Newdad - Altar
Fair Youth / Warner
VÖ: 19.09.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Galway calling
Was kommt eigentlich nach Teenage Angst? Wenn man kein Teenager ist, aber viel Angst bleibt oder andere Ängste dazukommen? Lange vor der Midlife Crisis? Newdad stecken gerade jedenfalls tief in dieser Phase. Um sich eine bessere Ausgangssituation zu ermöglichen, zog die Band aus dem kleinen irischen Galway nach London. Für das Debütalbum "Madra" schien das 2024 aufzugehen und der ruhige, routinierte Sound traf rund um die Welt auf viele offene Ohren. Nur die Band selbst fand wenig Frieden. Man mag gar von einem Kulturschock sprechen. Mittlerweile sind Newdad nach Abgang der Bassistin Cara Joshi nur noch ein Trio und Schlagzeuger Fiachra Parslow setzt die kommende Tour aus Mental-Health-Gründen aus. Kein Wunder also, dass sich das Thema Heimweh und Unwohlsein in der jetzigen Situation als roter Faden durch ein Album zieht, das davon ironischerweise profitiert.
Ein Teil der Songs auf "Altar" entstand bereits in den letzten zwei Jahren. Das Opfer, das man mit dem Umzug erbrachte, drückte also schon früh auf der Brust. Für ein bisschen Auflockerung schob Sängerin Julie Dawson noch ein etwas experimentelles und elektronisches Soloalbum mit dem Namen "Bottom of the pool" dazwischen, das auch ein Reinhören wert ist. Mit diesen Erfahrungen im Hinterkopf ist es nicht überraschend, dass das zweite Album von Newdad noch reifer und schärfer klingt als der schon überraschend routinierte Vorgänger. "Other side" startet mit einer LoFi-Melodie und wäre überall lieber als hier. "Hier" meint natürlich London und Galway ist "die andere Seite", auf der das Gras im wahrsten Sinne des Wortes grüner ist. Zur Hälfte des Tracks werden die Gitarren lauter und der Kurs wird klar: "I don't know what, but something's died / Think it may have been an old dream of mine." Mehr vom Bewährten gibt es in "Heavyweight", das sich von einer Gitarre leiten lässt und zwischen Shoegaze und Indie pendelt. Der Refrain klingt wie Nina Persson von The Cardigans, ohne deren latent-laszive Note zu haben, und Dawson singt von unrealistischen Erwartungen an Frauen in der Musikindustrie.
Mit "Pretty" folgt die erste von drei Singles und das erste Mal ist der Bass ähnlich prominent wie schon gerne auf "Madra". Passend zum Titel ist der Refrain hübsch, erkennt aber an, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt, und singt über die Heimat Galway: "Sorrow in his voice / But to me it's a lovely noise / As I'm thrown around, I rattle like a toy." Julie Dawson klingt wie das menschgewordene Galway und hat beim Singen die gleiche Traurigkeit in der Stimme, die Kirsten Dunst beim Schauspielen in den Augen hat. Mit "Roobosh" überrascht eine andere Single, weil die Sängerin sich erlaubt, zu schreien, wie sie es vorher nicht getan hat: "Hate / That every day's the same / And it's too late / For you to change your ways." Das ist bei Newdad natürlich immer noch kein totaler Ausbruch, aber man merkt, dass hier Frust abgeladen wurde. Ähnlich laut und richtig schön verschwörerisch wird es im fuzzigen "Misery", das mit seinem vertrackten Refrain nach einer seltsamen Obsession fragt und antwortet: "Yeah, a sort of addiction / A bit of a kink for self-affliction." Keine Überraschung, dass ein weiteres Mal London gemeint ist, das eben auch einen gefährlichen Sog und eine Faszination entwickeln kann: "Is it a bit of lust for misery? / Because her and I have history."
Nur kurz sind Newdad etwas schwach auf der Brust, wenn "Sinking kind of feeling" und "Puzzle" in der Albummitte Tempo und Energie deutlich runterfahren – Zeit für den dreampoppigeren Teil der Band. "Entertainer" schüttelt die sich anbahnende Lethargie aber schnell wieder ab, hat einen für die Verhältnisse der Ir*innen eingängigen Indie-Pop-Refrain im Gepäck und wird so zynisch seiner Rolle als Unterhalter gerecht. Darauf folgt die noch fehlende Single "Everything I wanted", die als ein thematisches Herzstück verstanden werden kann und sich wie ein großes gezwungenes Lächeln anfühlt, auf das ein noch größeres Seufzen folgt, während Dawson sich selbst zu erinnern versucht: "I tell myself / That it's everything I wanted." Und "Vertigo" geht sogar noch einen Schritt weiter und ist kurz davor hinzuschmeißen: "It started off like a dream / But the air is turning cold / The higher you get, the more you unfold / It started off like a love / But now it's getting old / I didn't think that one day I'd let go." Angst wird hier großgeschrieben.
Und trotzdem: "Something's broken" versucht sich zum Abschluss überraschenderweise vorsichtig am Optimismus. In fast viereinhalb Minuten erkennt Dawson ihre Situation an, aber behält sich Hoffnung vor, während sie mit Freund*innen Händchen hält. Und auch musikalisch bringen stimmliche Ausbrüche nach oben und vorsichtige Streicher hinter einer tänzelnden Gitarre die entsprechende Stimmung zum Ausdruck. Ein würdiger Abschluss, der einem zumindest etwas die Sorge nimmt: "Something's broken / But here's me hoping." Hoffentlich ein gutes Zeichen, dass Newdad auf dieser Note enden. Bis zur Midlife Crisis wäre dann auch noch etwas Zeit.
Highlights
- Heavyweight
- Misery
- Something's broken
Tracklist
- Other side
- Heavyweight
- Pretty
- Roobosh
- Misery
- Sinking kind of feeling
- Puzzle
- Entertainer
- Everything I wanted
- Mr cold embrace
- Vertigo
- Something's broken
Gesamtspielzeit: 42:46 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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MickHead Postings: 8205 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-09-25 13:17:58 Uhr
Laut.de 4/5https://laut.de/NewDad/Alben/Altar-125804 |
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pounzer Postings: 526 Registriert seit 24.08.2019 |
2025-09-24 22:37:47 Uhr
Bin inzwischen latent obsessed mit dem Album. Eines der Highlights des Jahres. |
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 29544 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-09-24 21:05:50 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Cayit Postings: 294 Registriert seit 05.05.2014 |
2025-09-22 10:39:06 Uhr
Starkes Album...! |
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pounzer Postings: 526 Registriert seit 24.08.2019 |
2025-09-20 12:43:20 Uhr
Mir gefällt das Album sehr gut! Hab das vorige nur 2-3 Mal gehört, also fällt es schwer, das zu vergleichen. Aber der Ersteindruck ist sehr positiv! |
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Referenzen
Julie Dawson; Slowdive; The Cure; Beabadoobee; Just Mustard; Curve; Pixies; Garbage; New Order; Wolf Alice; Hole; The Breeders; Garbage; Ride; Spirit Of The Beehive; Warpaint; Cocteau Twins; Nirvana; Softcult; Black Honey; Mazzy Star; Fontaines D.C.; Julien Baker; Now, Now; Bleach Lab; English Teacher; The Cardigans; Nina Persson; Pillow Queens; Porridge Radio; The Murder Capital; Bdrmm; Widowspeak; Girlhouse; DIIV; Wild Nothing; Dream Wife; Pixies; The War On Drugs; Sonic Youth; The Sisters Of Mercy
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