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Deftones - Private music

Deftones- Private music

Reprise / Warner
VÖ: 22.08.2025

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Sanfte Lawinen

Wenn sich so viele Texte über Deftones mehr um die Band und ihren Stellenwert drehen, liegt es daran, dass dies die Parameter sind, die sich über die Jahre wesentlich verändert haben. "Why is Deftones so popular again?", fragen YouTuber, "Gen Z's favorite heavy rock band" nennt sie die L.A. Times. Menschen, die deutlich jünger als die Band sind, haben Deftones womöglich entlang des Shoegaze-Revivals für sich entdeckt, was wiederum zu irren Streamingzahlen und Tiktok-Präsenz führt. Die Musik selbst mag indes knapp davor haltmachen, ein One-Trick (White) Pony zu sein, tritt vielleicht nicht auf der Stelle, aber macht es sich im bandeigenen Koordinatensystem bald schon drei Jahrzehnte lang bequem. Beirren lässt sich das Quartett jedenfalls durch die neue Popularität keinesfalls, ist sein nunmehr zehntes Album doch so quintessenziell "Deftones", dass man es glatt noch mal selbstbetiteln könnte. Stattdessen heißt es "Private music" und auf dem – zumeist – giftgrünen Cover ist eine Albino-Schlange abgebildet. Sieht fies aus, kann aber je nach Typ harmlos sein. Und steht damit zusammen mit dem Titel für die Dualität in der Musik der Band: Die Zutaten brutal, die Attacken heftig und doch wohnt auch den wildesten Momenten eine harmonische Ruhe inne, weshalb einfach niemand klingt wie Deftones. Ein Psychopath, der Wellness-Massagen verteilt. Eine wohlige Apokalypse.

Je schlechter die Welt, desto besser funktionieren Songs, die davon abkapseln – "Private music" eben. Diese elf Stücke sind Zeichen dieser Hochkonjunktur. Dass die Truppe zurzeit keinen festen Bassisten hat, mag man angesichts der krassen Tieffrequenzen, die ein "Ecdysis" zu Anfang durch die Lautsprecher wummst, kaum glauben. Doch Chi Chengs Nachfolger Sergio Verga hat das Boot nach zwölf Jahren verlassen und der auf dem Album und der Bühne beschäftigte Fred Sablan wird strikt außerhalb der Bandmember-Liste geführt. Darin steht natürlich Vokalist Chino Moreno, der weiterhin unverkennbar zwischen Säuseln und Kreischen seine Bandbreite spielen lässt, nebst Gitarrist Stephen Carpenter in Hochform, den man aufgrund unklarer Umstände nicht auf Tour außerhalb der USA sehen wird. Die Trommeln schlägt seit jeher Abe Cunningham, während Frank Delgado seit dem entscheidenden Umschwung auf "White pony" Keyboarder und Soundtüftler ist. Für eine Band, deren interne Querelen stetige Wegbegleiter waren, eine bemerkenswerte Konstanz. Wodurch "Private music" wiederum sehr gut beschrieben ist.

Schon der Opener "My mind is a mountain" dürfte alle glücklich machen, die sich einen kurzen und knappen Deftones-Brecher gewünscht haben. In bester "Diamond eyes"-Manier kommt gleich noch eins auf die Mütze: "Join our parade or be left out / Join the parade or feel left out", stichelt Moreno, während die Musik sich nur eine kurze Pause zwischen dem Gemetzel gönnt. Am anderen Ende der Platte verzaubert das kurios benannte "~Metal dream" mit einem wahrhaft träumerischen Refrain, der auf den standesgemäß epischen Abschluss "Departing the body" vorbereitet. Dabei merkt man kaum, dass "Private music" ein recht kurzes Album geworden ist – hier fühlt sich alles massiv und groß an. Was auch an der Produktion liegt, die mit Hilfe von Nick Raskulinecz, nach "Diamond eyes" und "Koi no yokan" erneut an Bord, laut und kantig daherkommt. Durchaus ein Kontrast zu den Vorgängern, wenn man genau hinhört. Was natürlich empfohlen ist, um die Druckwellen zu spüren, die ein Song wie "cXz" verströmt, kurz bevor es in einen unvorhergesehen Handclap-Breakdown geht. Bisschen Überraschung geht also doch.

Mit "I think about you all the time" gerät auch der Ruhepol äußerst romantisch und einnehmend, wie er sich zunächst percussionlos bis zu einem schweren Riff vorarbeitet. "Our theme plays, and we're out of our minds, singing." Dieser Zustand tritt vor allem im folgenden "Milk of the Madonna" ein, dessen galoppierender Rhythmus nicht nur für den Höhepunkt der Platte sorgt, sondern sich locker in der Band-Top-Ten einnistet. "Holy ghost / I'm on fire!", kreischt Moreno und alles um ihm herum fühlt sich genauso an, ein wahnsinniger Ritt durch die Dimensionen. Fuck, das ist unfassbar gut. Es gibt noch so viele zahlreiche Momente, die bemerkenswert sind: die kunstvollen Übergänge zwischen den Songs, der Part, wenn "Infinite source" den Raum einnimmt, wenn "Ecdysis" seinen melodischen Kern preisgibt, wenn "Cut hands" plötzlich die Synths aus "Firestarter" durch den Raum schwirren lässt. Nur weil Deftones bei einem Sound bleiben, ist die Kreativität keinesfalls geschmälert. Stattdessen hauen sie so spät in ihrer Karriere immer noch solch große Alben raus. Für Boomer, Gen X, Millennials, Gen Z und alle, die danach noch kommen. Man nennt es zeitlos.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • My mind is a mountain
  • Ecdysis
  • Infinite source
  • Milk of the Madonna

