Geschichten von unterwegs

Der britische Singer-Songwriter Will Varley überzeugt seit seinem Debütalbum "Advert soundtracks" mit einem verblüffend konstanten Reigen an Veröffentlichungen. Nach einem guten Vierteljahrhundert kann der gebürtige Londoner zwar sehr wohl noch überblicken, wann welches Studiowerk erschien, aber gewiss nicht mehr, wo er wann aufgetreten ist. Er ist ein ausgesprochen tourbegeisterter Künstler, der in seinen Anfangstagen zuweilen zu Fuß von einem Pub zum nächsten zog, um seine Songs unter die Leute zu bringen. Inzwischen reist er etwas komfortabler, wenngleich nicht ereignisarm: Bei der Präsentation seines siebten Albums mit dem dezent sperrigen Titel "Machines will never learn to make mistakes like me" berichtete er von einem Unfall mit dem Tourbus, als es nach einem nächtlichen Knall durch das aufgerissene Dach schneite. Ein Leben auf Achse: Auch darüber singt er in den insgesamt zehn neuen Stücken, die seinen Ruf als zweifelsfrei Großer unter den zu wenig beachteten Kleinen in der Musikwelt vortrefflich untermauern.

Es bedarf nur weniger Augenblicke, um in die besondere Atmosphäre des Albums hineinfallen zu können. "Long way back to now" ist dafür der ideale Opener, vereint er doch all die Qualitäten des Musikers: eine großartige Stimme, ein Gefühl für das Songschreiben und ein Händchen für Geschichten. In diesem Fall: der Kontrast zwischen der unschuldigen Magie des Verliebtseins einerseits und den zuweilen desillusionierenden Zwängen des Alltags. Im wundervollen "Home before the world ends" zeigt Varley dann, dass Gastsänger weit mehr sein können als freundlich gemeinte Feature-Optionen. Zunächst halten sich hier Co-Produzent Tom Farrer und Bastille-Frontmann Dan Smith höflich im Hintergrund auf, später rückt Smith unaufdringlich an die Seite Varleys. Ein Song, inspiriert durch einen Rückflug nach Hause inmitten der Covid-Pandemie, als sich allen die ganz großen Fragen stellten.

"Never get tired of loving you" ist in der Folge eine gefühlvolle Liebeserklärung an seine beiden Töchter. Unmittelbar danach ist es Zeit für den nächsten Partner am Mikrofon. Auftritt: Billy Bragg. Im zunächst zurückhaltenden "End times", das von perfekt eingewobenen Mundharmonika-Klängen untermalt ist, krabbelt der britische Singer-Songwriter-Kollege aus der Kulisse. Und malt ein düsteres Szenario: "She did not ask for your plastic oceans / Or machines that feed on her mind / There'll be no place to buy more time / When the wells run dry / She did not ask for your wars." Varley setzt auf diesem Album im Grunde genau das fort, was ihn seit jeher auszeichnet: Er legt Werke vor, die keinen Aussetzer kennen und bei allem Wiedererkennungswert im Detail doch stets Verfeinerungen erfahren. Und erzählt darauf in kleinem Format große Geschichten, die er auf unprätentiöse Weise einem Publikum vorträgt, das gern genau hinhört. Nebenher gelingt der Konsum des Ganzen nicht, denn Varleys Kunst hat die volle Konzentration verdient.

(Torben Rosenbohm)

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Highlights

• Long way back to now
• Home before the world ends
• End times
• Venus returns

Tracklist

1. Long way back to now
2. Different man
3. Home before the world ends
4. Never get tired of loving you
5. End times
6. Machines will never learn to make mistakes like me
7. Only Louise
8. Venus returns
9. Everything has a heartbeat
10. Whatever's left

Gesamtspielzeit: 39:47 min.

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Referenzen

The Tallest Man On Earth; Glen Hansard; Hank Williams; Kenny Rogers; Bobby Bare; Iron & Wine; City & Colour; Mumford & Sons; The Swell Season; Bear's Den; Beans On Toast; Bob Dylan; Beta Radio; The Head And The Heart; Keaton Henson; DeYarmond Edison; José González; Nathaniel Rateliff; Frank Turner; Dan Mangan; Harrison Storm; The Highwaymen; Leonard Cohen; Nick Drake; Joe Purdy; Alexi Murdoch; The Middle East; Billy Bragg; To Kill A King; Skinny Lister; Adam Holmes; Frank Turner; Dave Hause; Stu Larsen

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