihnen Fehmis leicht Goofy-esk überschwappendes Organ in die Parade fährt. Auf der in London und Mexiko-Stadt aufgenommen Platte wollte das Trio sowohl seine Live-Power einfangen als auch organisierter und planvoller als auf den Vorgängern zu Werke gehen. Diese beiden etwas widersprüchlichen Ansätze prägen "Some like it hot" im Sinne seines Abwechslungsreichtums positiv. Nach der Tanzflächenattacke des Openers nimmt das von Cristante dominierte "Marble arch" das Tempo direkt raus, überführt seine luftigen Gitarrenbewegungen in eine schlicht wundervolle Refrain-Melodie. "Bad reputation" behält die akustische Zurückhaltung bei, klingt mit leichtem Vaudeville-Einschlag und Fake-Streicher-Schwung wie etwas, das sich Peter Doherty in seinem Normandie-Dorf Apfelwein sippend ausgedacht haben könnte.
Die erste Single "Cowbella" entwickelt wieder mehr Zug, schlängelt sich als gletschercooler Groover in den Vordergrund. Im Zentrum steht eine mysteriöse Frau, der Cristante fragend begegnet, während Fehmi keinen Hehl aus seiner Zuneigung macht: "You'll always be the answer / Yeah, you'll always be my freak." Zwingender auf den Indie-Dancefloor drängt nur der stürmische Post-Punk von "Eyepatch", dessen Beat sich stellenweise im weißen Hi-Hat-Rauschen auflöst. Doch Bar Italia beeindrucken am meisten in ihren eleganteren Momenten. "Lioness" bringt die auch auf den vorigen Platten präsente Shoegaze-Ästhetik zurück und lässt seine grandiose Hook umso heller strahlen, indem es sie nicht mehr als zweimal zündet. Den sägendsten Saitenkrach sparen sich die drei interessanterweise für die Klimax von "The lady vanishes" auf, einer mitternachtsschweren Ballade, die zwischenzeitlich fast im Schatten verschwunden wäre.
Das Faszinierendste an Bar Italia ist weiterhin, dass sie trotz der noch immer distanzierten Attitüde und gelegentlicher stilistischer Schraubenlockerungen sowohl inhaltlich als auch musikalisch stets nahbar bleiben. Der besonders einnehmende, psychedelische Fünfeinhalb-Minuten-Strudel "Rooster" ist in seinem Herzen ein einfaches Liebeslied: "My life is taken over by this / You can't forget about the target you missed / I was lost to the world, yeah, from the moment we kissed." Ein grobkörniger Neunziger-Rocker wie "I make my own dust" kann friedlich neben einem feinfühligen Akustikstück wie "Plastered" existieren, weil beide nie die Eingängigkeit aus dem Blick verlieren. Die größten Ambitionen heben sich Bar Italia für den Schluss auf: Der Titeltrack baut sich mit Piano-Anschlägen auf, woraus sich ein von bluesigen Licks geschmückter Groove schält, den Fenton in ein intensives Finale überführt. Wer da noch klassische Musik präferiert, kann wirklich nur ein verliebter Fake-Millionär sein.
Highlights
- Marble arch
- Rooster
- Lioness
- Some like it hot
Tracklist
- Fundraiser
- Marble arch
- Bad reputation
- Cowbella
- I make my own dust
- Plastered
- Rooster
- The lady vanishes
- Lioness
- Omni shambles
- Eyepatch
- Some like it hot
Gesamtspielzeit: 45:05 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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saihttam Postings: 2729 Registriert seit 15.06.2013 |
2025-10-30 00:17:00 Uhr
Lustig! Auch vorhin diese beiden Alben direkt hinteinander und zum ersten Mal gehört. Würde dir vermutlich beipflichten. |
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Glufke Postings: 1218 Registriert seit 15.08.2017 |
2025-10-18 18:44:15 Uhr
Bisher eine leichte Enttäuschung für mich. Einige gute bis sehr gute Einzelsongs, aber auch viel Mittelmaß. Da überzeugt mich das neue Album von Elias Rønnenfelt wesentlich mehr, das vom Sound her in eine ähnliche Kerbe schlägt. |
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MickHead Postings: 8157 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-10-17 20:56:55 Uhr
Komplette Playlist bei YouTube:https://youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_maoXuyQbXmz8vSGB2vuuzQkgd4Qvyc3ng&si=SdUq4gsk_urtXnAs Rolling Stone 4/5 https://www.rollingstone.de/reviews/bar-italia-some-like-it-hot/ |
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MickHead Postings: 8157 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-10-16 17:46:29 Uhr
CLASH 8/10https://www.clashmusic.com/reviews/bar-italia-some-like-it-hot/ |
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 29538 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-10-15 19:41:25 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Nina; Double Virgo; The Crying Nudes; Blonde Redhead; Water From Your Eyes; Horsegirl; Font; Dry Cleaning; English Teacher; Sorry; Porridge Radio; The Breeders; The Jesus And Mary Chain; King Krule; Wednesday; Guided By Voices; Pavement; Sonic Youth; Slowdive; Feeble Little Horse; Hotline TNT; Spirit Of The Beehive; DIIV; The Libertines; Babyshambles; Peter Doherty; The Velvet Underground; Josef K; Television; Talking Heads; The Pastels; Yves Tumor; Good Sad Happy Bad; Joanne Robertson; Asger Hartvig
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