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Kae Tempest - Self titled

Kae Tempest- Self titled

Island / Universal
VÖ: 04.07.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Seiten frisch

In seinem jüngsten Interview mit dem NME gibt Kae Tempest interessante Einblicke in seine kreativen Prozesse. Ständig schwirren ihm mehrere Ideen im Kopf herum, von denen er nach und nach eine in den Fokus rückt und abarbeitet. Der konstante Input erklärt den ebenso konstanten, umfangreichen Output: Fünf Alben in elf Jahren markieren nicht gerade die King-Gizzard-Sphären der Produktivität, doch unter Berücksichtigung all der Bühnenstücke, Lyrik- und Erzählbände verfestigt sich der Eindruck, dass Tempest seit "Everybody down" nie für längere Zeit pausiert hat. Zu erzählen gibt es immer viel – so auch auf "Self titled", das seinem Titel entsprechend weniger Gesellschaftspanoramen entwirft und den Blick mehr nach innen richtet. Das erreicht nicht die Intensität eines Meisterwerks wie "Let them eat chaos", will das aber auch überhaupt nicht. "Self titled" feiert die eigene Identität und klingt über weite Strecken heller und opulenter als frühere Werke.

Letzteres äußert sich gleich in "I stand on the line", das mit großer, an Little Simz' "Sometimes I might be introvert" erinnernder Orchester-Geste die Platte eröffnet. Streicher gleiten auch über die Schepper-Drums der tollen Single "Know yourself", die sich in den von gehetzten Synths durchzogenen Strophen jedoch wieder minimalistischer zeigt. Tempests Vortrag ist so einnehmend wie eh und je, auch wenn Wut und Verzweiflung kaum noch präsent sind. Stattdessen prägt eine geerdete Tiefenentspannung den Flow, der dennoch nie in routinierte Langeweile kippt. Tempests Stimme steht dabei stärker im Vordergrund als noch auf "The line is a curve", bei dem die Instrumentals oft die Überhand gewannen. Hier markiert "Bless the bold future" den einzigen Moment, in dem sich der Londoner in der Musik verliert: Die industriellen Laser-Synths von "Let them eat chaos" rekontextualisieren sich in einem karibisch anmutenden Groove, während im Refrain körperloser Frauengesang seine Kreise zieht.

Es ist nicht der einzige Song, in dem "Self titled" klar zur Sonne hin wächst, was an anderen Stellen für manche Irritationen sorgen kann. "Sunshine on Catford" ergeht sich komplett in strahlenden Tasten und Streichern und bietet Gastgesang von niemand geringerem als Pet Shop Boy Neil Tennant. Ist der Schock überwunden, lässt sich der Track für das schätzen, was er ist: ein schlicht schönes Elektropop-Liebeslied. In "Prayers to whisper" singt Tempest den ebenfalls sehr melodieseligen Refrain selbst, übertreibt es allerdings etwas mit Chören und hymnischem Beiwerk – der einzige Moment auf dem Album, in dem die Zusammenarbeit mit Adele-Produzent Fraser T Smith negativ auffällt. Viel besser macht es "Hyperdistillation", in dem Connie Constance die wundervolle Hook übernimmt und damit Tempests gewohnt scharfen, poetisch aufgeladenen Alltagsbeobachtungen ein heilsames Auffangbecken schenkt.

Doch es gibt auch dunkle Ecken auf "Self titled". Die erste Single "Statue in the square" nutzt schweres Piano, Verzerrung und Sirenengeräusche, um den Finger in die Wunde gesellschaftlicher Ausgrenzung zu legen: "So don't be surprised when they shield their eyes / What they fear's a reflection of their own minds / They reveal themselves in their dead headlines / It's fine, we don't need permission to shine." Einen harscheren, clubtauglichen Beat fährt auch "Diagnoses" auf, das am Ende im Noise versinkt. Am meisten Power hat allerdings das späte Schlüsselstück "Breathe". Fast sechs Minuten lang rappt sich Tempest in einen Rausch, der Beat bleibt im Hintergrund, steckt jedoch auch voller Details. Die davon ausgehende Wucht ist unglaublich und formt den Track zu einem Kandidaten für den Rap-Song des Jahres. Kae Tempest hat nicht nur auf dem Coverfoto die Seiten frisch, der dazwischensitzende Ideenquell scheint ebenfalls so schnell nicht zu versiegen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Know yourself
  • Bless the bold future
  • Hyperdistillation
  • Breathe

Tracklist

  1. I stand on the line
  2. Statue in the square
  3. Know yourself
  4. Sunshine on Catford
  5. Bless the bold future
  6. Everything all together
  7. Prayers to whisper
  8. Diagnoses
  9. Hyperdistillation
  10. Forever
  11. Breathe
  12. Till morning

Gesamtspielzeit: 40:26 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28970

Registriert seit 08.01.2012

2025-07-05 22:41:27 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Hierkannmanparken

Postings: 2365

Registriert seit 22.10.2021

2025-07-04 13:17:58 Uhr
Sehe ich ähnlich, besonders was den Refrain von Sunshine angeht. I Stand On the Line und Breathe finde ich sonst noch ganz gut, vor allem musikalisch. Diagnoses finde ich jetzt nicht soo geistreich mit seiner "divergent is the new mainstream"-Mentalität, kommt mir fast schon wie Zeitgeist-Bullshit-Bingo vor.

Know Yourself bleibt nach wie vor der Hammer.

fakeboy

Postings: 6017

Registriert seit 21.08.2019

2025-07-04 11:04:42 Uhr
Erster Durchgang, noch nicht alles gehört. Eindruck: etwas glatt geraten. Know Yourself ist das bisherige Highlight. Sunshine On Catford sehr berührend, aber der Refrain ist etwas gar dick aufgetragen. Bin gespannt wie sich das Album entfaltet.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28970

Registriert seit 08.01.2012

2025-06-27 18:45:08 Uhr - Newsbeitrag
KAE TEMPEST - DIAGNOSES (Musikvideo)


Kae Tempest mit der aktuellen Single „Diagnoses“ vom kommenden Album „Kae Tempest“, das nächste Woche am 04. Juli erscheint.
Kae Tempest über den Song: "It’s a summer banger about antipsychotics and HRT. And loving each other regardless of how mental we are.“


Hierkannmanparken

Postings: 2365

Registriert seit 22.10.2021

2025-06-23 13:04:37 Uhr
Weiß nicht wieso, aber wenn Kate und Kae im Refrain von Know Yourself zusammen rappen, krieg ich Gänsehaut, richtig geil und ganz andere Stimmung als ich sie von ihm/ihr kenne.
Zum kompletten Thread

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