Kolja Goldstein - Kouwe Ouwe
Chapter One / Universal
VÖ: 01.08.2025
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Ein letztes großes Ding?
Als X noch Twitter hieß, machte in der Deutschrap-Bubble ein Tweet oft die Runde (sinngemäß): "Kolja Goldstein googelt 'nordafrikanische Vornamen', schreibt die fünf, die man am besten reimen kann, auf und macht dann eine 50:50-Entscheidung, ob das sein Bruder ist oder er brutal ermordet wurde" – stimmt, fasst auch dieses Album zusammen, ist hier jedoch als Kritik gemeint. Denn "Kouwe Ouwe" klingt mal wieder wie ein Film, der total drüber, aber dafür wirklich stark gemacht ist. Das vierte – laut eigener Aussage letzte – Studioalbum unterscheidet sich wenig von den Vorgängern, bietet dennoch eine durchaus angenehme Abschiedsmelancholie. Ob es das mit gerade mal Anfang 30 jetzt wirklich war, sei mal dahingestellt, genauso wie die mittlerweile nur noch lästige Debatte um Authentizität im Gangsta-Rap auf Deutsch, welche sich in den letzten Jahren gefühlt ausschließlich um Nicolas Sheahan, wie er bürgerlich heißt, drehte. Wen juckt das noch? Musikalisch bleibt diese Platte größer als all das, wenn auch inhaltlich und technisch manchmal limitiert. Doch dass die Ignoranz zum Gesamtkonzept gehört, sollte inzwischen sowieso klar sein.
Der "kalte Alte" eben, wie der Albumname auch suggeriert, als Anlehnung an den niederländischen Gangster Stanley Hillis. Passend dazu erinnert die Titelsingle seine Fans an "den alten Kolja"; also einfach ein kompromissloses Solo-Brett, das keine Atempausen lässt und mit Lines wie "Ich bin ein Riesen-Narzisst / Wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich will, Mann, dann spiel' ich verrückt" die Marschrichtung vorgibt. Das Musikvideo wurde übrigens, trotz eines europäischen Haftbefehls gegen Sheahan, teils in Europa gedreht, um die Authentizität ein letztes Mal anzureißen. Apropos Haftbefehl: Jener Rapper steuert aus dem (noch?) Ruhestand einen kurzen Part für "Spectre" bei, das nach zuvor "Abu Dhabi" einmal mehr Bock auf weitere Hafti/Kolja-Kollabos macht. Zum Glück spart das Album sonst an Features; am markantesten ist Samra auf "Galatabridge" beteiligt, beide Parts werden zwischen den Zeilen leicht persönlicher und lassen – bewusst – trotzdem viel im Nebel.
Von allen Solo-Tracks geht wohl "Sabr" am tiefsten – etwa wie eine modernere Version von "Depressionen im Ghetto" (Haftbefehl & Bazzazian). In diesem Fall halt aus der Sicht eines schwer greifbaren Familienvaters mit offenen Selbstzweifeln, ob der Wohlstand durch krumme Geschäfte und Musik über krumme Geschäfte das alles wert ist. Dieser und der Song "Züricherstr (Interlude)" schneiden auch lyrisch scharf ins Fleisch; während zwar brauchbare, aber monotone Nummern wie "Immer aktiv", "Bottega Veneta" oder "Emaar Square" zugegebenermaßen gelegentlich wie Füllmaterial rüberkommen. Intro und Closer der Platte, aber auch das Feuer im Künstler allgemein, fühlen sich nicht wirklich an wie das, was man von einem Abschiedsalbum vielleicht erwartet. Aber falls die Musikkarriere nun tatsächlich endet, hat Kolja Goldstein in relativ kurzer Zeit mit vergleichsweise wenig Material jetzt schon brachiale Fußstapfen hinterlassen. Deutscher Gangsta-Rap – egal, wer dazu nun wie steht – bräuchte dann jedenfalls ein neues Zugpferd.
Highlights
- Sabr
- Galatabridge (feat. Samra)
- Züricherstr (Interlude)
- Kouwe Ouwe (First Day Out)
- Spectre (feat. Haftbefehl)
Tracklist
- Kotor/Evian (Intro)
- Sabr
- Hakkasan
- Galatabridge (feat. Samra)
- Haarlem (Freestyle)
- Emaar Square
- Procaine (Interlude)
- Immer aktiv
- Lafayette
- Santos (Freestyle)
- Züricherstr (Interlude)
- Bottega Veneta
- HHHK/Linesky
- Cote d'Azur (Freestyle)
- Cinq (feat. HHAUS3)
- Kouwe Ouwe (First day out)
- Spectre (feat. Haftbefehl)
- Cookit! (Estorer Ost)
- Het Capitool
- Vertu K7 (Outro)
Gesamtspielzeit: 47:05 min.
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