Sparks - Mad!

Transgressive / Bertus
VÖ: 23.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Käse auf der Torte
Rund 25 Alben hat es gedauert, bis Sparks mal eine Platte "Mad!" nennen – dabei gibt es kaum etwas in der Karriere von Ron und Russell Mael, das sich nicht als "verrückt mit Ausrufezeichen" bezeichnen ließe. Das schließt nicht nur die Musik der Brüder selbst mit all ihren stilprägenden Absurditäten ein, sondern auch den Umstand, dass sie knapp 50 Jahre nach Band-Gründung nochmal eine Renaissance erlebten: Jedes Album seit "Hippopotamus" erreichte die britischen Top Ten und spätestens seit Edgar Wrights Dokumentarfilm "The Sparks brothers" sind Sparks näher ins Zentrum des popkulturellen Rampenlichts gerückt, das ihnen schon immer zustand. Aus musikjournalistischer Sicht wartet man seit mindestens 20 Jahren auf einen Bruchmoment, eine Zäsur, ab der sich das Wort "Alterswerk" in den Mund nehmen ließe – ohne Erfolg. Auch "Mad!" tut uns diesen Gefallen nicht, entwickelt stattdessen gerade zu Beginn mit auffälligem Gitarrenfokus und den verzerrten Synth-Rückständen von "The girl is crying in her latte" einen überraschend harschen Punch. Dass die Maels inzwischen auf die 80 zugehen, ist weder Rons vitalen Arrangements noch Russells ewigjunger Stimme zu irgendeinem Zeitpunkt anzumerken.
So etwas wie Altersmilde ist höchstens im Fehlen von ganz wilden Musical-Verrenkungen und auf elf gedrehten Camp-Reglern zu spüren, da Sparks trotz des wuchtigeren Sounds auf dezent mehr Subtilität setzen. Der Opener "Do things my own way" entpuppt sich schnell als waviger Groover, in dem sich ein höchstwahrscheinlich sonnenbebrillter Russell nicht einmal vom katholischen Kirchenoberhaupt etwas sagen lässt: "Saw the pope / Told him, 'nope' / Gonna do things my own way." Noch handfester sägen dürfen die Saiten in "Hit me baby", geraten zwischen "La la la"-Refrain und aufgeregter Percussion zeitweise sogar in den Industrial-Staubsauger. Nach zweckentfremdetem Gerät klingt auch das Zischen im Rhythmusmonster "Running up a tab at the hotel for the fab", das sich von ein paar Synth-Streichern die Hanteln reichen lässt. Doch Sparks können es immer noch zärtlicher, wie die lupenreine Elektropop-Perle "My devotion" unter Beweis stellt. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht das famose "Drowned in a sea of tears", das einem komplett unironischen Beziehungsdrama gefährlich nahe kommt. Nicht, dass Ron frühere Texte über autofahrende Schimpansen oder die Hörgewohnheiten Kim Jong Uns je nicht ernstgemeint hätte.
Auch wieder erstaunlich: die enorme Vielseitigkeit der Maels. "JanSport backpack" nutzt synthetisches Hochglanzdrama, um im Markenrucksack einer geliebten Person das Symbol für ihre ständige Abkehr zu erkennen. An anderer Stelle zollt "I-405 rules" dem gleichnamigen kalifornischen Highway Tribut und lässt mit seinem Bienenschwarm-Orchester Schostakowitsch ein paar Runden im Grab rotieren. Mit Klassik-Annäherungen inklusive sentimentaler Piano-Linien hantiert auch "Don't dog it", bevor sich "A little bit of light banter" später als simpler Pop-Rocker durch seinen Stampf-Rhythmus rifft. Auch im Jahr 2025 hat kaum jemand so gut wie die Maels verstanden, dass Popmusik in erster Linie Spaß machen muss, dass sich selbst in Clownereien geistreiche Kommentare zum Weltgeschehen verstecken lassen und vor allem, dass man sich nicht über fehlende Geschmackssicherheit sorgen muss, wenn man mit Haut und Haaren hinter seiner Kunst steht. Ganz zum Schluss gibt es im Closer "Lord have mercy" als Käse auf der Torte sogar etwas, das in 54 Jahren Bandgeschichte noch nie vorkam: ein Gitarrensolo. "Don't hate us for it", kommentiert Ron dazu in einem NME-Interview, natürlich todernst. Wie könnten wir jemals?
Highlights
- Do things my own way
- Hit me baby
- Running up a tab in the hotel for the fab
- Drowned in a sea of tears
Tracklist
- Do things my own way
- JanSport backpack
- Hit me baby
- Running up a tab in the hotel for the fab
- My devotion
- Don't dog it
- In daylight
- I-405 rules
- A long red light
- Drowned in a sea of tears
- A little bit of light banter
- Lord have mercy
Gesamtspielzeit: 45:45 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Telecaster Postings: 1370 Registriert seit 14.06.2013 |
2025-06-06 10:34:24 Uhr
A Little Bit of Light Banter ist auch eines meiner Highlights, Hab das Album jetzt schon oft gehört, für mich vielleicht ihr bestes seit Hello Young Lovers.Angst In My Pants neulich mal durchgehört, weiß nicht, warum die bei mir bisher nicht so eingeschlagen hatte, aber die ist ja auch schon ziemlich geil. |
Lichtgestalt User Postings: 6805 Registriert seit 02.07.2013 |
2025-06-06 07:12:03 Uhr
> Höre ich bei Lord Have Mercy gar die> "Tit-tit-tit"-Chöre aus Drive My Car? :) :O |
Saschek Postings: 771 Registriert seit 23.07.2018 |
2025-06-06 00:44:21 Uhr
Höre ich bei Lord Have Mercy gar die "Tit-tit-tit"-Chöre aus Drive My Car? :) |
Saschek Postings: 771 Registriert seit 23.07.2018 |
2025-06-06 00:41:43 Uhr
Zurück zu MAD! Finde es ebenfalls äußerst gelungen. A Little Bit Of Light Banter. Fantastisch. |
Telecaster Postings: 1370 Registriert seit 14.06.2013 |
2025-06-01 10:02:51 Uhr
Ganz klar, Kimono My House ist die Spitzen-Empfehlung.Allgemein, die ersten fünf. No.1 In Heaven finde ich auch saustark, ist halt eher so ne Disco-Scheibe. Und ja, bei den späteren stimme ich zu, dass Hello Young Lovers noch mal ein ziemlicher Hammer ist. |
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Referenzen
Halfnelson; FFS; Devo; The Fiery Furnaces; The Divine Comedy; Pet Shop Boys; Yello; Roxy Music; Squeeze; Japan; The B-52s; Oingo Boingo; XTC; The Human League; Orchestral Manoeuvres In The Dark; Ultravox; Yellow Magic Orchestra; Gary Numan; Blondie; Jarvis Cocker; Pulp; The Magnetic Fields; Prefab Sprout; Destroyer; The Lemon Twigs; Talking Heads; David Byrne; Tom Tom Club; Frank Zappa; Kate Bush; The Last Dinner Party; David Bowie; Elvis Costello; Queen; Faith No More
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