M(h)aol - Something soft

Merge / Cargo
VÖ: 16.05.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Kratzen und beißen
Tiere sind die besseren Menschen. Wer hat noch nie tief enttäuscht seinen Vierbeiner mit einem traurigen Stoßseufzer an sich gedrückt? Galt vielleicht auch für Constance Keane, Sängerin und Schlagzeugerin von M(h)aol aus (Nord-)Irland und England – bis traurigerweise ihr Hund Poppy verstarb, weswegen sie ihm auf "Something soft" das Stück "I miss my dog" widmet. Ein schwermütiger letzter Gruß? Keineswegs – eher eine sehnige Wuchtbrumme voller Lärm-Attacken und maschinell sechzehntelnder Licks, zu der Keane so störrisch "You should be here" japst, als wäre der treue Begleiter nur eben selbständig Gassi und würde gleich wieder zur Tür reindackeln. Ob er es auch ist, der von der CD grüßt? Und wem gehört eigentlich die Katze vorne drauf? Im Grunde egal – Hauptsache, auch M(h)aol kratzen und beißen.
Inzwischen weitestgehend zu dritt, nachdem sich die Band seit dem Erstling "Attachment styles" vom Quintett zum Trio verkleinert hat. Ex-Vokalistin Zoë Greenway ist nur noch zwei Mal zu hören: im kickenden Opener "Pursuit", der auf hektisch zerhackten Post-Punk-Socken aus einer toxischen Beziehung flieht, sowie bei der ruppigen feministischen Bankrotterklärung "Clementine". In dieser krakeelt außerdem Dara Kiely von Gilla Band die zweite Stimme – kleiner Freundschaftsdienst für Bassistin und Produzentin Jamie Hyland, die bereits namentlich auf "Holding hands with Jamie" auftauchte, als die Nachbarn noch Girl Band hießen. Ansonsten schwingt Keane lautstark das stachelige Zepter und kotzt sich teils im Verein mit Gitarrist Sean Nolan zu Ghosting, misslungenem Sexting und Schlimmerem aus. Hier darf man über alles keifen, nur nicht über drei Minuten.
Was M(h)aol zwar nicht immer exakt befolgen. Dennoch ist es schlicht formidabel, was für eine baufällige, aber höchst robuste Soundbaracke der Dreier in einer halben Stunde hochzieht. Noise-Rock vom Kantigsten und aktuellere Riot-Grrrl-Auswüchse stehen zähnefletschend Pate – als wären die Labelkolleg*innen Grave Goods bei PETA eingestiegen oder Savages bei der Paarberatung total am Austicken. Eine Schlüsselrolle kommt vor allem Hyland zu, welche die kurzen Songs nicht nur am Mischpult, sondern auch mit ihrem blökenden Bass maximal verwildert. The greatest story ever distorted? Das vielleicht nicht, aber ein herrlich zerrupftes Klangbild, das etwa in "You are temporary, but the internet is forever" ungefähr so verrottet vor sich hin schwärt wie eine Online-Mumie: "I must have passed away / Before you passed my way." Aussterben ist nun mal ein schönes Hobby.
Nein, von "Something soft" findet sich auf diesem Album keine Spur. Die Single "Snare", aus deren Text der Albumtitel stammt, handelt vielmehr von einem mansplainenden selbsternannten Drum-Experten, der Keane einmal zu zartfühlenderem Umgang mit ihrem Instrument riet. Selbstredend vergeblich, wie der furios verstolperte Upbeat-Track mit zersplitterndem Killer-Riff schnell klarstellt. Noch wütender poltern höchstens "1800-call-me-back", das nach Kraftwerk und The Beatmasters endlich wieder den wildgewordenen Wählton in die Popmusik einführt, und der versprengte Math-Rocker "Vin Diesel", eine zornige Ansage an uneinsichtige Fleischfresser. Und wer von "Coda" abschließend ein schlaufenartiges Psych-Motiv erwartet, bekommt einen groben industriellen Batzen vor den Latz geknallt. Wenigstens Tieren gefällt diese Musik, so scheint es. Recht haben sie.
Highlights
- I miss my dog
- Vin Diesel
- Snare
- 1800-call-me-back
Tracklist
- Pursuit
- I miss my dog
- You are temporary, but the internet is forever
- DM:AM
- E8 / N16
- Vin Diesel
- Clementine
- Snare
- IBS
- 1800-call-me-back
- Coda
Gesamtspielzeit: 29:58 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
myx Postings: 5593 Registriert seit 16.10.2016 |
2025-06-04 21:22:59 Uhr
Heute Mittag im Album-Thread kurz von mir vorgestellt und jetzt mit einer kapitalen Plattentests-Meisterwerk-8/10 bedacht und spannend rezensiert, freut mich logischerweise sehr! Wird dem Album hoffentlich weitere begeisterte Hörerinnen und Hörer bescheren. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28795 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-06-04 21:13:10 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Grave Goods; Gilla Band; Pixie Cut Rhythm Orchestra; Wax Chattels; The Serfs; Onyon; Prinzhorn Dance School; Savages; Kaito; The Slits; X-Ray Spex; Delta 5; Poison Girls; Bush Tetras; Young Marble Giants; Girls At Our Best!; Glaxo Babies; Pylon; Au Pairs; Gróa; Automatic; Public Practice; Cumgirl8; Folly Group; Dry Cleaning; Cable Ties; The Mysterines; Sorry; Sprints; Horsegirl; Body Type; Daily Toll; Lifeguard; Yard Act; The Murder Capital; Ditz; Ex Models; The Coathangers; Bodega; Princess Thailand; Smile; Dream Wife; Drahla; Lithics; Nov3l; Flasher; Priests; Wet Leg; Memorials; The Paranoyds; Sleater-Kinney; Ex Hex; Bikini Kill; Erase Errata; Hey Jellie; Kunst; Suburban Lawns; The Raincoats; Sonic Youth; Kim Gordon; Free Kitten; The Kills; Bones UK; Arxx; Billy Nomates
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- M(h)aol - Something soft (2 Beiträge / Letzter am 04.06.2025 - 21:22 Uhr)