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The Antlers - Blight

The Antlers- Blight

Transgressive / Bertus
VÖ: 10.10.2025

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Gegengewalt

Der Mensch ist ein zerstörerisches Wesen. Nicht zwingend grausam, aber ignorant rollt er in seiner ständigen Expansion über andere Formen von Leben hinweg. Diese aus der Bequemlichkeit geborene Gewalt thematisiert Peter Silberman in "Carnage", dem ersten Vorboten des siebten The-Antlers-Albums "Blight", das eine Reihe von Singles fortschreibt, in denen Silberman seine Verbundenheit zur Natur und gestärkte Sensibilität für deren Gefährdung zum Ausdruck brachte. "Gemetzel" erscheint nur auf den ersten Blick als unangemessener Songtitel für diese zärtliche Musik, schließlich haben sich The Antlers einst einen Namen gemacht, indem sie auf "Hospice" mit äußerster emotionaler Brutalität Herzen zerschmetterten. So brachial gehen Silberman und sein einziger Mitstreiter Michael Lerner nicht mehr zu Werke, doch deutet der inhaltliche Rahmen bereits an, dass die Sonntagmorgen-Entspannung von "Green to gold" wieder verflogen ist. "Blight" ist ein Konzeptalbum über die Natur und deren Verfall, auf dem die leise, pastorale Schönheit regelmäßig auf Störmomente und Ausbrüche trifft.

In diesem Sinne durchläuft nahezu jeder der neun Tracks eine spürbare Entwicklung. Manchmal ist diese organisch: Der Opener "Consider the source" gleitet nur mit Piano und Stimme auf einer dieser zum Sterben schönen The-Antlers-Melodien vorwärts, ehe er mit dem Einsatz von Drums und Bass einen vollen Bandsound gewinnt. Das besagte "Carnage" läuft wiederum abrupt gegen eine verzerrte Wand aus Schlagzeug- und Gitarrenwirbeln. In "Pour" schiebt sich eine bedrohliche Textur zwischen Silbermans körperlose Vocals, die in der besonders ätherischen Schlussminute auch noch ihre Worte verlieren. Leitete "Green to gold" noch den Frühling ein, lässt "Blight" dunkle Herbstwolken am Himmel vorbeiziehen und erschafft eine Atmosphäre, die vor der nächsten Entladung knistert. Und doch bleibt der Tenor hoffnungsvoll, stemmt sich die Platte in ihrer Einfühlsamkeit entschieden gegen den menschlichen Zerstörungsdrang.

Selbst wenn The Antlers einen Song mal etwas grober auseinanderschrauben, gewinnt am Ende immer der Wohlklang. Das als zweite Single veröffentlichte Piano-Lament "Something in the air" explodiert in einer elektronischen Rauchwolke, die sich aber schnell wieder verzieht und den unbeirrten Tasten das Feld überlässt. Der famose Titeltrack sackt nach seinen Beteuerungen, das Bestmögliche zu tun, kurz in sich zusammen, nur um von einem trockenen Uptempo-Beat begleitet mitreißend zurückzukommen. An anderer Stelle spielt "Deactivate" mit den Erwartungen. Obwohl es mit über sieben Minuten der längste Song des Albums ist, vollzieht das Stück keinen besonders ausgetüftelten Spannungsbogen. Stattdessen gibt es sich mehr als die Hälfte der Zeit der reduzierten Monotonie hin, bevor es sich dem akustischen Wunder öffnet und seine Sprache schrittweise verliert, bis nur noch ein unheilvoller Drone übrigbleibt.

War die Wirkkraft von "Hospice" noch eng mit den Lyrics verknüpft, haben The Antlers immer mehr gelernt, ihre Botschaften ohne Fokus auf die gesungenen Worte zu vermitteln. Das zeigt sich hier gerade im Schlussdrittel, das aus drei vergleichsweise kurzen Songs besteht. "Calamity" funktioniert über die Inbrunst, mit der sich Silbermans sonst zurückhaltender Gesang plötzlich auftürmt. "A great flood" fällt immer wieder in die Stille zurück, als würde es Wellenbewegungen vollziehen, verkörpert dabei jedoch die unheimliche Ruhe danach anstatt der Katastrophe selbst. Der Closer "They lost all of us" entfaltet sich konsequenterweise als reines Instrumentalstück, wobei am Ende nur noch die Natur spricht. Was diese Wind- und Regengeräusche letztlich aussagen, bleibt mehrdeutig. Doch eine Erkenntnis strahlt "Blight" mit Haut und Haaren aus: Verloren ist noch nichts.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Consider the source
  • Carnage
  • Blight

Tracklist

  1. Consider the source
  2. Pour
  3. Carnage
  4. Blight
  5. Something in the air
  6. Deactivate
  7. Calamity
  8. A great flood
  9. They lost all of us

Gesamtspielzeit: 45:09 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 35493

Registriert seit 07.06.2013

2025-10-30 16:36:23 Uhr
Bei mir war es der (künstlich verlängerte) Heimweg vom Soap&Skin-Konzert, der das Album hat sich entfalten lassen. Man braucht die richtige Stimmung... aber dann.

headup

Postings: 144

Registriert seit 09.09.2017

2025-10-30 16:23:23 Uhr
Meine Güte ist das ein schönes Album geworden.
Hatte damals die hospice gehört dann aber aus den Ohren verloren...aber das hier gefällt mir richtig und wird mich noch in die Platten dazwischen reinhören lassen.
Großartige Kopfhörerplatte für einen ausgedehnten Herbstspaziegang oder einfach nur um Abzutauchen.

Francois

Postings: 1463

Registriert seit 26.11.2019

2025-10-28 15:05:46 Uhr
Mittlerweile zündet auch die zweite Hälfte, nachdem die Songs 1-4 herausragend sind.
Das letzte Drittel, angefangen mit Calamity - schön. Aber dann A great Flood wunderschön - und fulminant mit der schönen Piano-Meeresrauschen-Nummer...

Wow! Einfach nur Wow!

bender

Postings: 172

Registriert seit 03.04.2020

2025-10-26 20:14:19 Uhr
eine der schönsten Bands da draussen. ich würde mal sagen:

1. Blight
2. Carnage
3. Something in The Air

hätte ich gerne mal live gesehen, leider ist die Tour sehr kurz geraten.

AliBlaBla

Postings: 10248

Registriert seit 28.06.2020

2025-10-25 10:44:01 Uhr
Fantastisches Herbst Album, was mich voll catcht. Hach.
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