Skunk Anansie - The painful truth

FLG / Membran
VÖ: 23.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Anti alles, noch immer
Im Vereinigten Königreich läuft es schon eine Weile ganz schön bescheiden, das wissen wir alle. Warum Skunk Anansie dennoch glatte neun Jahre abgetaucht waren und erst jetzt mit "The painful truth" rausrücken? Am beliebten 90er-Revival liegt das zweifellos nicht, immerhin ist die Band um die nun auch schon 57-jährige Skin beim mittlerweile vierten Post-Reunion-Album angekommen, die Phase nach der Auflösung somit länger als die Hochzeit im vorherigen Jahrtausend. Selig sind da bereits, Garbage arbeiten daran. Der eigentliche Grund: Man kann eben nicht aus der eigenen Haut! "An artist is an artist", bellt Skin all denjenigen entgegen, die ob der Sturheit der Band die Nase rümpfen, und verweigert sich ekligem Ageismus und den Erwartungen von Industrie und Publikum – es muss stattdessen einfach mal gesagt werden. Der Song dazu ist ein gegen den Strich gebürsteter Krachmacher mit Ansage, in dem sogar ein verrückt gewordenes Saxofon sein Unwesen treibt und durch die Indie-Disko spukt. Brexit, Inflation, MeToo und Rechtsruck haben Skunk Anansie bestimmt zusätzlich angestachelt. Aber auch sonst gäbe es genug Input, um endlich wieder lang überfälligen Stunk zu machen.
Das siebte Werk der Band ist eine wilde (Ab-)Fahrt: Da brettert ein Stinkefinger wie "Shoulda been you" über ein locker sitzendes Alternative-Korsett, zitiert aber fleißig selige Brit-Punk-Zeiten. Da röchelt, stöhnt und zischt sich Skin derart enthusiastisch durch das schaurig-schräge "Animal", dass allen Mom- und Dad-Rock-Bands da draußen, die in altersmilden Spätwerken versandet sind, die letzten Haarreste zu Berge stehen. Und da mausert sich "Lost and found" nach erschöpftem A-cappella-Intro zu einem formvollendeten Rock-Song, der mit waschechter R'n'B-Kante und tanzendem Single-note-Piano schlichtweg umwerfend ist. Hier warnen die Londoner*innen davor, dass Sicherheit oft nur eine Illusion ist und sich in nur einem einzigen Augenblick alles grundlegend ändern kann: "Life on the run came without warning." Ein erschütterndes Wahlergebnis, eine globale Pandemie oder sonstige Spontankatastrophen – und über Nacht ist unsere Welt nicht mehr dieselbe.
Natürlich stellt sich manchmal die blöde Frage nach der Innovation, wenn zum Beispiel die treibende Single "Cheers" genauso gut dem bald erscheinenden neuen Garbage-Album entstammen könnte. Doch der Song selbst ist schmissig, geht ins Ohr, und Skin zieht alle Register. Sowieso leben Skunk Anansie in erster Linie von den unverkennbaren Vocals ihrer Frontfrau, denn sie vereint alles in sich: den Sex, die Wut, die Resignation – und den Schalk. "I got no love from my mother / I got the pain from my dad", sinniert sie noch im souligen "Shame", genießt später aber auch eine verwirrende Menage à trois (oder à quatre?) zwischen dem lyrischen Ich, einem "typical fuckboy" und einer oder einem "typical tease" in "Fell in love with a girl". Talk about range! Und merke: Obwohl "The painful truth" über weite Strecken ungeahnt düster ausgefallen ist und Skin gerade in der versöhnlichen Abschlussballade "Meltdown" zur Höchstform aufläuft, sind Skunk Anansie immer noch dann am besten, wenn sie ihrer Bissigkeit und Kompromisslosigkeit freien Lauf lassen. Das ist keine Neuigkeit. Hier machen sie es mitunter aber dermaßen gut wie echt lange nicht mehr. Warum das so ist? "They don't stop being an artist because of you, you know?"
Highlights
- An artist is an artist
- Shame
- Lost and found
- Animal
Tracklist
- An artist is an artist
- This is not your life
- Shame
- Lost and found
- Cheers
- Shoulda been you
- Animal
- Fell in love with a girl
- My greatest moment
- Meltdown
Gesamtspielzeit: 38:01 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Enrico Palazzo Postings: 6192 Registriert seit 22.08.2019 |
2025-06-04 07:53:15 Uhr
Ich gebe zwar nur 6/10, bin aber trotzdem positiv überrascht. Immerhin klingt es nicht nach "Yeah, 90s Revival und wir freuen uns schon drauf, mit H-Blockx und Guano Apes beim Deichbrand zu spielen". Es klingt deutlich anders als früher. |
nörtz User und News-Scout Postings: 16238 Registriert seit 13.06.2013 |
2025-05-29 13:05:27 Uhr
Interessant, dass die immer noch x000er-Hallen ausverkaufen. |
Klaus Postings: 10979 Registriert seit 22.08.2019 |
2025-05-23 14:35:03 Uhr
Ziemlich kurzweilige Geschichte, die 7/10 passt. 2-3 echte Hits, der rest ist bunte Wiese, aber nie wirklich schlecht. Nur der Opener ist bisschen nervig. Lost & Found und Meltdown sind noch toll. |
Klaus Postings: 10979 Registriert seit 22.08.2019 |
2025-05-23 14:03:34 Uhr
This is not your life ist schonmal geil, rest läuft gerade, auch wenn ich für die Hochphase der Band zu jung bin. |
MickHead Postings: 5575 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-23 09:49:34 Uhr
Komplette Playlist bei YouTube:https://youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_l47ERzB45bSDcEOc8EkfauGGsZvMj4xgM&si=hpCy_2hBVmr468ej |
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Referenzen
Skin; K's Choice; Garbage; Liz Phair; Guano Apes; Sasami; The Joy Formidable; Yeah Yeah Yeahs; Sleater-Kinney; The Cranberries; Heather Nova; Alanis Morissette; The Cardigans; The Muffs; Metric; Pretty Girls Make Graves; Dead Sara; No Doubt; Placebo; Gossip; Slothrust; Die Happy; The Donnas; Bif Naked; Wolf Alice; The Pretty Reckless; Anastacia; Auf Der Maur; Anouk; Republica; Hole; Texas; Sheryl Crow; Roxette; Blondie; Moloko; Natalie Imbruglia; Exilia; PJ Harvey; The Ting Tings; She-Male Trouble; Dover; Linkin Park; Evanescence; Avril Lavigne; Bloc Party; Catatonia; Tori Amos; Sinéad O'Connor; 4 Non Blondes; Macy Gray; The Clash
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