Ezra Furman - Goodbye small head

Bella Union / Rough Trade
VÖ: 16.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Kopfsache
Das Schöne an diesem Album hat zunächst gar nichts mit Musik zu tun. Im Jahr 2025 muss man einfach niemandem mehr erklären, was es mit dieser Künstlerin auf sich hat, warum sie plötzlich in vieler Munde war und zum Role Model und zur Projektionsfläche wurde. The job is done. What a relief. Und vielleicht dachte sich das auch Ezra Furman, jedenfalls ist "Goodbye small head" eher selbstbezüglich gehalten und rückt das große, allumarmende Wir für einen kurzen Moment in den Hintergrund. Also alles anders als noch auf "All of us flames", ja schon, und dann auch wiederum nicht. Denn Ezra Furman treibt die Selbsterkundung weiter, balanciert an Abgründen entlang, blickt nach unten und manchmal auch nach oben. Und erschafft dabei immer wieder eindringliche Bilder oder erzählt kleine, feine Geschichten. Wie etwa im chansonesken "Veil song", wo ein Busunglück die zweifelnde Braut aus dem Trott und vielleicht auch aus dem Leben reißt, aber nicht ohne vorherigen Liebesschwur (hallo, The Smiths!). "The future's blank and shiny like an animal eye / I'm ready to get married like I'm ready to die / It's comforting to say it, but it's not true". Das Schöne, hier steckt es im Detail. Und im Konzept.
Thematisch dreht sich "Goodbye small head" um den Kontrollverlust in all seinen gräulichen Schattierungen. Es geht um die Angst, die im Windschatten mitläuft, aber auch um die Aussicht auf Befreiung. Es geht um das Bewusstsein der eigenen Verletzlichkeit und die Unmöglichkeit, Schwäche zu zeigen. "You mustn't show weakness" lässt aufgekratzte Percussions über tief brummenden Streichern tänzeln, dazu fletscht Furman die Zähne. "Submission" wiederum ergeht sich hypnotischen Kreisbewegungen, während Unterwerfung und Selbstauflösung immer bedrohlichere Züge annehmen, zugleich aber auch ein leises Versprechen bergen. Darum: "Keep going a little more / I can take a little more." Eine Perspektive, die freilich schon der moderat sperrige, mit Samples versehene Opener "Grand mal" eröffnet, wenn die Überwältigung plötzlich eine transformative, selbstverändernde Kraft erahnen lässt. "I believe in the shiver that comes in and takes over / I don't wait 'til it's over / I bathe in its waves / To the sea from the river I'm swept and pulled under / I will never recover / I won't be the same."
Wie Furman diese einander über- und durchkreuzende Vielstimmigkeit auch musikalisch aufreizend in Szene setzt, knüpft durchaus an die vorherigen Alben an. Ein Song wie "Slow burn", der sich hymnisch emporschraubt und dann kopfüber in die Coda stürzt, hätte auch auf dem Vorgänger seinen Platz gehabt. Und der leicht schiefe Folk-Punk à la Violent Femmes, den Furman in "Jump out" zum Besten gibt, erinnert in seiner Roughness an "Twelve nudes". Selbst retroesk-schwungvolle Rock'n-Roll-Nummern wie "Power of the moon" und der Rausschmeißer "I need the angel" können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Goodbye small head" im Kern durch und durch düster geraten ist. Es ist aber auch ein Album, das seine Schwere immer wieder in einer exaltierten Theatralik auflöst und dabei ein süßliches, leicht muffiges Velvet-Underground-Aroma verströmt. Und das, denn die Ausnahme bestätigt die Regel, dann irgendwann doch noch zur Umarmung ansetzt und in "A world of love and care" zum gemeinsamen Träumen aufruft. "Dream better / Dream bigger / With me." Oder wie Furman uns anderswo zuruft: "Stay strong / It's a long way down."
Highlights
- Grand mal
- You mustn't show weakness
- Submission
- Veil song
Tracklist
- Grand mal
- Sudden storm
- Jump out
- Power of the moon
- You mustn't show weakness
- Submission
- Veil song
- Slow burn
- You hurt me, I hate you
- Strange girl
- A world of love and care
- I need the angel
Gesamtspielzeit: 42:32 min.
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MickHead Postings: 5575 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-16 11:21:34 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:https://ezrafurman.bandcamp.com/album/goodbye-small-head |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28834 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-05-14 20:34:48 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28834 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-04-30 18:47:53 Uhr - Newsbeitrag
Ezra Furman veröffentlicht am 16. Maidas neue Album "Goodbye Small Head" (Label/Vertrieb: Bella Union/Rough Trade) Nach "Grand Mal" und "Jump Out" ab sofort die neue Single "Power of the Moon" "Mitreißende Songs über Kontrollverlust" Rolling Stone (4 Sterne) “Recapturing and refocusing her energy, Goodbye Small Head is her calmest record yet, flecked with ballads and strings. Yet Furman’s trademark anger and angst find a way through. A World of Love and Care starts quiet and gets loud as Furman rallies herself, and us: ‘Dream better / Dream bigger.’” MOJO – 4 stars **** “An intense, fearless and diverse bunch of songs, ranging from cinematic orchestral lushness (Grand Mal) to an end-of-tether punk-emo scream (Jump Out).” Uncut – 7/10 |
MickHead Postings: 5575 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-04-24 12:47:37 Uhr
3. Song "Power Of The Moon"https://www.youtube.com/watch?v=CjaIB5BzJDw |
MickHead Postings: 5575 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-03-18 23:00:59 Uhr
2. Song "Jump Out"https://youtu.be/dVwcedy9sG4?si=NUCi2TEzMe3ycJ3F |
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Referenzen
Ezra Furman & The Boy-Friends; Ezra Furman & The Harpoons; The Velvet Underground; Lou Reed; Tindersticks; Sharon Van Etten; The Shangri-Las; Courtney Barnett; Alex Cameron; Kate Bush; Bright Eyes; Torres; The Walkabouts; Antony And The Johnsons; Devendra BanhartViolent Femmes; Courtney Barnett; Alex G; Perfume Genius; Mitski; Jack White; Julien Baker; Laura Jane Grace; Laura Jane Grace & The Devouring Mothers; The Killers; Lucy Dacus; Roxy Music; PJ Harvey; St. Vincent; Nick Cave; Gabi Garbutt & The Illuminations; Djo; Angel Olsen; Cat Power; Phoebe Bridgers; Wye Oak; The Walkmen; The Kills; Sam Vance-Law; Against Me!; Waxahatchee; Patti Smith; Bruce Springsteen; Sam Fender; Billie Eilish; Vampire Weekend; Stevie Nicks; David Bowie; Marc Bolan; Bob Dylan; John Lennon
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