Alan Sparhawk - With Trampled By Turtles

Sub Pop / Cargo
VÖ: 30.05.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die innere Stimme
Alan Sparhawk ist nicht allein. War er nie, auch wenn es auf "White roses, my God", seinem ersten Longplayer nach dem Tod von Ehefrau und Low-Partnerin Mimi Parker, zunächst den Anschein hatte. Den Rücken stärkten ihm Produzent Nat Harvie sowie seine beiden ebenfalls musizierenden Kinder, hielten sich aber möglichst im Hintergrund und ließen Sparhawk so genug Raum, den Verlust der Lebensgefährtin mit Synths, Drum-Machine und Autotune zu verarbeiten. Nicht nur die wohl elektronischste Slowcore-Platte aller Zeiten, sondern auch ein eigenwilliges – und erstaunlich gelungenes – Unterfangen, um nach einem Schicksalsschlag die eigene (innere) Stimme wiederzufinden. Und zudem ein Hinweis darauf, dass Sparhawk mitnichten in Trauer erstarrt war: Statt auf der Stelle zu treten, emulierte er an den gewitzten Geräten lieber die Musik, zu der die jungen Hüpfer tanzen.
Ganz vergessen ist dieser gegenüber Meisterwerken wie "Drums and guns" oder "Hey what" radikal umgekrempelte Sound ein knappes Dreivierteljahr später noch nicht, denn mit der Vignette "Heaven" und dem früheren Statement-Opener "Get still" haben es zwei Songs von "White roses, my God" auch auf Sparhawks drittes Soloalbum geschafft. Doch was heißt hier solo? Wie der Titel klarstellt, hat sich der Mann aus Duluth mit den benachbarten, alternativen Bluegrass-Folkern Trampled By Turtles zusammengetan, denen Low zeit ihres Bestehens stets unter die Arme griffen. Alles wieder neu beziehungsweise anders? Auch nicht ganz: Sowohl Tochter Hollis als auch Harvie sind erneut mit von der Partie, obwohl "With Trampled By Turtles" rein gar nichts mehr vom zischigen Maschinen-Vibe des Vorgängers hat. Und Mimi Parker ist präsenter, als man glauben mag.
Zur Tracklist gehören nämlich drei von ihr mitgeschriebene Stücke, mit denen sie und Sparhawk aber seinerzeit nie zu Potte kamen – die nun aber in einer Pracht erstrahlen, wie sie Low mehr als zur Ehre gereicht hätte: gleichzeitig klagend und tröstlich, von spiritueller Nähe beseelt, quasi-religiös. Der Opener "Stranger" gehört nicht dazu, entwirft mit gezupften Streichern, Mandoline und beschwörendem mehrstimmigem Gesang jedoch sofort eine verwandte Stimmung, zu der Sparhawk humorige Tipps für nobles Existieren gibt: "You gotta tend to the detail / You gotta write that shit down / You gotta put up a big sail / You gotta clean your dashboard cupholder." Es kann schließlich nicht immer so schmerzlich emotional zugehen wie in "Screaming song", wo die Zeile "When you flew out the window and into the sunset / I thought I would never stop screaming" tief berührt.
Immerhin sorgt hier eine nervöse, in ihre Einzelteile zerlegte Fiddle für ähnlichen comic relief wie der Gitarrenlärm-Frontalaufprall "More" auf "Hey what" – wohl bitter nötig nach einer so wehmütigen Rückschau. Und nach den zusammen mit Parker erarbeiteten Tracks: "Too high" wächst von geigigem Minimalismus zum in pointiertem Stakkato geführten Beziehungsgespräch an, ehe sich der Torch-Song "Not broken" zärtlich auf die Wunden legt und Hollis Sparhawk den ursprünglich ihrer Mutter zugedachten Part stimmlich nachgerade strahlend ausfüllt. Am rauesten gibt sich auf diesem wunderbaren Album noch der leichtfüßige Akustik-Schrummler "Princess Road surgery" vor dem elegischen Ausklang aus "Don't take your light" und "Torn & in ashes". Sack und Asche? Keineswegs – schöner als "With Trampled By Turtles" könnte auch ein neues Low-Album kaum sein.
Highlights
- Stranger
- Not broken
- Screaming song
Tracklist
- Stranger
- Too high
- Heaven
- Not broken
- Screaming song
- Get still
- Princess Road surgery
- Don't take your light
- Torn & in ashes
Gesamtspielzeit: 32:03 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Obrac Postings: 2654 Registriert seit 13.06.2013 |
2025-06-12 12:53:49 Uhr
Das Album hat den Low-Style, aber ich werde damit nicht warm. "Not broken" ist großartig, ansonsten reißt mich aber nicht viel mit. Für mich schon eine Enttäuschung. |
HerrH. Postings: 131 Registriert seit 04.02.2021 |
2025-06-12 12:47:27 Uhr
Wirklich wirklich stark. Das "Geigensolo" bei "screaming song" knarzt ziemlich (zurecht, manchmal / auf Kopfhörer aber zu viel), und der gefühlte Viertelton zu tief in den hohen Stimmlagen bei "princess road surgery" sind die einzigen Kritikpunkte, ansonsten toller Fluss auf der gesamten Albumlänge. |
Immermusik Postings: 1426 Registriert seit 04.11.2021 |
2025-06-12 05:58:02 Uhr
Das ist ein Album, auch wenn Mimi natürlich immer fehlen wird, auf Low Niveau. 8/10 |
saihttam Postings: 2645 Registriert seit 15.06.2013 |
2025-06-11 23:59:14 Uhr
Der erste Durchgang gefiel mir sehr. Ich bleib mal dran. |
musie Postings: 4134 Registriert seit 14.06.2013 |
2025-06-09 15:17:25 Uhr
ich sah ihn live, und musste nach dem ersten Micky Mouse Lied flüchten. |
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Referenzen
Low; Retribution Gospel Choir; The Black-Eyed Snakes; Trampled By Turtles; Akron/Family; The Angels Of Light; Michael Gira; Swans; Bill Callahan; Smog; Timber Timbre; David Dondero; Frontier Ruckus; Castanets; Phosphorescent; Raymond Byron & The White Freighter; The Low Lows; Codeine; Idaho; Horse Jumper Of Love; Dark Dark Dark; Bonny Light Horseman; Muzz; Sun Kil Moon; Red House Painters; Mark Kozelek; Bon Iver; Iron & Wine; MJ Lenderman; The Antlers; Purple Mountains; M. Ward; Jason Molina; Songs:Ohia; Magnolia Electric Co.; Sparklehorse; Shovels & Rope; Parker Millsap; Damien Jurado; Kevin Devine; Vic Chesnutt; Rocky Votolato; Suzzallo; The Pernice Brothers; The Avett Brothers; Hiss Golden Messenger; Nathaniel Rateliff & The Night Sweats; William Fitzsimmons; Great Lake Swimmers; Kevin Morby; Bright Eyes; Conor Oberst; Fleet Foxes; The Low Anthem; Midlake; Jason Isbell And The 400 Unit; Patterson Hood; Micah P. Hinson; Bob Dylan; Palace Music; Bonnie "Prince" Billy; Justin Townes Earle; Sturgill Simpson
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