Tracklist

  1. My mind is a mountain
  2. Locked club
  3. Ecdysis
  4. Infinite source
  5. Souvenir
  6. cXz
  7. I think about you all the time
  8. Milk of the Madonna
  9. Cut hands
  10. ~Metal dream
  11. Departing the body

Gesamtspielzeit: 42:29 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Gomes21

Postings: 5898

Registriert seit 20.06.2013

2025-09-23 15:21:52 Uhr
Lol, frühe 2000, Rockband haben sich im Uncoolsein überboten. Eine Zeit die mich musikalisch sehr beeinflusst hat aber auch mit vielen unfassbaren Peinlichkeiten.

Deftones mochte ich immer - auf Sympathieebene - aber musikalisch hat es nie richtig gefunkt. Auf Private Music gefällt mir aber jeder Song, vielleicht ein später Türöffner.

sizeofanocean

Postings: 1891

Registriert seit 27.01.2020

2025-09-23 14:43:10 Uhr
Und dann war noch diese doch etwas uncoole, gegelte Igelfrisur von Chino M.

da gab es aber deutlich Schlimmeres:

https://www.metalsucks.net/2022/02/01/the-top-8-nu-metal-hairstyles-ranked-from-least-to-most-embarrassing/

CallMeAppetite

Postings: 7

Registriert seit 16.02.2024

2025-09-23 13:57:39 Uhr
Ich war damals um die Jahrtausendwende herum nie sonderlich grosser Deftones Hörer. Die etwas härtere Gangart in der Gitarrenmusik, mal abgesehen von 2-3 Trash- und Deathmetal Klassikern, war mir verleidet und für lange Zeit inexistent auf meinem Hifi-System. Und dann war noch diese doch etwas uncoole, gegelte Igelfrisur von Chino M. Ne, da hörte ich doch lieber den traurigen Songwritern:innen von früher bis später zu. Vor ein paar Jahren dann mal die White Pony auf Vinyl geschenkt bekommen und auch weil ich mit der einst von mir aus unerklärlichen Gründen ziemlich verpönten härteren Gitarrenmusik Frieden geschlossen habe, doch ein paar mal angehört. Private Music wurde dann im Newsletter meines Plattendealers des Vertrauens ordentlich beworben und so besorgte ich mir das Teil (sowie dann im Ausverkauf auch gleich alle Vorgänger) und bin aktuell ganz happy mit dem Release und höre fast täglich rein. Und eigentlich schon krass, wie die das Niveau seit White Pony mehr oder weniger halten konnten, Selbst die oft gescholtenen Gore und Ohms find ich ziemlich gut und eigentlich hätten mir diese Deftones, hätte ich Ihnen damals eine Chance gegeben, auch schon viel früher gefallen können. Aber eben, Frisuren....

Magoose

Postings: 91

Registriert seit 15.06.2013

2025-09-19 21:35:09 Uhr
So, habs nun auch endlich mal geschafft mir PM anzuhören.

Ich war schon vor dem Album mit relativ niedriger Erwartungshaltung unterwegs, da mir Ohms sehr sehr gut gefallen hatte und ich schon vermutet hab, dass sie dieses Mal wieder ein etwas "luftigeres" und sphärischeres Album machen würden.

Passenderweise schwimm ich, wie schon bei Ohms etwas gegen den Strom. Während Ohms hier nicht besonders gut ankam wird das aktuelle ja hier sehr gefeiert. Fast schon logischerweise finde ich es eher durschnittlich für Deftones Verhältnisse, für mich ein Album, wie es sie gefühlt bereits drei, viermal gibt. Milk Of The Madonna sticht hier natürlich heraus, daneben gibt es noch ein paar gute und interessante Songs und Expiremente wie Departing The Body oder auch Metal Dream, die mal weniger (DTB) mal besser (MD) für mich funktionieren.

Ich glaube aber nicht, dass ich mir die Platte annähernd so häufig anhören werde, wie die Ohms, deren Riffstärke und rumpelige Kompaktheit und düstere Dichtheit ich einfach liebe.

In Summe sehr solide. Für mich aber auch leider nicht mehr.

sizeofanocean

Postings: 1891

Registriert seit 27.01.2020

2025-09-13 17:42:40 Uhr
ab 1:47 geht die zweite Strophe los, aber ja das atemlose ohne Pause macht Laune, der Song hätte auch unbedingt ein Video verdient gehabt
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