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Van Morrison - Remembering now

Van Morrison- Remembering now

Virgin / Universal / Rough Trade
VÖ: 13.06.2025

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Soundtrack zum Bausparvertragsabschluss

"Das schwierige 40. Album", titelte Simon Conrads vor sieben Jahren anlässlich des Erscheinens von "The prophet speaks". Noch mal sieben LPs später ist es naturgemäß nicht leichter, das Rad der Musikgeschichte oder wenigstens das der eigenen Diskographie neu zu erfinden. Zumal Van Morrison dies anno 2025 auch gar nicht im Sinn hat. Wohl auch besser so. Schließlich griff der Nordire vor drei Jahren beim letzten Innovationsversuch gewaltig daneben. "What's it gonna take?" kombinierte relativ fröhlich klingenden Softrock mit dümmlicher Die-da-oben-Schelte, was eine bizarre Mischung ergab, bei der nicht nur das Cover Fragen aufwarf. Derlei zweifelhafte Experimente tätigt Morrison diesmal nicht. "Remembering now", nomen est omen, steht nicht nur musikalisch, sondern auch lyrisch im Zeichen des Rückblicks. Weißte noch, damals? Nein, nicht zu Covid-19-Zeiten, sondern viel weiter in der Vergangenheit. Morrison jedenfalls erinnert sich sehr gerne an die Zeit, in der Hammondorgeln en vogue waren: "There were once black and white movies, then it became technicolour" ("Colourblind"). Und selbstverständlich an "Love, lover and beloved". Mit großartigen Mitmusikern, zu vielen Streichern und Backgroundgesangsunterstützung im Gepäck geht es schnurstracks "Back to writing love songs".

Der bereits aus Kenneth Branaghs sehenswertem Drama "Belfast" bekannte Opener "Down to joy" gibt im Viervierteltakt mit Bläsern und Backing-Vocals die harmonieselige Richtung vor. Nicht immer hört man Backgroundsängerinnen ihre Langeweile an. So veredelte Doris Troy einst "The dark side of the moon" ungeachtet der Tatsache, dass sie sich später wenig schmeichelhaft über Pink Floyds Meilenstein äußerte. In Songs wie der bluesigen Stehaufmännchen-Ballade "Haven't lost my sense of wonder" ist die Unterforderung der Backgroundsängerinnen mit "Uuuh-uuh"'s und Wiederholungen der letzten morrisonschen Worte in zahlreichen Versen jedoch geradezu greifbar. Viele instrumental überladene und nahe an der Schmalzgrenze balancierende Songs später – denen man einem 79-jährigen Musiker nicht eben auf den Leib geschneiderte Zeilen wie "You are the one / My precious one" ("Love, lover and beloved") oder jene über eine Fahrt nach Monte-Carlo nebst einem "Girl" ("Once in a lifetime feelings") vor allem deshalb verzeiht, weil sie im Albumkontext als retrospektiv gelesen werden können – kommen sie dann doch noch: die Perlen, die fast jedes Werk des Workaholics aufweist. In "Stomping ground", einer Ode an die nordirische Hauptstadt, unterstützen die Streicher die beabsichtigte nostalgische Stimmung, anstatt die Tonspur unnötig zuzukleistern, auch zwei Saxophonsoli überzeugen. Im vergleichsweise dezent instrumentierten zweiten Albumhighlight "When the rains came" schlägt der Blues- und Soul-Veteran wiederum textlich eine Brücke zu seinem populärsten Song: Es bedarf nicht viel Fantasie, sich auszumalen, dass Morrison sich beim Einsingen seiner Zeilen an ein "Brown eyed girl" erinnerte. Auch die Backgroundsänger wirken überzeugter und somit überzeugender als ihre weiblichen Pendants in den vorangegangenen und folgenden Songs. Durch individuellere Lyrics und variableren Gesang kommen endlich Emotionen auf.

