Other Lives - Volume V
PIAS / Rough Trade
VÖ: 10.10.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Wall of Wohlklang
Da waren sie wieder. In Stillwater, nördlich von Oklahoma City gelegen. Wo alles begonnen hatte, sie ihr Debüt und "Tamer animals" aufgenommen hatten. Leadsänger Jesse Tabish reiste aus Cleveland an, Jonathon Mooney aus New York City und Josh Onstott aus Los Angeles. Erklärtes Ziel war es, das Gefühl, in die Heimatstadt zurückzukehren, auf "Volume V" zu transportieren. Dafür zogen sich Other Lives unter anderem in das Stillwater History Museum zurück. Dass dieses einst eine Kirche war, trifft sich gut. Angst vor Pathos hatten die Indie-Darlings bekanntlich nie. Doch auf ihrem fünften Album scheuen sie sich nicht, nochmal zwei Schichten Ergriffenheit draufzulegen. Für die sorgen in erster Linie Gastviolinist Patrick Conlon und Gastblasmusikerin Christina Giacona. So auch in "Show us us some love", einem orchestralen Breitwand-Ohrwurm über ein Gespräch mit Gott. Einen solchen muss man sich auch erst mal trauen. Dank ihrer Songwriting-Qualitäten meistern Other Lives selbst diese Herausforderung. Mit Bravour wohlgemerkt. Und einem außergewöhnlich filigranen instrumentalen Outro.
Sobald im Opener "Mystic" Jesse Tabishs unverkennbare, kein bisschen gealterte Stimme die mannigfaltige Percussion und die offensiven Streicher ergänzt, als sei sie ebenfalls ein Instrument, fühlt man sich selbst wieder zu Hause, umgeben von einer so fluffigen wie undurchdringbaren Wall of Sound. Tabish gelingt es, Trost zu spenden angesichts der unbarmherzigen Welt, die außerhalb der flauschigen Klangfestung lauert. Reiner Eskapismus wird diesmal jedoch keineswegs geboten. Bei "What's it gonna take" handelt es sich um eine im Angesicht des russischen Überfalls auf die Ukraine geschriebene Hymne über die Verteidigung der Heimat. Kim Tabishs Backing Vocals erinnern an eine traurigere Version von Cass Elliot und Michelle Phillips, den einstigen Mamas neben den Papas. Während man bei so vielen anderen Kapellen am liebsten die größten Ohrwürmer aufgrund ihrer Penetranz und ihres offensichtlichen Singleauskopplungs-Daseins von den LPs fegen würde, verhält es sich bei Other Lives weiterhin entgegengesetzt, wie der Refrain von "What's it gonna take" zeigt: Die Songs mit den einprägsamsten Hooks bleiben ihre bezauberndsten.
Neben dem Blick auf den Zustand der Welt und den soundtrackartigen Instrumentals "Heading West" und "Outro" (nein, nicht der letzte Song) bleibt selbstverständlich auch Zeit für die Liebe. Etwa in "Read my mind" mit seinem zum Niederknien schönen Refrain. Dass Jesse und Kim Tabish in ihrem Duett in die Rollen von Vampir und Vampirin schlüpfen, hätte man angesichts des gewohnt zuckersüßen Timbres und der harmonischen Pianoakkorde ohne eine zugehörige Erklärung kaum bemerkt. Die großartigen Gesangsleistungen und die wuchtige Instrumentierung machen die thematisch sehr breitgefächerten, aber fast durchweg vagen Lyrics zur Nebensache. Inmitten ihrer Wall of Wohlklang könnten die Tabishs auf einem kommenden Album wohl auch aus dem Telefonbuch vorsingen, ohne für Stirnrunzeln zu sorgen.
Dass "Volume V" die 30-Minuten-Grenze nur denkbar knapp überschreitet, tut dem Album gut. Ob die emotionale Wirkung des Dauer-Pathos noch wesentlich länger funktioniert hätte, darf bezweifelt werden. So aber rundet "The wake", mit Akustikgitarre, Tamburin und Mundharmonika vergleichsweise dezent instrumentiert, eine dieser seltenen LPs ab, bei denen man inexistente Ecken und Kanten nicht vermisst. Im Gegenteil, man freut sich über den Kokon, in den Other Lives einen eine halbe Stunde lang hüllen, einen Kokon der vermeintlich Banales wie Sakrales erscheinen lässt. Was bei anderen nach einem Kalenderspruch klingen würde, wirkt aus dem Mund von Jesse Tabish ehrlich, kumpelhaft, fast weise: "Hey you, get a hold of yourself! / Don't let anybody ever let you not be yourself!" Other Lives jedenfalls bleiben glücklicherweise ganz sie selbst.
Highlights
- What's it gonna take
- Show us some love
- Read my mind
Tracklist
- Mystic
- Versailles
- What's it gonna take
- Heading West
- One for the kids
- Show us some love
- Outro
- Cisa Cisa
- Read my mind
- The wake
Gesamtspielzeit: 31:23 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 35493 Registriert seit 07.06.2013 |
2025-10-27 15:57:15 Uhr
"Show us some love" ist wundervoll. |
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bender Postings: 172 Registriert seit 03.04.2020 |
2025-10-18 21:49:04 Uhr
viele gute Songs drauf. Show Us Some Love hat richtig Drive. |
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Blanket_Skies Postings: 683 Registriert seit 21.09.2013 |
2025-10-16 11:27:06 Uhr
Also bisher fehlt mir etwas. Alben wie Tamer Animals oder Rituals hat man das feine Zusammenfügen von Ideen und Sounds angehört, Volume V klingt dagegen erstmal nur nach Liedern. Angenehm ist es trotzdem. |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 35493 Registriert seit 07.06.2013 |
2025-10-12 20:05:23 Uhr
Ja ich mag es auch sehr. Wie ne warme Decke das Album. |
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AliBlaBla Postings: 10248 Registriert seit 28.06.2020 |
2025-10-12 18:36:47 Uhr
Wieder Großwand Kino! Jess' Gesang kontakariert die gefälligen Melodien. Schon toll. Wieder große Lust auf ein Konzert, Tabish hat eine fast schon schamanenhafte Ausstrahlung (dabei sehr nahbar). |
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Referenzen
Dry the River; Get Well Soon; Beirut; Shearwater; Dark Dark Dark; Dan Mangan + Blacksmith; Wolf Parade; Half Moon Run; Calexico; Okkervil River; Grizzly Bear; The Slow Show; The National; The Wood Brothers; My Morning Jacket; Local Natives; Fleet Foxes; I Am Kloot; The Boxer Rebellion; Timber Timbre; Junip; Lost In The Trees; John Grant; The Czars; Patrick Watson; Midlake; Great Lake Swimmers; Port O'Brien; Noah And The Whale; The Decemberists; Villagers; Phosphorescent; Bon Iver; The Mamas And The Papas; Sigur Rós; The Beach Boys; Enya; Ennio Morricone
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