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Laibach - Alamut

Laibach- Alamut

Mute / PIAS / Rough Trade
VÖ: 09.05.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Tausend Jahre Terror

Nur zur Info: Alamut heißt nicht nur eine Bergfestung im Iran, sondern auch ein 1938 erschienener Roman des slowenischen Schriftstellers Vladimir Bartol. Er handelt von Hasan-i Sabbah, Gründer der islamischen Glaubensgemeinschaft der Nazariten und manipulativer Herrscher Alamuts, der im 11. Jahrhundert die Assassinen losschickt, um dem Anführer der feindlichen Seldschuken per Selbstmordkommando den Garaus zu machen. Sein Motto: Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Ein Credo und eine Geschichte, die so ziemlich der Ausgangslage des PC-Spiels "Assassin's creed" entsprechen und zudem Züge heutigen islamistischen Terrors tragen. Der in Italien lebende Bartol hingegen interpretierte sie seinerzeit vor dem Hintergrund der faschistischen Herrschaft Mussolinis. Und spätestens jetzt kommen Laibach ins Spiel, denn religiös induzierter Wahn und totalitäre Regime sind von jeher Lieblingsthemen des Kollektivs aus Ljubljana, das politische und historische Ereignisse stets mit beängstigender Aktualität auffüllt.

Und nähern sich Laibach dem in der Heimat populären Buch ihres Landsmannes musikalisch, dann mit ganz großem Besteck: Beteiligt sind die Sinfoniker des slowenischen Rundfunks, ein 60-Frau-Akkordeon-Orchester, der experimentelle Chor Gallina und das iranische Human Voice Ensemble. Mit den Zähnen fletschende "Life is live"-Zerrbilder, Heavy-Metal-Parodien oder DAF-naher Elektro-Bums? Nix da – "Alamut" steht eher in einer Reihe mit den Bühnenarbeiten "Macbeth", "Also sprach Zarathustra" oder dem frühen Monolith "Krst pod Triglavom - Baptism". Und Laibach selbst? Verschwinden in dieser opulenten Inszenierung vor Publikum beinahe. Wohlgemerkt: beinahe. Auch wenn er nur sporadisch auftritt, gibt Frontmann Milan Fras mit seinem blökenden Bariton die Rolle des nihilistischen, großmannssüchtigen Fürsten gewohnt gravitätisch, Produzent und Mastermind Ivan Novak sorgt dafür, dass auch das kleinste Detail sitzt, und Elektroniker Luka Jamnik verleiht den langen, häufig überlangen Stücken zuweilen stählerne Wucht.

Und so macht es "Alamut" als "symphonic poem in nine movements" oft nicht unter diesem präzise austarierten Bombast. Einiges an Sitz- oder Hörfleisch ist dennoch vonnöten, bevor "Fedayeen", der Track über die Mordkrieger, erstmals gänzlich unsinfonisch loskrawallt: Digitale Beats und industrielle Kanonenschläge detonieren, wozu das vielköpfige Ensemble Dissonanzen und Fanfaren-Schocks in die Schlacht streut. Erste Single? Eher ein vernichtender Erstschlag in ausladenden 95 Minuten. Ähnlich lärmig geht es allenfalls bei "War" zu, das mit der Version des Edwin-Starr-Oldies auf dem 1994er-Album "NATO" nur den Titel gemein hat und frühe, martialische Brocken wie "Boji" oder "Wutach Schlucht" mit Quetschkommoden-Overkill und Halali-Bläsern anreichert. Anderswo funktioniert "Alamut" mehr nach Mustern neoklassicher Avantgarde und wird in den Vocal-Parts von "Secret gardens" oder "The metaverse" zuweilen leicht statisch – doch auch so etwas moderieren Laibach mit dem nächsten großangelegten Aufzug locker weg.

Was besonders für das "Meditation"-Doppel gilt: Während Teil eins noch weitgehend auf Grobheiten verzichtet und durch sparsame Percussion und spukige Leerräume eine enorm dichte Atmosphäre erzeugt, schleppt sich der 20-minütige Closer inklusive Epilog bedrohlich von entkerntestem Post-Rock-Minimalismus zu einem Gewaltmarsch voller Drone-Theaterdonner und stoischer Paukenschläge. Und begibt sich Fras scheinbar in einen Dialog mit seinem aufgeregt durcheinandermenschelnden Volk, repetiert er lediglich demonstrativ ungerührt: "I know neither mercy nor cruelty / I only implement my plan." Siehe aktuelle Staatenlenker, die sich hinter riesigen Konferenztischen oder fern der Realität auf Golfplätzen verschanzen und einem ähnlichen, legitimierten Faschismus anhängen, den Bartol in der Romanvorlage unter nahöstlichem Deckmantel beklagte. "Nichts gefällt den Slowenen mehr als das Jammern über erlittenes Unrecht", schrieb der Literaturhistoriker Miran Hladnik einmal – Laibach gehen einen Schritt weiter. Wie immer.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Fedayeen
  • Meditation I
  • Meditation II & Epilogue

Tracklist

  • CD 1
    1. Overture
    2. Secret gardens
    3. Fedayeen
    4. Transition
    5. Meditation I
  • CD 2
    1. War
    2. The doors of perception
    3. The metaverse
    4. Meditation II & Epilogue

Gesamtspielzeit: 94:56 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Lichtgestalt

User

Postings: 6842

Registriert seit 02.07.2013

2025-05-17 17:41:49 Uhr
Sorry, war der falsche Link.

Meditation II:

https://www.youtube.com/watch?v=OdDiudt_gWQ

Lichtgestalt

User

Postings: 6842

Registriert seit 02.07.2013

2025-05-17 17:17:07 Uhr
> Tatsächlich…. Aua! Selten härteren Tobak
> gehört.

Ja, da sollte schon das Buch beiseite gelegt, die Katze vom Sofa gescheucht und der Fernseher ausgeschaltet werden.

Easy listening ist etwas anderes - jedoch entfaltet das Ganze eine unglaubliche Sogwirkung, gerade über Kopfhörer.

Das Live-Video zu Meditation II:

https://www.youtube.com/watch?v=mCY7bM93Oqs

Herr

Postings: 2901

Registriert seit 17.08.2013

2025-05-14 21:26:07 Uhr
Ganz starke Rezension.
Und Angst vorm Anhören.
Tatsächlich…. Aua! Selten härteren Tobak gehört.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28834

Registriert seit 08.01.2012

2025-05-14 20:35:57 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

MickHead

Postings: 5575

Registriert seit 21.01.2024

2025-05-13 10:27:24 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://laibach.bandcamp.com/album/alamut

https://www.musikblog.de/2025/05/laibach-alamut/
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