Viele Perlen versammelt der streitbare Meister schon seit längerer Zeit nicht mehr auf seinen Alben. "Remembering now" bestätigt diesen Trend. So beendet das passend betitelte neunminütige Finale "Stretching out" Album 47 ähnlich, wie es begann: mit zu vielen Instrumenten, gelangweilt wirkenden Backgroundsängerinnen und aufdringlichen Streichern, aber eben auch kompetent arrangiert und eingespielt. "Now I'm sitting in the sun", stellt Morrison in "Colourblind" fest. Diese Saturiertheit hört man seinen neuen, handwerklich durchweg grundsoliden Songs an. Der Maestro liefert 68 Minuten gediegenen Blues und Soul gemäß der obersten adenauerschen Maxime "Keine Experimente!". Ja, so klingt er, der Soundtrack zum Bausparvertragsabschluss.

(Dennis Rieger)

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Highlights

  • Stomping ground
  • When the rains came

Tracklist

  1. Down to joy
  2. It wasn't for Ray
  3. Haven't lost my sense of wonder
  4. Love, lover and beloved
  5. Cutting corners
  6. Back to writing love songs
  7. The only love I ever need is yours
  8. Once in a lifetime feelings
  9. Stomping ground
  10. Memories and visions
  11. When the rains came
  12. Colourblind
  13. Remembering now
  14. Stretching out

Gesamtspielzeit: 68:07 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

The Libertine

Postings: 279

Registriert seit 29.08.2022

2025-06-24 12:03:39 Uhr
https://gegenwartskultur.tumblr.com/

Hier nochmal mit richtigem Link

The Libertine

Postings: 279

Registriert seit 29.08.2022

2025-06-24 11:58:11 Uhr
https://www.tumblr.com/gegenwartskultur/785979734408445952/zur%C3%BCck-zur-freude?source=share


Den Beitrag finde ich eigentlich ganz schön und passend.

harvey

Postings: 29

Registriert seit 26.08.2019

2025-06-23 13:57:17 Uhr
"... ungeachtet der Tatsache, dass sie sich später wenig schmeichelhaft über Pink Floyds Meilenstein äußerte." Erläuterung des Autors: „Doris Troy sprach da in Bezug auf die Songs von DSotM von 'sad white music' o.Ä. - augenzwinkernd und keineswegs böse gemeint, aber eben auch nicht begeistert.“ What the fuck ...! Sie sind sich offensichtlich nicht der Bedeutung der von Ihnen eingebrachten Phrase "wenig schmeichelhaft äußern" bewusst.

oldschool

Postings: 805

Registriert seit 27.04.2015

2025-06-23 13:34:17 Uhr
Ich kenne das Album nicht und werde es mir auch nicht anhören. Die Kritik finde ich allerdings recht danneben. Soundtrack für den Abschluß eines Bausparvertrages? Braucht man dafür einen Soundtrack? Und warum sollte der dann so langweilig sein? Einen Euro in die Phrasenkasse!

Vorfahrt92

Postings: 487

Registriert seit 27.10.2024

2025-06-23 01:07:39 Uhr
"Von vielen deutschen und internationalen Musikzeitschriften wurde dieses Album in höchsten Tönen gelobt und als eines der besten Alben in Morrison's langer Karriere gewürdigt. Auch die Kritik von Morrison in der Corona Zeit, als er gegen bestimmte Massnahmen Stellung bezog, immer wieder neu zu erwähnen, ist mehr als fraglich. Kritik ist eine Sache, einen Künstler wie Van Morrison ins lächerliche zu ziehen, eine andere."

Bei so viel Genie gibt es natürlich auch immer was zu mäkeln. Zum Beispiel beinhaltet fast jeder Artikel über Van-Morrison-Konzerte einen kleinen Verweis: Wie missmutig, launisch und unhöflich der kleine alte Mann mal wieder auf der Bühne herumsteht. Wie er seinen Musikern böse Blicke zuwirft etc. Aber: was soll's?
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